Pillar 2: Diskussionsentwurf für ein Mindest­steuer­an­passungs­gesetz veröffentlicht

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​​​​​​​​​veröffentlicht am 26. September 2024 | Lesedauer ca. 5 Minuten

 

Am 20. August 2024 veröffentlichte das BMF einen Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur Anpassung des Mindeststeuergesetzes und weiterer Maßnahmen (Mindeststeuer­anpassungsgesetz – MinStGAnpG). Dieses Gesetz soll das am 28. Dezember 2023 in Kraft getretene Mindeststeuergesetz (MinStG) an die OECD-Verwaltungsleitlinien vom Dezember 2023 anpassen. Besonders betroffen sind dabei die Regelungen zum CbCR-Safe-Harbour sowie zur Berücksichtigung aktiver latenter Steuern.​

 

Hintergrund

Am 15. Dezember 2023 hat der Bundesrat den Gesetzentwurf zur Umsetzung der globalen Mindestbesteuerung beschlossen. Die Verkündung des Gesetzes im Bundesgesetzblatt erfolgte schließlich am 27. Dezember 2023. Damit wurde das deutsche Gesetzgebungsverfahren erfolgreich abgeschlossen und die RICHTLINIE (EU) 2022/2523 DES RATES zur Gewährleistung einer globalen Mindestbesteuerung für multinationale Unter­nehmensgruppen und große inländische Gruppen in der Union vom 14. Dezember 2022 fristgerecht umgesetzt. 
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Obwohl das Gesetzgebungsverfahren zum MinStG abgeschlossen ist, ist ein Ende neuer gesetzlicher Regelungen zur deutschen Mindeststeuer noch lange nicht in Sicht. Der Grund dafür liegt u.a. in der selber auferlegten Verpflichtung Deutschlands, die OECD-Verwaltungsleitlinien, die seit der Veröffentlichung der OECD Model Rules am 20. Dezember 2021 schrittweise entwickelt und veröffentlicht werden, innerhalb von 24 Monaten nach ihrer Veröffentlichung umzusetzen.

Die vom Inclusive Framework erarbeiteten OECD-Verwaltungsleitlinien sollen eine einheitliche Auslegung und Anwendung der OECD Model Rules durch die Steuerverwaltungen der umsetzenden Staaten gewährleisten. Diese Leitlinien beinhalten sowohl Konkretisierungen als auch verwaltungsseitige Erleichterungen und werden schrittweise in den ursprünglich am 14. März 2022 veröffentlichten Kommentar integriert. Am 20. Dezember 2022 wurden zunächst OECD-Richtlinien für Safe-Harbour-Regelungen veröffentlicht, die es den Steuer​­pflichtigen ermöglichen, bei Erfüllung dieser Regeln von der vollständigen Anwendung der Mindest​­steuer­regelungen befreit zu werden. Im Februar 2023 folgte das erste, im Juli 2023 das zweite umfassende Paket an OECD-Verwaltungsleitlinien, die verschiedene Regelungsbereiche abdecken. 
  
Die Safe-Harbour-Regelungen sowie die ersten beiden Leitlinienpakete wurden bereits bei der Umsetzung des deutschen MinStG (zumindest teilweise) berücksichtigt. Das im Dezember 2023 veröffentlichte dritte Paket bietet den Staaten zusätzliche Hinweise zur Anwendung der Safe-Harbour-Regelungen, wurde jedoch im deutschen MinStG bisher noch nicht berücksichtigt. Im Juni 2024 folgte schließlich ein viertes Paket, das u.a. umfassende Leitlinien zu latenten Steuern enthält und ebenfalls noch nicht im deutschen MinStG berücksichtigt wurde.
  

​Inhalte des Mindeststeueranpassungsgesetzes

Neben einigen redaktionellen Anpassungen, wie der Angleichung an den Wortlaut der EU-Richtlinie oder die Korrektur von Verweisfehlern, enthält der Diskussionsentwurf auch einige materielle Anpassungen, die sich insbesondere aus den OECD-Verwaltungsleitlinien vom Dezember 2023 ergeben. Diese werden im Folgenden näher betrachtet.

