PPP-RL: Lösung der Personalproblematik oder Weg in die Abwärtsspirale?

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​​​​​​​veröffentlicht am 28. September 2023 /​​ ​Autorinnen: Franziska Witt und Pauline Rauch

 

Bereits 2020 hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) die Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik-Richtlinie (PPP-RL) eingeführt. Mit ihr werden Personaluntergrenzen festgelegt, die nicht unterschritten werden dürfen. Bislang hatte die Unterschreitung der Personaluntergrenzen jedoch keine Konsequenzen, da Strafzahlungen wegen der Corona-Pandemie zunächst ausgesetzt waren. Das soll sich aber 2024 ändern! Ab dem 1.1.2024 soll mittels Sanktionen einem Personalmangel entgegengewirkt und so eine ausreichende und gute Patientenversorgung gesichert werden. Doch inwiefern dieses Ziel mit den geplanten Strafzahlungen erreicht werden kann oder dadurch gerade das Gegenteil erzielt wird, soll dieser Artikel beleuchten.

 

Hintergrund der Richtlinie:

Sinn und Zweck der innerhalb der PPP-RL festgelegten Sanktionen soll die Sicherstellung und Verbesserung einer guten Patientenversorgung sein. Denn aufgrund des Mangels an verfügbaren Angeboten im Versorgungswesen, haben es Patienten derzeit schwer, überhaupt einen Platz in einer psychiatrischen Klinik zu bekommen. Oftmals ist die Aufnahme in eine solche Klinik nur mit erheblichen Wartezeiten möglich. Die geplanten Sanktionen bei Unterschreitung der Personaluntergrenzen sollen dem bestehenden Personalmangel entgegenwirken und dadurch eine bessere Versorgung sicherstellen.

 

Betroffen sind sechs Berufsgruppen, die in § 5 der PPP-RL aufgeführt werden und demnächst Strafzahlungen zu befürchten haben:

  • Ärztinnen und Ärzte
  • Pflegefachpersonen
  • Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten
  • Sozialtherapeutinnen und Sozialtherapeuten
  • Bewegungstherapeutinnen und Bewegungstherapeuten, Physiotherapeutinnen und Physiotherapeuten
  • Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen, Heilpädagoginnen und Heilpädagogen

 

    Sobald die Personaluntergrenzen auch nur in einem Quartal von nur einer Berufsgruppe nicht eingehalten werden, sind die Strafzahlungen fällig. Allerdings ist zunächst eine stufenweise Einführung vorgesehen. Ab 2024 sollen die Personaluntergrenzen zu 95 % und ab 2026 zu 100 % eingehalten werden. Die Berechnung der Höhe der Strafzahlungen ist in § 13 Abs. 5 der PPP-RL beschrieben (1,7-facher Wert der Differenz zwischen der Mindestpersonalausstattung und der tatsächlichen Personalausstattung) und bezieht sich dabei zum einen auf das Gesamtbudget der Klinik und zum anderen auf das prozentuale Maß der Unterschreitung der Mindestvorgaben. Sie wird letztlich durch einen Algorithmus bestimmt, der – neben einer Beispielsrechnung – im Positionspapier des „Bündnis Entgelt” (Stand: Juni 2023) genauer ausgeführt wird.

 

Kritik an der Richtlinie:

Bereits jetzt wird Kritik durch Kliniken und Fachverbänden an den ab 2024 geltenden Sanktionen laut. So hatte Ver.di bereits 2022 erstmals mit einer Erhebung gezeigt, dass die Vorgaben der Richtlinie flächendeckend unterlaufen werden. Und auch das „Bündnis Entgelt“ übt Kritik an der Richtlinie durch Veröffentlichung eines Positionspapiers. In diesem wird bemängelt, dass die Personaluntergrenze willkürlich und die Sanktionen unverhältnismäßig seien, mit erheblichen Folgen für Kliniken und Patienten. Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN) lässt in einer Pressemitteilung verlauten, dass die Sanktionen ohne aktuelle Datengrundlage festgelegt wurden und die Notwendigkeit einer leitliniengerechten Behandlung daher nicht widerspiegeln könnten.

 

Kritiker haben daher die Frage aufgeworfen, was in der Praxis tatsächlich Folge der Personaluntergrenze sein wird. Denn bei dem allseits herrschenden Fachkräftemangel ist nur schwer vorstellbar, dass aufgrund von Sanktionen mehr Personal eingestellt wird, da es dieses rein faktisch nicht gibt. Bei der Höhe der zu erwartenden Sanktionen und der somit anzunehmenden Unmöglichkeit der Umsetzung der (Personal-)Vorgaben für viele Kliniken ist damit zu befürchten, dass Betten abgebaut und schlimmstenfalls Stationen geschlossen werden.

 

Neben der Reduzierung der Patientenzahlen ist auch damit zu rechnen, dass innovative Behandlungsangebote abgebaut werden müssen. Sollte es bei einzelnen Kliniken tatsächlich zu Strafzahlungen kommen, wird dies ihr Budget weiter verringern und damit auch die Personalgewinnung noch weiter erschweren, was in der Folge weitere Sanktionen befürchten lässt. Ergebnis dieser Sanktionen wird daher wohl sein, dass die jetzt schon langen Wartezeiten auf einen Psychiatrie-Platz noch länger werden und die Patientenversorgung damit geschwächt wird.

 

Das „Bündnis Entgelt” geht bei Durchsetzung der Sanktionen in der Realität von einer „Abwärtsspirale” aus und auch in der Politik werden Stimmen nach einer Überarbeitung der Richtlinie laut. Mittlerweile unterstützen mehr als 20 Fach-, Berufs- und Betroffenenverbände die „Plattform Entgelt” mit ihrem entsprechenden Positionspapier sowie die Streichung der aktuellen Sanktionen der PPP-RL.


Fazit und Ausblick:

Dass die PPP-RL nun die Lösung der Personalproblematik sein kann, erscheint also unwahrscheinlich. Anstatt die Kliniken mit Strafzahlungen noch weiter in Budgetprobleme zu drängen, wäre daher ein Weg, der den Kliniken mehr Unterstützung und Beratung entgegenbringt, besser geeignet, um eine bedarfsgerechte Personenausstattung sicherzustellen und die Zukunft patientenorientiert zu gestalten.


Es bleibt somit abzuwarten, ob die Sanktionen in der bisher feststehenden Form tatsächlich 2024 durchgesetzt werden oder ob sie noch verhindert bzw. abgeschwächt werden können. Dabei bleibt es auch mit Blick auf andere Bereiche des Gesundheitssektors spannend, ob für diese ebenfalls Richtlinien und Strafzahlungen festgelegt werden, da der Fachkräftemangel im Gesundheitssektor allgegenwärtig ist.

 

Letztlich bleibt zu hoffen, dass zumindest bei Einführung der (ersten) geplanten Sanktionen schnell ein Bewusstsein dafür entsteht, dass dies die Patientenversorgung nicht verbessern, sondern den Gesundheitssektor noch tiefer in eine Abwärtsspirale stürzen wird.

 

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Norman Lenger-Bauchowitz, LL.M.

Mediator & Rechtsanwalt, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachberater für Restrukturierung & Unternehmensplanung (DStV e.V.)

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