Arbeitsvisum für Singapur – aufwendigeres Antragsverfahren soll Transparenz erhöhen

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veröffentlicht am 11. August 2023 | Lesedauer ca. 5 Minuten

 

In den letzten Jahren hat die Thematik des Arbeitsvisums in Singapur immer wieder Neuerungen und Änderungen erfahren, die von der Anhebung der erforderlichen Mindestgehälter bis hin zur Einführung neuer Visumvarianten reichten. Seit Beginn diesen Jahres können Spitzenkräfte aus den Bereichen Wirtschaft, Kunst, Kultur, Sport sowie Wissenschaft und Forschung den Overseas Network and Expertise Pass (ONE Pass) beantragen. Für Wirtschaftstreibende ist allerdings ein monatliches Mindestgehalt in Höhe von 30.000 Singapur Dollar erforderlich. Der ONE Pass erlaubt, im Gegensatz zu vielen anderen Visumvarianten, die gleichzeitige Beschäftigung für mehrere Arbeitgeber sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen. 
 
 

 

COMPASS

Im September 2023 führt Singapur das sogenannte COMPASS-System (Complementarity Assessment Frame­work) für neue Employment Pass Anträge ein. COMPASS ist ein punktebasiertes System, bei dem Bewerber neben dem Mindestgehalt sowohl personen- als auch unternehmensbezogene Kriterien erfüllen müssen, um einen Employment Pass zu erhalten. Ab September 2024 wird das System auch für Verlängerungen des Employment Pass gelten.
 
COMPASS soll Arbeitgebern die Anstellung hochqualifizierter Fachkräfte unter Verwendung eines trans­pa­renteren Systems ermöglichen. Gleichzeitig soll es die Diversität am Arbeitsplatz erhöhen sowie die Beschäf­tigung einheimischer Arbeitskräfte fördern. 
 
Ein Arbeitnehmer muss mindestens 40 Punkte in den Kriterien Gehalt, Qualifikation, Diversität und Förderung lokaler Beschäftigung, oder den Bonuskriterien erhalten.
 
In jedem Basiskriterium können bis zu 20 Punkte erreicht werden. Der Kandidat erhält 20 Punkte, wenn er beziehungsweise das Unternehmen, die Erwartungen übertrifft, 10 Punkte, wenn die Erwartungen erfüllt werden und keine Punkte, wenn die Erwartungen nicht erfüllt werden.
 

Personenbezogene Kriterien

Hinsichtlich des Gehalts wird das monatliche Festgehalt zusätzlich zu dem weiterhin geforderten Mindest­ge­halt mit den Gehältern der lokalen PMETs (Professionals, Managers, Executives and Technicians) im jeweiligen Sektor nach Alter verglichen. Liegt das Gehalt über dem 90. Perzentil, also weit über dem sonst im Sektor bezahlten Gehalt, erhält der Kandidat 20 Punkte, zwischen dem 65. und 90. Perzentil 10 Punkte und unter dem 65. Perzentil keine Punkte.
 
Daneben ist die Qualifikation des Kandidaten relevant. 20 Punkte erhält der Kandidat für einen Abschluss an einer „Top Tier“-Hochschule. Welche Institutionen dieses Kriterium erfüllen, legt das MOM (Ministry of Manpower) auf Basis des QS World University Rankings fest, berücksichtigt aber auch andere hoch angese­hene Universitäten in Asien. Eine Liste der „Top Tier“-Institutionen ist auf der Website des MOM einsehbar. Für einen vergleichbaren Abschluss, etwa einen Bachelor von einer anderen Universität, erhält der Kandidat 10 Punkte.
 

Unternehmensbezogene Kriterien

Das Kriterium der Diversität soll nach Auffassung des MOM zu einem integrativeren und produktiveren Arbeitsumfeld beitragen. Ein Kandidat erhält demnach 20 Punkte, wenn seine Nationalität bisher mit weniger als 5 Prozent unter den im Unternehmen bereits angestellten PMETs vertreten ist, zwischen 5 Prozent und 25 Prozent erhält ein Kandidat 10 Punkte. 
 
Wenn also z.B. ein Unternehmen in Singapur bereits zu mehr als 25 Prozent deutsche PMETs beschäftigt, kann ein deutscher Kandidat in diesem Kriterium keine Punkte erzielen.
 
Kleine Unternehmen mit weniger als 25 PMETs erhalten pauschal 10 Punkte. 
 
Für das letzte Basiskriterium ist die Frage entscheidend, inwieweit das Unternehmen, in dem der Kandidat arbeiten möchte, die Beschäftigung lokaler Arbeitnehmer fördert. Der Kandidat erhält Punkte, wenn das Unternehmen im Vergleich zu anderen Unternehmen der Branche einen vergleichsweise hohen Anteil an lokalen PMETs beschäftigt. Entspricht der Anteil einheimischer Arbeitnehmer mindestens dem 50. Perzentil, erhält der Kandidat 20 Punkte, bei einem Wert zwischen dem 20. und 50. Perzentil erhält der Kandidat immerhin noch 10 Punkte. 
 
Ein Kandidat erhält auch dann 10 Punkte, wenn das Unternehmen mindestens 70 Prozent lokale PMETs beschäftigt, auch wenn es die erforderliche Perzentil Grenze nicht erreicht. Dadurch soll verhindert werden, dass Unternehmen in Branchen benachteiligt werden, in denen bereits allgemein mehr lokale Arbeitnehmer beschäftigt werden als in anderen Branchen.
 
Auch hier erhalten kleine Unternehmen mit weniger als 25 PMETs pauschal 10 Punkte.
 

Bonuskriterien

Neben den Basiskriterien gibt es die Möglichkeit, zusätzliche Punkte durch Bonuskriterien zu erhalten. Zum einen gibt es einen „Skills Bonus“mit bis zu 20 Bonuspunkten, wenn der Bewerber in Singapur in einem Beruf arbeiten möchte, der auf der Shortage Occupation List (SOL) steht. Die SOL ist eine von MOM und dem Ministry of Trade and Industry entwickelte Liste, die Berufe aufführt, für die in der singapurischen Wirtschaft ein besonderer Bedarf besteht, weil sie hochspezialisierte Fähigkeiten erfordern, die derzeit nicht durch lokale Arbeitskräfte abgedeckt werden können.
 
Auf der Liste stehen unter anderem Berufe in der Lebensmittelindustrie, wie z.B. Biotechnologe für neuartige Lebensmittel, in der grünen Wirtschaft, wie z. B. Projekt/Programmmanager für Kohlenstoff, und in der Informations- und Kommunikations-Technologie, wie z. B. Cybersecurity-Spezialist. Ein Kandidat, dessen Berufsbild in dieser Liste aufgeführt ist, erhält grundsätzlich 20 Punkte. Die Punktzahl wird jedoch auf 10 Punkte reduziert, wenn seine Nationalität der Nationalität von 1/3 der bereits beschäftigten PMETs entspricht.
 
Außerdem besteht die Möglichkeit, 10 Bonuspunkte zu erhalten, wenn das Unternehmen, das den Bewerber einstellen möchte, einen Bonus für strategische Wirtschaftsprioritäten für die Zusammenarbeit mit der singapurischen Regierung bei ehrgeizigen Investitionen, Innovationen, Internationalisierungen oder Weiter­entwicklung der Unternehmens- und Personalstruktur erhält (Strategic Economic Priorities Bonus).
 

Beispiel

Ein Kandidat, der ein überdurchschnittliches Gehalt (65. Perzentil oder höher) bezieht (10 Punkte), einen Universitätsabschluss hat (10 Punkte) und in einem Unternehmen eingestellt werden soll, das weniger als 25 PMETs beschäftigt (jeweils 10 Punkte pauschal), erreicht daher 40 Punkte und besteht COMPASS, auch wenn das Unternehmen keine Bonuskriterien erfüllt.
 
Erfüllt der Kandidat jedoch in einem Kriterium nicht die Erwartungen und das Unternehmen auch keine Bonuskriterien, wird der Kandidat, sofern er nicht in wenigstens einem anderen Kriterium die Erwartungen übertrifft, COMPASS nicht bestehen und die Einstellung des Wunschkandidaten wird erschwert. 
 
Das System beinhaltet demnach die Möglichkeit, fehlende Punkte in einem Kriterium durch das Übertreffen der Erwartungen in einem anderen Kriterium auszugleichen, da von insgesamt inklusive Bonuspunkten 110 erreichbaren Punkten „nur“ 40 Punkte erreicht werden müssen. Eine aus Sicht des MOM unzureichende Qualifikation kann daher zum Beispiel dadurch ausgeglichen werden, dass die Nationalität des Bewerbers im Unternehmen bisher kaum vertreten ist.
 
Um zu prüfen, ob ein Bewerber die Anforderungen von COMPASS voraussichtlich erfüllen wird, können Arbeitgeber vor der Antragstellung die Erfolgsaussichten der Bewerbung mit dem weiterentwickelten Self-Assessment Tool (SAT) prüfen. Wenn das SAT positiv ausfällt, besteht laut MOM eine 90-prozentige Chance auf eine erfolgreiche Bewerbung.
 

Ausnahmen

Arbeitnehmer, die mindestens S$ 22.500 monatlich verdienen, unternehmensintern entsandte Arbeitnehmer aus Staaten, mit denen ein Freihandelsabkommen besteht, sowie Personen, die nur ein Kurzzeit-Arbeits­ver­hält­nis von maximal einem Monat eingehen wollen, müssen die COMPASS Voraussetzungen nicht erfüllen. 
 

Fazit zum COMPASS

Angesichts der klar formulierten Kriterien und des Punktesystems ist tatsächlich ein transparenteres Verfahren als bisher zu erwarten. Durch die teilweise strengen Kriterien kann es aber auch insgesamt erschwert und aufwendiger werden, einen Employment Pass für den Wunschkandidaten zu erhalten, der etwa nicht über die nach Bewertung des MOM hinreichende Qualifikation oder „passende“ Nationalität in Bezug auf die Diversität verfügt. Die gründliche Vorbereitung des Antrags auf Erteilung eines Arbeitsvisums wird vermutlich noch wichtiger.
 

Weitere Änderungen

Zusätzlich zu den Änderungen bei den Beschäftigungspässen im Rahmen des COMPASS-Systems wird ab September 2023 auch das für eine erfolgreiche Bewerbung erforderliche Mindestgehalt angehoben, und zwar nicht nur für den Employment Pass (S$ 5.000 statt S$ 4.500), sondern auch für den Personalised Employment Pass (S$ 22.500, unabhängig davon, ob die Person bereits im Besitz eines EP ist oder nicht, statt S$ 12.000 für bestehende EP-Inhaber und S$ 18.000 für ausländische Fachkräfte) und den S-Pass (S$ 3.150 statt S$ 3.000).
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