Gestattungsvertrag: OVG Berlin Brandenburg verneint Übereignungsanspruch von Fernwärmeverteilungsanlagen

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veröffentlicht am 03. August 2021​

Im Berufungszulassungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg über Übertragungsansprüche am Fernwärmeversorgungsnetz verneint das Gericht einen Anspruch des Landes Berlin gegen die BEWAG auf Übereignung der innerhalb des Versorgungsgebiets gelegenen Fernwärmeverteilungsanlagen gegen Erstattung des Wertes.

 

Worum geht es?

Der Konzessionsvertrag über die Nutzung der öffentlichen Verkehrswege für das Fernwärmenetz in Berlin zwischen dem Land Berlin und der BEWAG endete zum 31.12.2014. Der Vertrag enthielt zwar eine sog. „Endschaftsklausel“, allerdings bezog sich diese nach Ansicht des VG Berlin (VG Berlin, Urteil vom 30.06.2017, 4 K 16.15) seit der im Jahr 2006 vereinbarten Neufassung der Endschaftsbestimmung ausschließlich auf Anlagen für die Versorgung mit elektrischer Energie.

 

Das Land Berlin hatte ein eigenes Fernwärmeversorgungsunternehmen gegründet. Danach bestand ein Interesse des Landes Berlin, die Fernwärmeversorgungsanlagen – erforderlichenfalls in einem Ausschreibungsverfahren zur Vergabe eines Fernwärmegestattungs- oder Konzessionsvertrags – an das eigene Fernwärmeversorgungsunternehmen zu vergeben. Voraussetzung hierfür wäre ein Eigentumsübertragungsanspruch des Landes Berlin gegen die BEWAG bzw. deren Nachfolgeunternehmen des Vattenfall-Konzerns gewesen.

 

Die Vorinstanz hatte entschieden, dass das Land Berlin keinerlei Ansprüche auf Übereignung der Fernwärmeverteilungsanlagen habe. Die Fernwärmeverteilungsanlagen seien nicht von der Endschaftsklausel des Konzessionsvertrages umfasst, weil diese nicht unter den Begriff „Energieversorgungsanlagen“ fallen. Darüber hinaus ergebe sich weder aus analoger Anwendung zivilrechtlicher Bestimmungen noch aus dem Berliner Straßengesetz ein Anspruch auf Übereignung der Fernwärmeverteilungsanlagen gegen Wertersatz. Zudem hat das VG Berlin entschieden, dass die mit den Fernwärmeversorgungskunden geschlossenen Verträge der BEWAG nicht infolge des Übergangs des Eigentums an den Anlagen auf das Land Berlin übergehen.

 

Das OVG Berlin-Brandenburg hat den Antrag des Landes Berlin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des VG Berlin abgelehnt (OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 05.07.2021, OVG 11 N 103.17). So bestünden keine Berufungszulassungsgründe, zudem sei kein Anspruch des Landes Berlin auf Übereignung gegeben. Im Einzelnen sagt das OVG Berlin-Brandenburg Folgendes:

 

Kein Anspruch auf Übereignung

Das Land Berlin hatte argumentiert, dass es mit Auslaufen des alten Konzessionsvertrages am 31.12.2014 Anspruch auf Übereignung der Fernwärmeverteilungsanlagen gegen Wertersatz gegenüber der BEWAG habe. Dem erteilte das Gericht eine Absage.

 

Fernwärmenetze sind sog. „Scheinbestandteile“ der Grundstücke von Kommunen. Das bedeutet, dass der Fernwärmeversorger das Eigentum an den Leitungen und sonstigen Anlagen nicht dadurch verliert, dass er diese in den Grundstücken einer Kommune verlegt. Hierfür muss bei Abschluss des Gestattungsvertrages für die Vertragsparteien festgestanden haben, dass das Fernwärmenetz nur für die Dauer des Vertrages eingebracht wird, also nur für einen vorübergehenden Zweck. Die massive Bauart eines Fernwärmenetzes steht dem nicht entgegen.

 

Das VG Berlin verneinte darüber hinaus alle weiteren vom Land Berlin geltend gemachten Übereignungsansprüche. Der Konzessionsvertrag könne nicht dahingehend ausgelegt werden, dass die Vertragsparteien bei ihrer Vereinbarung der Endschaftsklausel die Übereignung der Fernwärmeverteilungsanlagen bei Vertragsende gewünscht hätten. Fernwärmeverteilungsanlagen seien nicht als „Energieversorgungsanlagen“ einzustufen. Zudem ließ das VG Berlin die Frage offen, ob bei Fernwärmeerzeugungs- und Fernwärmeverteilungsanlagen eine derartige Verknüpfung und gegenseitige Bedingtheit vorliegt, dass diese nur als untrennbare Gesamtheit denkbar sind, sodass kein isolierter Übertragungsanspruch an den Verteilungsanlagen möglich sei.