Konkretisierungen zum CbCR-Safe-Harbour


Hintergrund: 
  • Der temporäre CbCR-Safe-Harbour (§ 84 MinStG) ermöglicht es, den Steuererhöhungsbetrag in einem Steuerhoheitsgebiet auf 0 Euro festzusetzen, wenn einer von drei Tests erfüllt ist. Für die Durchführung dieser Tests sind keine umfassenden GloBE-Berechnungen erforderlich, sondern die Prüfung erfolgt auf Basis qualifizierter Daten aus dem Country by Country Report (also dem länderbezogenen Bericht) und der Finanzberichterstattung. 
  • Der erste Test ist erfüllt, wenn der nach CbCR-Regeln ermittelte Umsatz bzw. Gewinn unterhalb der Schwelle von 10 Millionen Euro bzw. 1 Millionen Euro liegt. Dieser Test soll lt. dem Diskussionsentwurf zukünftig als „CbCR-Wesentlichkeitsgrenze-Test“ bezeichnet werden. 
  • Der zweite Test ist erfüllt, wenn der nach vereinfachten Grundsätzen ermittelte effektive Steuersatz eine bestimmte, zeitlich gestaffelte, Mindestgrenze erreicht oder übersteigt. Dieser Test soll lt. dem Diskussions​­​-entwurf zukünftig als „CbCR-Effektivsteuersatz-Test“ bezeichnet werden. 
  • Der dritte Test ist erfüllt, wenn nach Abzug des substanzbasierten Freibetrags keine überschüssigen Gewinne verbleiben. Dieser Test soll lt. dem Diskussionsentwurf zukünftig als „CbCR-Routinegewinn-Test“ bezeichnet werde.  
      
Änderungen: 
  • Der Diskussionsentwurf sieht einige Konkretisierungen bei der Anwendung des CbCR-Safe-Harbours vor. Zunächst wird durch eine Ergänzung in § 84 Abs. 1 MinStG-E gewährleistet, dass auch Unternehmens­gruppen, die keinen länderbezogenen Bericht aufstellen müssen, den CbCR-Safe-Harbour in Anspruch nehmen können. Solche Unternehmensgruppen haben dann die Angaben zugrunde zu legen, die sie berichtet hätten, wenn eine solche Verpflichtung bestehen würde. 
  • In § 87 MinStG-E soll die Anforderung aus den OECD-Verwaltungsleitlinien umgesetzt werden, wonach für die Berechnung des CbCR-Safe-Harbours die Verwendung konsistenter Datenquellen innerhalb eines Steuerhoheitsgebiets verlangt wird. Demnach sind innerhalb eines Steuerhoheitsgebiets für eine Unter­nehmensgruppe einheitlich entweder Jahresabschlüsse oder Berichtspakete heranzuziehen. Von diesen Anforderungen nicht betroffen sind Betriebsstätten und nicht wesentliche Geschäftseinheiten. 
  • In § 87 MinStG-E soll außerdem geregelt werden, dass die für den länderbezogenen Bericht verwendeten Rechnungslegungsdaten für Zwecke des CbCR-Safe-Harbours grundsätzlich nicht angepasst oder verändert werden dürfen, insbesondere keine Jahresendanpassungen bei den Verrechnungspreisen vorgenommen werden dürfen. 
      
Ergänzung von Missbrauchsvermeidungsregeln: 
  • In Zusammenhang mit dem CbCR-Safe-Harbour sollen im neuen § 87b MinStG-E Regelungen zur Vermeidung von Gestaltungen zur unrechtmäßigen Inanspruchnahme des CbCR-Safe-Harbours ergänzt werden. 
  • Die Vorschrift zielt darauf ab, Inkongruenzen zu korrigieren, die durch sog. hybride Arbitrage-Vereinbarungen entstehen, bei denen Erträge, Aufwendungen, Gewinne, Verluste oder Steuern innerhalb der Unternehmensgruppe auf inkonsistente oder doppelte Weise erfasst werden.
      
​Safe-Harbour für vereinfachte Berechnungen: 
  • Hintergrund: Der Safe-Harbour für vereinfachte Berechnungen (§§ 79 und 80 MinStG) ermöglicht es, dass bei einer Geschäftseinheit der Steuererhöhungsbetrag in einem Steuerhoheitsgebiet auf 0 Euro fest-gesetzt wird, wenn einer von drei Tests erfüllt ist. Die vorgesehenen Tests weisen systematisch wesentliche Parallelen zu den temporären CbCR-Safe-Harbours auf, stellen allerdings – statt auf CbCR-Daten – grundsätzlich auf vereinfachte Berechnungsmaßgaben nach GloBE Grundsätzen für die Einkommens-, Umsatz- und Steuerberechnungen ab. In § 80 MinStG wird jedoch geregelt, dass konkret bei unwesentlichen Geschäftseinheiten auch nach Ende der befristeten Safe-Harbours die vereinfachten Berechnungen weiterhin auf Grundlage des länderbezogenen Berichts erfolgen können. 
  • Änderung: Durch das MinStGAnpG soll gewährleistet werden, dass dieses Wahlrecht auch für solche Unternehmensgruppen eröffnet wird, die keinen länderbezogenen Bericht aufstellen. Gem. § 80 Abs. 2 MinStG-E haben Unternehmensgruppen, die nicht zur Erstellung eines länderbezogenen Berichts verpflichtet sind, die Angaben zugrunde zu legen, die sie berichtet hätten, wenn eine solche Verpflichtung bestehen würde.

