Breitbandnetzinfrastruktur: Ein bunter Strauß an Ausschreibungen

PrintMailRate-it
​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 17. Oktober 2024

Die Digitalisierung ist der Motor für mehr Fortschritt, mehr Klimaschutz und eine höhere Lebensqualität. Damit die digitale Transformation Deutschlands gelingt, sind flächendeckende, hochleistungsfähige, ökologisch nachhaltige sowie sichere digitale Infrastrukturen erforderlich. Bis zum Jahr 2030 soll es flächendeckend Glasfaseranschlüsse bis ins Haus und den neuesten Mobilfunkstandard überall dort geben, wo Menschen leben, arbeiten oder unterwegs sind.1 Die Verfolgung des Ziels wird unterstützt durch Richtlinien zum geförderten Breitbandausbau. Der geförderte Breitbandausbau kann nach zwei Modellen erfolgen: Dem Wirtschaftlichkeitslücken- oder dem Betreibermodell.

A. Einf​​üh​​rung

Im Rahmen des Wirtschaftlichkeitslückenmodells werden der Netzausbau und -betrieb in einem einheitlichen Vergabeverfahren ausgeschrieben. Das ausgewählte Unternehmen erhält das Recht bzw. übernimmt die Verpflichtung, die Breitbandinfrastruktur unter Nutzung der gewährten Investitionsbeihilfen zu errichten, das Gigabit-Netz in Betrieb zu nehmen und für mindestens sieben Jahre zu betreiben.2

Im Rahmen des Betreibermodells hat die Kommune als Zuwendungsempfänger mehrere Auswahlverfahren vorzubereiten und durchzuführen: ein Auswahlverfahren zum Bau (ggf. einschließlich der (Bau-) Planung oder separates Auswahlverfahren zu den Planungsleistung) und ein Auswahlverfahren zum Betrieb. Ein „gemeinsames“ Auswahlverfahren zur Errichtung des kommunalen passiven Netzes (Planung und Bau) einerseits und zum Betrieb andererseits ist mit beihilfen-, sowie zuwendungs-/haushaltsrechtlichen Vorgaben nicht vereinbar. Daher sind im Betreibermodell die Auswahlverfahren zum Bau und zum Betrieb wie auch zur (Bau-)Planung und zum Betrieb getrennt voneinander durchzuführen. Im Unterschied zum Wirtschaftlichkeitslückenmodell wird die Kommune im Betreibermodell Eigentümer der noch zu errichtenden Infrastruktur und übernimmt mithin mehr Verantwortung.

B. Ausschreibung im s​og. Wirtschaftlichkeitsl​​ückenmodell

Eine Ausschreibung im Wirtschaftlichkeitslückenmodell kann sowohl als offenes Verfahren, als auch als Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb erfolgen.

I. Ver​fahrensart

Je nach antizipierter Komplexität bietet es sich an, ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb zu wählen, um bspw. auf eine etwaige Anpassung der Förderkulisse sachgerecht reagieren zu können.

Die Bieter reichen in diesem Verfahren einen Teilnahmeantrag ein. Im Rahmen des Teilnahmewettbewerbs wird die Eignung der Bieter geprüft. Sofern die Unternehmen als geeignet einzustufen sind, werden sie zur Abgabe eines Erstangebotes aufgefordert. Es kann sich anbieten, hier eine Reduzierung der Bieter vorzunehmen und bspw. nur die besten3 drei Bieter aufzufordern. Die eingereichten Erstangebote werden mit den Bietern verhandelt. Verhandeln heißt, dass Auftraggeber und Bieter den Vertragsinhalt so lange erörtern, bis klar ist, wie Leistung und Gegenleistung konkret beschaffen sein sollen und die Parteien ein gemeinsames Verständnis von dem zu erfüllenden Auftrag haben. Im Anschluss werden die Bieter zur Abgabe von endgültigen Angeboten aufgefordert. Das wirtschaftlichste Angebot gemessen an den Zuschlagskriterien erhält schließlich den Zuschlag. Im Anschluss wird der endgültige Förderbescheid beantragt. Bis zur Erteilung des endgültigen Förderbescheides ist die Angebotsbindefrist im Blick zu behalten.

II. Fragestellungen aus ​der Praxis

So einfach die Theorie, so häufig steckt der Teufel im Detail.

