D&O-Versicherung: „Claims-made Prinzip“ und weitere Risiken

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​​​​ Haftungsklagen gegen Manager nehmen in der Praxis zu. Die gesetzlichen Haftungsregelungen für Organmitglieder von Kapitalgesellschaften sind scharf. Selbst für einfachstes Verschulden haftet das betroffene Organ­mitglied grund­sätzlich der Höhe nach unbegrenzt mit seinem Privatvermögen. Die Tätigkeit als Vorstand oder Geschäftsführer ist selbst bei größtem Bemühen um ordnungsgemäße Geschäftsführung in hohem Maße gefahrgeneigt. Selbst ein erfahrener Manager ist daher nicht vor einem haftungsmäßigen Schiffbruch gefeit.

In der Praxis hat sich daher die Absicherung dieser Haftungsrisiken durch sog. D&O-Versi­che­rungen („Directors and Officers”-Versicherungen) eingebürgert. Das dient einerseits dem Interesse der Gesellschaft an einer ausreichenden Haftungsmasse und andererseits dem Interesse des Organmitglieds, letztlich nicht sein Privatvermögen für einen betrieblichen Schaden einsetzen zu müssen.

Diese aus dem US-amerikanischen Rechtskreis stammenden Versicherungspolicen sind aber komplex und unterscheiden sich in zahlreichen Aspekten von anderen Ver­sicherungen. Aus Sicht des betroffenen Organmitgliedes ist daher Sorgfalt geboten.
 

Sicherung eines angemessenen Einflusses auf Inhalt und (Fort-)Bestand der D&O-Versicherung

Erstaunlicherweise erweckt in der Praxis oftmals das bloße Vorhandensein einer D&O-Versiche­rung bei vielen Managern das Gefühl einer (trügerischen) Sicherheit. Doch zu Unrecht, denn nur wenige Manager setzen sich mit dem Konstrukt und den im Einzelfall durchaus unterschiedlichen Bedingungen „ihrer” D&O-Versicherung auseinander:
  1. Bei der D&O-Versicherung handelt es sich um eine Versicherung für fremde Rechnung. Versicherungs­nehmerin ist die Gesellschaft und nicht das Organmitglied selbst. Die Orga­nmit­glieder sind als versicherte Personen Begünstigte der Versicherung. 
     
    Im Regelfall umfasst der Versicherungsschutz der D&O-Versicherung Schadenersatzansprüche der Gesellschaft gegen ihre eigenen Organmitglieder aus den entsprechenden gesetzlichen Haftungs­vor­schriften (z.B.: § 43 II GmbHG, § 93 II AktG). Da der Versicherungs­schutz insoweit auch die Kosten der Rechts­verteidigung des Organmitgliedes gegen die geltend gemachten Innenhaftungsansprüche umfasst, finanziert die Gesellschaft mit ihren Versicherungsprämien letztlich die Verteidigung des Organmitgliedes gegen ihre eigenen Ansprüche. Das im Regelfall sogar um den Preis eines entsprechenden Aufbrauchens der Versicherungssumme für die Kosten der Rechtsverteidigung.
     
  2. Höchstrichterlich ist daher noch nicht geklärt, wer für den Abschluss (und damit für den Umfang) der D&O-Versicherung gesellschaftsintern zuständig ist. Hierzu werden in der Literatur alle denkbaren Auffassungen vertreten (bei der AG: Vorstand, Aufsichtsrat, Hauptversammlung; bei der GmbH: Gesellschafterversammlung oder Geschäftsführung – nach vorheriger Zustimmung der Gesellschafterversammlung).
     
    Schon deshalb sollte ein Manager darauf achten, sich bereits bei Abschluss seines Anstellungs­vertrages mit der bestehenden Versicherungspolice auseinanderzusetzen und/oder sich einen angemessenen Einfluss auf den Inhalt der D&O-Versicherung und deren künftigen Fortbestand zu sichern. 
     
    Zwar kann im Anstellungsvertrag nicht die gesellschaftsinterne Zuständigkeit ausgehöhlt werden, der Manager kann sich aber einen D&O-Versicherungsschutz durch die Gesellschaft vertraglich zusichern lassen. Sinnvollerweise enthält eine solche Vereinbarung bereits bestimmte Mindestparameter zum Deckungsumfang der D&O-Versicherung. 
     

Unterschätztes Risiko: Das „claims-made Prinzip”

Ein oft unterschätztes, bisweilen auch unbekanntes Risiko ist das sog. „claims-made Prinzip”, das regelmäßig der D&O-Versicherung zugrunde liegt.
 

Anders als bei vielen anderen Vermögensschaden-Haftpflichtversicherungen gilt bei der D&O das claims-made Prinzip. Ein Versicherungsfall im versicherungsrechtlichen Sinne liegt demnach nicht schon dann vor, wenn das Organmitglied eine ihm obliegende Pflicht verletzt hat (und hierdurch ein erstattungsfähiger Schaden der Gesellschaft entstanden ist). Nach dem claims-made Prinzip liegt ein Versicherungsfall vielmehr erst dann vor, wenn die Gesellschaft das entsprechende Organmitglied wegen eines Schadens ernsthaft in Anspruch genommen hat, z.B. durch die Einleitung eines gerichtlichen Schadenersatzprozesses gegen den Manager. Aufgrund der sehr langen Verjährungsfristen für die gesetzlichen Haftungsansprüche (5 Jahre, bzw. 10 Jahre) kann also zwischen dem betreffenden Geschäftsvorfall (Haftungsfall) und dem Haftungsprozess (Versicherungsfall) ein Zeitraum von vielen Jahren liegen.
 

Da nach den Regelungen der D&O-Versicherung der Versicherungsfall grundsätzlich während der Versicherungszeit eingetreten sein muss, kann dies bedeuten, dass ein (ausgeschiedener) Manager im entscheidenden Zeitraum (Inanspruchnahme durch die Gesellschaft) über keinerlei Versicherungsschutz mehr verfügt, obwohl während der gesamten Zeit seiner Tätigkeit eine D&O Versicherung für ihn bestanden hat.
 

Das Organmitglied sollte daher im Rahmen seines Anstellungsvertrages – spätestens aber im Rahmen einer oftmals üblichen Ausscheidens­vereinbarung – darauf achten, dass er sich von der Gesellschaft die Aufrechterhaltung des D&O-Versicherungs­schutzes auch nach seinem Aus­scheiden für einen Nach­haftungs­zeitraum vertraglich zusichern lässt. Das gilt insbesondere dann, wenn die Auf­hebungs­vereinbarung keinen Haftungsverzicht enthält oder dieser gesetzlich nicht zulässig wäre.
 

Die von den Versicherern angebotenen Nachhaftungsfristen bleiben aber oftmals signifikant hinter den gesetzlichen Verjährungsfristen für Haftungsansprüche zurück. Dem kann das Organmitglied (soweit zulässig) grundsätzlich nur durch eine vertragliche Modifizierung der einschlägigen Verjährungsvorschriften begegnen. Zumindest in der GmbH ist hier ein weiter Spielraum für vertragliche Vereinbarungen eröffnet.
 

Vorsicht vor der Insolvenz

Eine weitere Unsicherheit für den Manager ergibt sich durch eine aktuelle Entscheidung des Bundes­gerichts­hofes. Der BGH hat jüngst entschieden, dass der Insolvenz­verwalter im Falle einer Insolvenz der Gesellschaft nicht verpflichtet ist, die zugunsten der Geschäfts­leiter abgeschlossene D&O-Versicherung aufrecht zu erhalten. Durch das claims-made Prinzip entsteht dadurch in der Insolvenz des Unternehmens ein nicht unerhebliches Deckungsrisiko.

 

Fazit

Die D&O-Versicherung ist und bleibt ein probates Mittel, den exorbitanten Haftungsrisiken der Geschäfts­leitung zu begegnen. In der Praxis führt an ihr kaum ein Weg vorbei.
 

zuletzt aktualisiert am 29.06.2016

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Dr. Thies Boelsen

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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