Latente Steuern

  • Eine für die Praxis sehr bedeutsame Änderung betrifft die Berücksichtigung latenter Steuern, die im Mindeststeuer-Jahresüberschuss oder Mindeststeuer-Jahresfehlbetrag aufgrund des Wahlrechts gem. § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB oder aufgrund einer Verrechnung nicht ausgewiesen sind. Bislang war insbesondere unklar, ob aktive latente Steuern, die aufgrund der Ausübung des Wahlrechts gem. § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB nicht in der Bilanz angesetzt werden, dennoch für Zwecke der Mindeststeuer beim Gesamtbetrag der angepassten latenten Steuern berücksichtigt werden können. 
  • Die Ergänzung des § 50 Abs. 1 Nr. 3 MinStG-E sieht nun ausweislich der Gesetzesbegründung vor, dass ein Überhang an aktiven latenten Steuern immer im Gesamtbetrag der angepassten latenten Steuern zu erfassen ist, und zwar auch dann, wenn dieser aufgrund des Wahlrechts gem. § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB nicht in der Bilanz angesetzt wurde. Es ist vorgesehen, dass die Entwicklung der in diesem Aktivüberhang enthaltenen Positionen anhand geeigneter Daten nachvollziehbar sein muss. In welcher Form dieser Nachweis erfolgen muss, geht aus dem Diskussionsentwurf jedoch nicht hervor. 
  • Die Neuregelung ist für die Praxis grundsätzlich positiv zu bewerten. Allerdings kommt sie für einige Unternehmen zu spät, die aufgrund der noch zu Jahresbeginn bestehenden Unsicherheiten von der Ausübung des Wahlrechts nach § 274 Abs. 1 Satz 2 HGB abgesehen haben. 

Weitere Änderungen

  • Mindeststeuergruppe: In der sog. Mindeststeuergruppe (§ 3 MinStG) werden sämtliche Ergänzungssteuern, die auf die inländischen Geschäftseinheiten entfallen, dem Gruppenträger als alleinigem Steuerschuldner zugerechnet. Nunmehr soll ein neuer § 3 Abs. 1 Satz 4 MinStG-E eingefügt werden. Dieser sieht aus Gründen der Erfüllung verwaltungsseitiger technischer Anforderungen vor, dass auch eine einzelne inländische Geschäftseinheit als Mindeststeuergruppe behandelt wird (insofern Fiktion einer Mindeststeuergruppe). Durch diese Fiktion tritt eine Erweiterung des Kreises der als Gruppenträger zur Mitteilung gem. § 3 Abs. 4 MinStG verpflichteten Gesellschaften ein.
  • Mindeststeuer-Bericht: Durch eine Ergänzung in § 75 Abs. 3 MinStG-E soll gewährleistet werden, dass auch Unternehmensgruppen mit kürzeren oder abweichenden Wirtschaftsjahren ihren ersten Mindeststeuer-Bericht erst am 30. Juni 2026 einreichen müssen.
  • Gemischte Hinzurechnungsbesteuerungsregime: Gemischte Hinzurechnungsbesteuerungsregime gem. § 88 MinStG sind solche Hinzurechnungsbesteuerungen, bei deren Berechnung die Gewinne, Verluste und anrechenbaren Steuern aller ausländischen Einheiten zusammengefasst werden. Somit wird bei gemischten Hinzurechnungsbesteuerungsregimen – anders als bei der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung – das Vorliegen einer Niedrigbesteuerung nicht gesellschaftsbezogen, sondern gesellschafts- und staaten­übergreifend beurteilt. Der Diskussionsentwurf sieht im Rahmen des § 88 MinStG mehrere Klarstellungen und Anpassungen zur Behandlung gemischter Hinzurechnungsbesteuerungsregime an die Vorgaben des dritten Pakets der OECD-Verwaltungsleitlinien vor.
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​Ausblick

Wie bereits im Gesetzgebungsverfahren zum MinStG, wurde auch der erste Entwurf des BMF für das MinStGAnpG ausdrücklich als „Diskussionsentwurf“ bezeichnet. Das bedeutet, dass es sich noch nicht um den Referentenentwurf handelt, mit dem das Gesetzgebungsverfahren offiziell eingeleitet wird. Dies deutet darauf hin, dass das BMF bereit ist, eingehende Anmerkungen aus der Wirtschaft und von Steuerexperten vor der offiziellen Eröffnung des Gesetzgebungsverfahrens zu berücksichtigen. Die Frist für solche Stellungnahmen endete am 6. September 2024. Weitere gesetzliche Anpassungen des MinStG, insbesondere im Hinblick auf das im Juni 2024 veröffentlichte vierte Paket der OECD-Verwaltungsleitlinien, sind zu erwarten.​​
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