- Konzession oder Auftrag
Eine Konzession liegt vor, wenn das wirtschaftliche Betriebsrisiko für die Nutzung der Breitbandnetzinfrastruktur bei dem Konzessionsnehmer – dem Unternehmen, das den Zuschlag erhält – liegt. Da im Falle des geförderten Breitbandausbaus, die Kommune letztlich Fördermittel an das Unternehmen „weiterreicht”, stellt sich die Frage, ob das Unternehmen tatsächlich noch ein Betriebsrisiko trägt. Die VK Münster4 entschied, dass keine Konzession vorläge, wenn der Bieter aufgrund der Fördermittel Bau bzw. Betrieb der Breitbandnetzinfrastruktur überwiegend finanzieren könne. Der Bieter sei dann nicht mehr den Unwägbarkeiten des Marktes ausgesetzt. Im Einzelfall ist daher zu prüfen, wie stark sich das Betriebsrisiko durch die Gewährung der Fördermittel verringert.

- Vorbehalt, das Erstangebot zu bezuschlagen
Der Auftraggeber kann sich vorbehalten, das Erstangebot zu bezuschlagen, ohne in die Verhandlung einzutreten. Dies hat er in der EU-Bekanntmachung anzukündigen. Es bietet sich an, zusätzlich einen Hinweis auf diesen Vorbehalt in den Vergabeunterlagen aufzunehmen. Von diesem Vorbehalt kann er allerdings nur dann Gebrauch machen, wenn tatsächlich kein Verhandlungsbedarf besteht. Soweit ein Unternehmen bspw. einen kommentierten Vertrag eingereicht hat, ist dies wohl als Verhandlungsbedarf zu werten. Um ein langwieriges Verfahren zu vermeiden, kann es sich daher aus Sicht der Unternehmen anbieten, Rückfragen zum Vertrag bereits vor Abgabe des Erstangebotes beim Auftraggeber zu adressieren.

- Veränderung der Förderkulisse
Ein weiteres typisches Problemfeld ist die Veränderung der Förderkulisse durch hinzukommende (z.B. Neubaugebiet) oder wegfallende Adressen (z.B. eigenwirtschaftliche Ausbau). Es ergeben sich für den gleichen Sachverhalt eine förderrechtliche und eine vergaberechtliche Fragestellung. Der neue Sachverhalt ist an den Fördermittelgeber, ggf. in Form eines Änderungsantrages heranzutragen, wenn die Änderung nicht nur geringfügig ist.

Aus vergaberechtlicher Sicht stellt sich die Frage, ob durch die veränderte Kalkulationsgrundlage die Identität des Ausschreibungsgegenstandes geändert wird. Dann stünde eine Benachteiligung derjenigen Unternehmen im Raum, die sich auf die ursprünglich ausgeschriebene Leistung nicht beworben haben, sich aber gerne auf die nun ausgeschriebene Leistung beworben hätten. Bei einem Wegfall von auszubauenden Adressen wird „nur“ die Anzahl der zu erschließenden Adressen und daraus folgend die gewährte Zuwendung reduziert. Ein vergaberechtlich schwieriger Identitätswechsel erscheint weniger naheliegend. Hier gilt es die jeweilige Änderung im Einzelfall genau zu prüfen.

C. Ausschreibungen im sog. Betreibermodell

​Eine Ausschreibung der Planungsleistungen (ggf. verbunden mit dem Bau) im Betreibermodell kann sowohl als offenes Verfahren, als auch als Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb erfolgen. Bzgl. der konkreten Auswahl der Verfahrensart ist zu unterscheiden, ob die Ausschreibungen der Planungsleistungen getrennt von den Bauleistungen ausgeschrieben werden soll.

I. G​run​düberlegungen zur Generalübernehmervergabe

(Ba​u-)Planung und der Bau an sich können aus förderrechtlicher Sicht grundsätzlich in einem Auswahlverfahren zusammen ausgeschrieben werden, weil diese in Anlehnung an die Leistungsphasen der HOAI und der Natur der Sache nach zusammenhängende, untrennbare Gegenstände der Fördermaßnahme darstellen5. Diese Ausschreibung von (Bau-)Planung und Bau zusammen, wird auch Generalübernehmervergabe genannt. Ein Generalübernehmer (GÜ) ist ein Unternehmen, das die Verantwortung für die Durchführung eines Bauprojekts übernimmt. Er koordiniert alle notwendigen Gewerke und Subunternehmer, um das Projekt erfolgreich abzuschließen. Die Vergabe an einen Generalübernehmer kann in bestimmten Fällen sinnvoll sein, insbesondere wenn es um komplexe Bauvorhaben geht, bei denen eine umfassende Planung und Organisation erforderlich ist.  Für den Netzbetrieb bleibt es dabei, dass dieser gesondert ausgeschrieben werden muss.