 

Ebenso verneinte die Vorinstanz einen Anspruch auf Übereignung aus dem Rechtsgedanken, der den Regelungen zum Abwendungsrecht in §§ 574a Abs. 2 BGB a.F. (jetzt § 552 Abs. 1 BGB), § 992 Abs. 2 BGB zugrunde liegt. Der in diesen Vorschriften zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke gebe für die hiesige Konstellation bereits deshalb nichts her, weil die BEWAG die streitigen Fernwärmeverteilungsanlagen gar nicht entfernen wolle. Darüber hinaus fehle es an der erforderlichen Regelungslücke, da der Konzessionsvertrag selbst hinsichtlich des Wegenutzungsrechts auf die Vorschriften des Berliner Straßengesetzes verweise.

 

Ein Anspruch auf Übereignung der Fernwärmeverteilungsanlagen ergebe sich außerdem nicht aus dem Berliner Straßengesetz. Insofern käme lediglich § 11 Abs. 6 Satz 1 i.V.m. § 12 Abs. 1 BerlStrG in Betracht, wonach der Erlaubnisnehmer auch im Fall der Sondernutzung zu Zwecken der öffentlichen Versorgung nach Erlöschen der Erlaubnis unverzüglich etwa vorhandene Anlagen zu beseitigen habe. Da die BEWAG zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung im Besitz von auf § 12 Abs. 2 BerlStrG beruhenden straßenrechtlichen Sondernutzungserlaubnissen für das gesamte Fernwärmeverteilungsnetz war, sei ein Anspruch auf Beseitigung des Fernwärmenetzes jedenfalls nicht gegeben. Darüber hinaus erscheint fraglich, ob der Beseitigungsanspruch, der sich aus dem Berliner Straßengesetz ergibt, in einen Übereignungsanspruch gegen Wertersatz reduzieren lässt. Diese Frage ließen das VG Berlin und das OVG Berlin-Brandenburg offen.

 

Die Anträge zu 2. und 3. wies das VG Berlin ebenfalls mit der Begründung ab, dass diese einen bestehenden Übereignungsanspruch voraussetzen und deshalb unbegründet seien. 

 

Es liegen keine Berufungszulassungsgründe vor

Das Land Berlin hat nun versucht, im Wege der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil des VG Berlin vorzugehen und einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Die geltend gemachten Einwände griffen aber nicht durch, sodass das OVG Berlin-Brandenburg den Antrag auf Zulassung der Berufung insgesamt ablehnte. Die Argumentation des VG Berlin wurde dabei vollumfänglich gestützt.

 

Fazit

Mit seiner Entscheidung hat das  OVG Berlin-Brandenburg  zugunsten des Alt-Konzessionärs BEWAG/Vattenfall entschieden. Damit hat das OVG sich gleichzeitige gegen einen Wettbewerb um Fernwärme-Gestattungsverträge und die Rekommunalisierung von Fernwärmeversorgungsgebieten entschieden. Gerade in Berlin bedeutet dies eine Entscheidung gegen bürgerliche Teilhabe, sozialverträgliche Fernwärmeentgelte und Dekarbonisierung der Wärmeversorgung. In Zeiten der Klima-Verfassungsrechtsprechung ein fossiles Stein(kohle)zeit-Urteil?

 

Das Land Berlin ist nun wohl genötigt, die Sondernutzungserlaubnisse der BEWAG weiter zu verlängern, um nicht die Versorgung zahlreicher Haushalte im Versorgungsgebiet Berlin mit Fernwärme aufs Spiel zu setzen. Will die Stadt Berlin sich dem nicht beugen, bleibt wohl nur der vom OLG Stuttgart gewiesene Weg der Netz-Beseitigungsklage. Dass dies keine praktikable Lösung ist, sondern Streit bis zum BGH bedeutet, wurde bereits hinlänglich beklagt. Umso dringlicher wird die Entscheidung des BGH zum OLG-Stuttgart-Urteil, damit hier Rechtssicherheit entsteht. Auch die gesetzgeberische Lösung der Fernwärme-Ausschreibungsproblematik könnte ein konkretes Thema des Klimawahlkampfs werden, wollte eine Partei die bisher unkonkreten Klimaschutzziele tatsächlich mit konkreten Klimaschutzmaßnahmen untermauern.

 

Das Urteil des VG Berlin ist mit Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung rechtskräftig. Die Entscheidung des OVG Berlin-Brandenburg ist grundsätzlich unanfechtbar. In Betracht kämen lediglich eine Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 153 VwGO oder eine Anhörungsrüge gem. § 152a VwGO, wobei das Vorliegen der jeweiligen Voraussetzungen derzeit nicht ersichtlich ist. Die Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde erscheint mit Blick auf das Konfusionsargument fraglich. Es bleibt daher abzuwarten, wie das Land Berlin den fortdauernden Streit mit der Rechtsnachfolgerin der BEWAG um die Fernwärmeverteilungsanlagen zukünftig handhabt.

 

 

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