Sollte eine Vergabe an einen Generalübernehmer gewünscht sein, ist in vergaberechtlicher Hinsicht zu prüfen, ob die Vergabe an einen Generalübernehmer gegen das Gebot der Losaufteilung verstößt.


  1. ​Was ist das Gebot der Losaufteilung?
    Das Gebot der Losaufteilung ist ein Prinzip, das gesetzlich im öffentlichen Vergaberecht verankert ist. Es besagt, dass Aufträge in mehrere Lose aufgeteilt werden sollten, um verschiedenen Anbietern die Möglichkeit zu geben, sich an der Vergabe zu beteiligen. Ziel ist es, den Wettbewerb zu fördern, kleinere Unternehmen zu unterstützen und eine breitere Marktteilnahme zu ermöglichen. Dieses Gebot ist insbesondere im deutschen Vergaberecht durch die Vergabeverordnung (VgV) und das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) geregelt.
  2. Verstoß gegen das Gebot der Losaufteilung?
    Die Frage, ob die Vergabe an einen Generalübernehmer gegen das Gebot der Losaufteilung verstößt, ist anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beantworten. Hierbei sind insbesondere nachfolgende Aspekte zu berücksichtigen:

    a)Ausnahmefälle: In bestimmten Ausnahmesituationen kann die Vergabe an einen Generalübernehmer gerechtfertigt sein. Die Komplexität eines Projekts, die eine umfassende Koordination erfordert, kann einen solchen Ausnahmefall darstellen, einen GÜ zu beauftragen, um die Effizienz und Qualität der Ausführung gewährleisten zu können. Diese Hürde ist entsprechend einzelfallbezogen zu prüfen und zu dokumentieren.

    b)Marktteilnahme: Die Vergabe an einen Generalübernehmer kann jedoch auch dazu führen, dass kleinere Unternehmen von der Teilnahme ausgeschlossen werden. Dies könnte als Verstoß gegen das Gebot der Losaufteilung gewertet werden, falls es im konkreten Einzelfall den Wettbewerb in unzulässiger Weise einschränkt und die Marktchancen für kleinere Anbieter verringert.

    c) Transparenz und Nachvollziehbarkeit: Die Entscheidung für einen GÜ sollte gut begründet und dokumentiert sein, um mögliche rechtliche Herausforderungen zu vermeiden.

    Insgesamt sollte hierzu beachtet werden, dass die zeitlichen Vorteile einer Generalübernehmervergabe ggf. zu Nichte gemacht werden, sollte eine vergaberechtliche Rüge oder gar ein Nachprüfungsverfahren angestrengt werden.
  3. Verfahrensart bei Generalübernehmervergabe
Für die Verfahrensart bei der Generalübernehmervergabe richten sich nach den Vorschriften der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/A (EU)). Je nach antizipierter Komplexität bietet es sich an, ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb zu wählen, um bspw. auf eine etwaige Anpassung der Förderkulisse sachgerecht reagieren zu können. Im Übrigen kommt ein Offenes Verfahren in Betracht.

II.Verfahrensart bei gesonderter Ausschreibung der Planungsleistungen

Die Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen unterliegt in Deutschland spezifischen Regelungen, die in den §§ 73 bis 77 der Vergabeverordnung (VgV) festgelegt sind. Diese Vorschriften sind besonders relevant, da sie die Anwendbarkeit der Vergaberechtsnormen in Abhängigkeit von der Beschreibbarkeit der zu erbringenden Leistungen regeln.

  1. ​Grundsatz
    Die Anwendbarkeit der §§ 73 bis 77 VgV ist entscheidend für die Wahl des Vergabeverfahrens. Grundsätzlich gilt:

    Nicht eindeutig und erschöpfend beschreibbare Leistungen: Wenn der Gegenstand einer Aufgabe vorab nicht eindeutig und erschöpfend beschrieben werden kann, sind die §§ 73 bis 77 VgV anwendbar. Dies ist häufig der Fall bei komplexen Planungsleistungen, bei denen kreative und innovative Lösungen erforderlich sind.

    – Eindeutig und erschöpfend beschreibbare Leistungen: Im Gegensatz dazu sind die §§ 73 bis 77 VgV nicht anwendbar, wenn die Lösung einer Aufgabe vorab eindeutig und erschöpfend beschrieben werden kann. Hierbei handelt es sich in der Regel um standardisierte oder weniger komplexe Leistungen.

    Die §§ 73 bis 77 VgV enthalten besondere Vorschriften, die speziell auf die Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen zugeschnitten sind. Diese Vorschriften berücksichtigen die besonderen Anforderungen und Herausforderungen, die mit der Planung und Ausführung von Bauprojekten verbunden sind. Die Abgrenzung zwischen beschreibbaren und nicht beschreibbaren Leistungen ist daher von großer Bedeutung, da sie direkte Auswirkungen auf die Wahl der Verfahrensart hat:

    – Nicht beschreibbare Planungsleistungen: Diese werden in der Regel im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb vergeben, gemäß § 74 VgV. Hierbei steht die geistig-schöpferische Leistung im Vordergrund, was eine flexible und iterative Herangehensweise an die Planung erfordert.

    – Beschreibbare Planungsleistungen: Diese können im offenen oder nichtoffenen Verfahren vergeben werden, wie in § 14 Abs. 2 VgV festgelegt. Bei diesen Leistungen steht eher die ausführende Leistung im Vordergrund, was eine klare und präzise Leistungsbeschreibung ermöglicht.

    Wann eine Leistung beschreibbar oder nicht beschreibbar ist, muss im konkreten Einzelfall geprüft und beantwortet werden. Hier kommt es insbesondere darauf an, ob kreative Konzepte oder innovative Ansätze entwickelt werden sollen, oder ob die Ausführung und Umsetzung der Planung im Vordergrund steht.
  2. Herausforderungen bei der Ausschreibung von Planungsleistungen

    Die Planungsleistungen für den Breitbandausbau umfassen eine Vielzahl von Aufgaben, die je nach Projekt unterschiedlich gewichtet sein können.

    Deren Ausschreibung bringt verschiedene Herausforderungen mit sich, unabhängig davon, ob diese zusammen mit oder gesondert von den Bauleistungen ausgeschrieben werden:

    – Komplexität der Projekte: Die technische Komplexität und die Vielzahl an beteiligten Akteuren erfordern eine sorgfältige Planung und Koordination.

    – Marktverfügbarkeit: In einigen Regionen kann es an qualifizierten Planungsbüros mangeln, was zu einem eingeschränkten Wettbewerb führen kann.

    – Fristen und Zeitdruck: Oftmals sind die Fristen für die Ausschreibung und Umsetzung sehr eng, was den Druck auf die Planer erhöht und die Qualität der Planung beeinträchtigen kann.


Quellen:

1 https://www.bundesregierung.de/breg-de/themen/digitalisierung/gigabitstrategie-2017464, abgerufen am 7.10.2024.

2 https://gigabit-projekttraeger.de/wp-content/uploads/2024/04/240409_Handreichung_Auswahlverfahren_final.pdf, abgerufen am 7.10.2024. 

3 Gemessen an den Teilnahmekriterien.

4 VK Münster, Beschluss v. 25.1.2018, VK 1 – 43/17, unter Hinweis auf BGH, Beschluss v. 8.2.2011, X ZB 4/10 „Abellio”​​​​.

5 https://gigabit-projekttraeger.de/wp-content/uploads/2024/04/240409_Handreichung_Auswahlverfahren_final.pdf​, abgerufen am 7.10.2024. 

Folgen Sie uns!

​​LinkedIn Banner

Kontakt

Contact Person Picture

Verena Stenzhorn

Rechtsanwältin

Senior Associate

+49 911 9193 1332

Anfrage senden

Profil

Contact Person Picture

Freya Weber, geb. Schwering

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Vergaberecht, Europajuristin (Univ. Würzburg)

Associate Partner

+49 (911) 91 93 – 35 11

Anfrage senden

Profil

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu