Early Tax Birds 7/2024: Zweites Jahressteuergesetz 2024

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​Ausgabe 7/2024 (8. – 14. Juli 2024)
​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 15. Juli 2024 | Lesedauer ca. 9 Minuten
Liebe Leserinnen und Leser, 

hat es das schon einmal gegeben? Der Gesetzgeber überrascht kurz vor der politischen Sommerpause mit einen Jahressteuergesetz 2.0, da... ja warum eigentlich? Dem Vernehmen nach wohl insbesondere deshalb, weil die Haushaltsverhandlungen 2025 nicht nur solche, sondern auch Koalitionsverhandlungen 2.0 waren und zudem nun umgesetzt werden soll, was dieser Tage in der Ampel noch kompromissfähig erscheint. Fraglich ist dem geneigten Leser des Gesetzesentwurfs dabei nur, warum die gleichen Parteien, die wenige Tage zuvor noch die Wachstumsinitiative gestartet haben und Bürokratie abbauen wollten, mit dem zweiten Jahressteuergesetz die Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen wieder auf die Agenda heben. Man möge nur hoffen, dass der Bundesrat wie auch schon beim letzten Anlauf dieser Art vor gerade mal einem halben Jahr standhaft bleibt und sich dieser Bürokratiemaschine vehement entgegenstellt. ​
 
Im Übrigen heißt es wie stets: Wenn Ihnen unser Newsletter gefällt, sagen Sie es gerne w​eiter​ – wenn er Ihnen nicht gefällt, sagen Sie es besser nur uns. Über Anregungen und Kritik freuen wir uns. Schreiben Sie dazu gerne eine E-Mail an: earlytaxbirds@roedl.com​.

Beste Grüße
Philip Nürnberg und das Redaktionsteam
  

​​Aktuelle Gesetzgebung​​

Referentenentwurf des BMF eines zweiten Jahressteuergesetzes 2024

Am 10. Juli 2024 hat das BMF den Referentenentw​urf für ein Zweites Jahressteuergesetz 2024​ (2. JStG 2024) an die Verbände zur Stellungnahme herausgegeben. Noch einmal 101 Seiten neue Steuerregelungen, sieben Tage für die Verbände, Reaktionen einzuholen, zu erarbeiten und zu kommunizieren - gute Regierungsarbeit sieht definitiv anders aus. Die aus unserer Sicht größte Neuerung ist die Wiederaufnahme der Mitteilungspflicht für innerstaatliche Steuergestaltungen. Im Folgenden erhalten Sie einen Überblick über den Gesetzesentwurf: 

Wahrung des Existenzminimums/Ausgleich der Inflation und Verhinderung kalter Progression (Art. 2 und 3 2. JStG 2024-RefE, §§ 32, 32a EStG-E):

  • Anhebung des in den Einkommensteuertarif integrierten Grundfreibetrags um 300 EUR auf 12.084 EUR im Jahr 2025 und ab 2026 Anhebung um weitere 252 EUR auf 12.336 EUR.
  • Anhebung des steuerlichen Kinderfreibetrags für den Veranlagungszeitraum 2025 um 60 EUR auf 6.672 EUR und ab dem Veranlagungszeitraum 2026 Anhebung um 156 EUR auf 6.828 EUR. 
  • Anpassung der übrigen Eckwerte des Einkommensteuertarifs für die Veranlagungszeiträume 2025 und ab 2026 (mit Ausnahme des Eckwerts der sog. „Reichensteuer“).
  • Anhebung der Freigrenzen beim Solidaritätszuschlag für die Veranlagungszeiträume 2025 und ab 2026 (Art. 5 und 6 2. JStG 2024-RefE).
  • Anhebung des Kindergeldes ab Januar 2025 von 250 EUR auf 255 EUR monatlich (§ 66 EStG-E, Art. 17 2. JStG 2024-RefE).
  • Ab 2026 wird im EStG verankert, dass Kindergeld und Kinderfreibetrag zeitgleich steigen (§ 66 Abs. 3 EStG-E, Art. 17 2. JStG 2024-RefE).

 

Umsetzung von Aufträgen aus dem Koalitionsvertrag:

  • Überführung der Steuerklassen III und V in das Faktorverfahren der Steuerklasse IV (Art. 4 2. JStG 2024-RefE, §§ 38b - 39g EStG-E). Damit wird die Steuerklassenkombination III/V zum 1. Januar 2030 abgeschafft und durch die Steuerklasse IV für beide Ehegatten, ggf. mit Faktorverfahren ersetzt. Es erfolgt eine automatische Überführung und Vorgabe des Faktors durch das BZSt zum 1. Oktober 2029 auf Basis der Daten der Lohnsteuer​-Bescheinigungen 2028 mit Korrekturmöglichkeit über das Finanzamt.  
  • Einführung einer Mitteilungspflicht über innerstaatliche Steuergestaltungen (Art. 8 2. JStG 2024-RefE, §§ 138l bis 138n AO-E). Die komplizierte Anwendungsregelung ist beibehalten worden: die Erstanwendung ist abhängig von der vom BMF mit einem mindestens einjährigen Vorlauf vorzunehmenden Veröffentlichung eines Stichtages, spätestens für verwirklichte Sachverhalte nach dem 31. Dezember 2028. ​

Anpassungen bei den Regelungen zur Gemeinnützigkeit (Art. 9 2. JStG 2024-RefE, ab 1. Januar 2025):

            • ​Gelegentliche tagespolitische Stellungnahme als unschädliche Tätigkeit einer steuerbegünstigten Körperschaft (§ 58 AO-E).
        • Der Grundsatz der zeitnahen Mittelverwendung (§ 62 AO) wird für steuerbegünstigte Körperschaften abgeschafft. Die bisher geltenden differenzierten Rücklagenregelungen sind damit nicht mehr anwendbar. Ebenfalls entfällt die Verpflichtung, eine Mittelverwendungsrechnung aufzustellen. Extremfälle von „​Spar-Körperschaften​“ sollen über den allgemeinen Grundsatz der ausschließlichen gemeinnützigen Zweckverfolgung (§ 56 AO) ausgeschlossen werden.
        • In § 58 Nr. 3 AO bleibt die Möglichkeit zur Ausstattung von Körperschaften erhalten und wird angepasst (bis zu 15 % der sonstigen Mittel).

Dem Vernehmen nach ist eine Befassung des Bundeskabinetts mit dem Gesetzesentwurf schon am 24. Juli 2024 vorgesehen, womit eine Stellungnahme des Bundesrats zum Regierungsentwurf am 27. September 2024 möglich wäre. Die Zustimmung im Bundesrat erscheint jedoch fraglich, insbesondere, da die Mitteilungspflichten über innerstaatliche Steuergestaltungen bereits in den Verhandlungen zum Wachstumschancengesetz durch den Bundesrat herausverhandelt wurden. Zudem bedeuten die geplanten Anpassungen aufgrund der gemeinsamen Ertragshoheit über die angesprochenen Steuern erhebliche Steuermindereinnahmen für die Länder.

FÜR EIN MODERNES UND ZUKUNFTSFESTES STEUERSYSTEM: EXPERTENKOMMISSIONEN LEGEN BERICHTE VOR​

​​Im September 2023 hatte das BFH zwei unabhängige Expertenkommissionen eingesetzt, die konkrete Vorschläge für praxisnahe und politisch umsetzbare Lösungen für ein modernes und zukunftsfestes Steuerrecht erarbeiten sollten. Die beiden Expertenkommissionen „Vereinfachte Unternehmensteuer“ und „Bürgernahe Einkommensteuer“ haben am 12. Juli 2024 ihre Berichte an Bundesfinanzminister Christian Lindner übergeben.


Die Expertenkommission „Bürgernahe Einkommensteuer“ stellt in ihrem Bericht die Bedürfnisse der Steuerpflichtigen in den Mittelpunkt, damit diese unbürokratisch ihren steuerlichen Pflichten nachkommen können. Durch eine Reduzierung von Antragsveranlagungen, die Schaffung einer Amtsveranlagung, die Entlastungen bei Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten und eine 

stärkere Steuererhebung an der Quelle könnten Bürgerinnen und Bürger entlastet werden. Insbesondere fällt in den umfassenden Ausführungen der Experten auf, dass mehr Pauschalierungen und weniger Einzelfallentscheidungen getroffen werden sollen. Zudem wird angemahnt, dass soweit Daten der Verwaltung bereits vorliegen, diese auch steuerlich genutzt werden sollten und so bspw. Rentner und Arbeitnehmer in ihren steuerlichen Pflichten entlastet werden sollen. Die Zusammenfassung der Ausführungen und auch der vollumfängliche Bericht können auch nach Auffassung der Kommission nur ein erster Schritt für eine grundlegende Überarbeitung des EStG sein. Die Kommission betont, dass es ihr infolge der engen zeitlichen Vorgaben nur möglich war, punktuelle Verbesserungsvorschläge zu 
einzelnen Einkunftsarten zu unterbreiten. Auch konnte sie sich nicht mit den Einkünften aus 
Vermietung und Verpachtung oder der Besteuerung der Kapitaleinkünfte befassen. Hinzu kommt, 
dass die aktuelle Steuerdatenlage für qualifizierte empirische Analysen unzureichend ist. Die 
Expertenkommission spricht sich daher für die Einsetzung einer umfassenden 
Steuerreformkommission aus. 

Indes werden von der Expertentkommission „Vereinfachte Unternehmensteuer“ auf mehr als 200 Seiten umfangreiche und detaillierte Vorschläge zur Verbesserung der Besteuerung von Unternehmen formuliert. Die Bandbreite der Maßnahmen reicht von der Einkommensteuer über die Körperschaftsteuer und die Gewerbesteuer bis ins Umwandlungssteuerrecht und internationale Steuerrecht. Hinzu treten Änderungsvorschläge zum Verfahrensrecht und zu der Verfahrenspraxis. Leitend für die Reformvorschläge der aus Wissenschaft und Wirtschaft zusammengesetzten Expertenkommission ist, dass die Vorschläge in erster Linie auf eine Strukturreform des geltenden Unternehmensteuerrechts abzielen. Es wird kritisiert, dass das geltende Recht ineffizient und überbürokratisch ist und 

Unternehmer und Unternehmen daran hindert, ihr betriebswirtschaftliches Potenzial voll zu 
entfalten. Erforderlich ist nach dem Bericht ein Steuerrecht, das Innovationskraft und Risikobereitschaft unterstützt und unternehmerische Flexibilität garantiert. Dabei müssen alle Arten von Unternehmen in den Blick genommen werden. Hinzu tritt, dass die Expertenkommission eine Steuerpolitik kritisiert, die auf deutscher und europäischer Ebene steuerpflichtige Unternehmen unter permanenten Missbrauchsverdacht stellt und fordert auf dem Gebiet der internationalen Besteuerung einen Abbau 
überschießender Steuerregeln. Weiterhin muss einem flexiblen Unternehmenssteuerrecht ein schlankes Verfahrensrecht an die Seite gestellt werden. Dabei steht explizit nicht die Gestaltung des Steuertarifs im Einkommensteuerrecht und im Körperschaftsteuerrecht im Vordergrund der Empfehlungen. Dennoch stellt die Expertenkommission fest, dass im internationalen Vergleich eine Entwicklung der Steuerbelastung unternehmerischer Gewinne in Richtung 25 % wettbewerbsfähig erscheint. Die Empfehlungen in der Zusammenfassung und dem vollumfänglichen Bericht kommen zu dem Ergebnis, dass zur tatsächlichen gesetzgeberischen Umsetzung bei fast allen genannten Empfehlungen nur noch ein kleiner gesetzgeberischer Schritt erforderlich ist. Diesen zu gehen liegt nun bei den gesetzgebenden Instanzen in Bund und Ländern.

Es wird erwartet, dass die Empfehlungen in den kommenden Monaten intensiv diskutiert werden und zumindest teilweise Einfluss in die gesetzgeberische Arbeit finden. Wir halten Sie hierzu selbstverständlich auf dem Laufenden!

​Neues aus der Finanzverwaltung 

Kein passiver Ausgleichsposten für Mehrabführungen bei nach § 15a EStG nicht verrechenbaren Verlusten der Organgesellschaft

Mit Schreiben vom 4. Juli 2024 wurde das BMF-Schreiben vom 15. Juli 2013 angepasst. Die Änderung erfolgte aufgrund des Urteils des BFH vom 15. März 2017, I R 67/15. Nach Übergang zur Einlagelösung durch das Gesetz zur Modernisierung des Körperschaftsteuerrechts vom 25. Juni 2021 gelten die Grundsätze allgemein für die Annahme von Mehr- ode​​r Minderabführungen i.S.d. § 14 Abs. 4 Satz 6 KStG.

Das Amtliche Einkommensteuer-Handbuch 2023 ist online

Am 11. Juli 2024 hat das BMF das Einkommensteuer-Handbuch 2023 online veröffentlicht. Darin werden alle geltenden Vorschriften des EStG, der EStDV und der EStR für den Veranlagungszeitraum 2023 dargestellt. Zudem werden vom BMF alle Hinweise zu höchstrichterlicher Rechtsprechung, BMF-Schreiben und anderen relevanten Rechtsquellen außerhalb des Einkommensteuerrechts gebündelt. Weitere vom BMF veröffentlichte amtliche Handbücher finden Sie hier​

Anhebung der Freigrenze für Geschenke von 35 EUR auf 50 EUR zum 1. Januar 2024

Durch Art. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Stärkung von Wachstumschancen, Investitionen und Innovation sowie Steuervereinfachung und Steuerfairness (Wachstumschancengesetz) vom 27. März 2024 wurde die Freigrenze für Geschenke von 35 EUR auf 50 EUR mit Wirkung zum 1. Januar 2024 angehoben. Aufgrund dieser Anhebung wurde mit BMF-Schreiben vom 12. Juli 2024 der Umsatzsteuer-Anwendungserlass in den betreffenden Abschnitten entsprechend angepasst. Die Grundsätze des Schreibens gelten für alle Umsätze ab dem 1. Januar 2024. 

Neuigkeiten aus Europa und der OECD

Corporate Tax Statistics 2024

Am 11. Juli 2024 hat die OECD ihre 98 Seiten lange Körperschaftsteuerstatistik „​Corporate Tax Statistics 2024​“ veröffentlicht. ​​Das Ergebnis diese​r Statistik ist, dass die durchschnittlichen gesetzlichen Körperschaftsteuersätze in den letzten drei Jahren konstant 21,1 % betragen haben. Im Jahr 2000 betrugen die durchschnittlichen gesetzlichen Körperschaftsteuersätze noch 28 %. Im Zusammenhang mit der neuen globalen Mindeststeuer führen bereits mehr als 35 Länder ab dem Jahr 2024 den effektiven Mindeststeuersatz von 15 % ein oder planen die Einführung. Dies verringert zukünftig den Wettbewerbsdruck im Zusammenhang mit den gesetzlichen Körperschaftsteuersätzen zwischen den Staaten.
 

Kompromiss bei EU-Energiesteuerrichtlinie in Sicht

Seit Jahren streiten die EU-Mitgliedstaaten über eine Novellierung der Energiesteuerrichtlinie. Die Europäische Kommission hatte bereits im Jahr 2021 eine Überarbeitung der EU-Energiesteuervorschriften vorgeschlagen, um sie klimafreundlicher zu gestalten, u.a. durch die Einführung von Steuern auf umweltschädliche Flugkraftstoffe, auf die derzeit keine EU-weiten Abgaben erhoben werden. Belgien, das die Verhandlungen in der ersten Hälfte dieses Jahres leitete, brach die Gespräche schließlich ab, weil sich die Mitgliedstaaten u.a. in der Frage der Besteuerung von Schiffstreibstoffen uneins waren. Zum Juli 2024 hat nun Ungarn die europäische Ratspräsidentschaft für die kommenden sechs Monate übernommen. Wie die internationale Nachrichtenagentur Reuters am 12. Juli 2024 meldete, hat Ungarn mehrere Kompromissvorschläge unterbreitet. Einer der vorgeschlagenen Kompromisse würde es den nationalen Regierungen ermöglichen, die Energiesteuern unter die EU-Mindeststeuersätze zu senken, wenn der Preis für Strom oder ein anderes Energieprodukt innerhalb von drei Monaten um mehr als 40 % steigt. Damit wären schnelle Steuersenkungen für Verbraucher möglich, sollte es noch einmal zu einer Energiekrise wie im Jahr 2022 kommen. Über die weiteren Entwicklungen halten wir Sie selbstverständlich auf dem Laufenden.

​​Aktuelle Rechtsprechung​​​

Gewerbesteuerpflicht einer Diplom-Sozialarbeiterin​​

Diese Woche ist unser Urteil der Woche die Entscheidung des FG Köln (15 K 1653/22​), in welcher die Beteiligten über die Festsetzung der Gewerbesteuermessbeträge und die Frage streiten, ob gewerbliche Einkünfte der Klägerin gem. § 3 Nr. 20 Buchst. e GewStG von der Gewerbesteuer befreit sindDie Klägerin unterstützte in den Streitjahren im Rahmen der ambulanten Eingliederungshilfe Menschen mit einer psychischen Erkrankung, körperlichen und/oder geistigen Behinderungen oder chronischen Suchterkrankungen bei einer selbstbestimmten Lebensführung. Ihre Leistungen stellen dabei, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist, nach der in den Streitjahren geltenden Gesetzesfassung „Hilfen zu selbstbestimmtem Leben in betreuten Wohnmöglichkeiten“ gemäß § 53 Abs. 4 SGB XII a.F. i.V.m. § 55 Abs. 2 Nr. 6 SGB IX Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen dar.
 
Zu einer Gewerbesteuermessbetragsfestsetzung eines Vorjahres hatte die Klägerin bereits vor dem FG Köln ein Klageverfahren geführt, welches sich mit der Frage befasst, ob die Leistungen der Klägerin eine freiberufliche Tätigkeit nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG darstellen. Der Senat hatte dies im Urteil vom 1. Juni 2017 (15 K 243/14) zunächst verneint und die Klage abgewiesen, jedoch die Revision zugelassen. Im anschließenden Revisionsverfahren (VIII R 10/17) hat der BFH die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen und ausgeführt, dass gewerbliche Einkünfte vorlägen. Zur damaligen Rechtslage in § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG haben FG und BFH ferner ausgeführt, dass die Leistungen der Klägerin nicht als Pflegeleistungen einzuordnen seien. Offen gelassen hat der BFH, ob es sich bei der von der Klägerin geführten Einrichtung um eine „Einrichtung zur ambulanten Rehabilitation“ i.S.d. § 3 Nr. 20 Buchst. e GewStG handele, weil diese durch das Kroatien-Anpassungsgesetz (BGBl I 2014, 1266) eingeführte Regelung erst ab dem Erhebungszeitraum 2015 gilt.
 
Entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung hat das FG Köln nun festgestellt, dass gewerbesteuerlich keine Eingrenzung der Rehabilitation auf eine „medizinische Rehabilitation“ i.S.d. SGB V geboten ist, da nach Auffassung des BFH der Begriff der „medizinischen Rehabilitation“ die in § 107 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b SGB V enthaltene Legaldefinition umfasst. Würden ärztliche und psychotherapeutische Leistungen nebst dort verordneten Therapien von Rehabilitationseinrichtungen i.S.d. § 107 Abs. 2 SGB V entsprechend der Verwaltungsauffassung gewerbesteuerfrei erbracht werden können, andere Rehabilitations- und Teilhabeleistungen (Teilhabe am Arbeitsleben, Bildung, Soziale Teilhabe) indes gewerbesteuerpflichtig sein, so würde dies den Inklusionszielen entgegenlaufen. Eine solche Sichtweise würde zudem verkennen, dass Erkrankungen und Behinderungen in vielen Fällen mit Beeinträchtigungen im sozialen Bereich einhergehen und sich daher insbesondere negativ auf die soziale Teilhabe auswirken.
 
Die hier von der Klägerin erbrachten pädagogischen Leistungen stellen demnach ein Element der (medizinischen) Rehabilitation dar. Soweit das Finanzamt sich auf den Begriff der „verordneten“ Leistungen beruft und hieraus wohl das Erfordernis einer für die konkrete Maßnahme notwendigen ärztliche Verordnung herleitet, konnte der Senat dem nicht folgen. Wie zuvor aufgeführt, sind die von der Klägerin erbrachten Leistungen im Rahmen einer „medizinischen“ Rehabilitation gem. SGB IX möglich. Der Gesetzestext in § 3 Nr. 20 Buchst. e Satz 2 GewStG führt nicht an, dass „verordnete Leistungen“ erbracht werden, sondern „Leistungen im Rahmen der verordneten Rehabilitation“ vorliegen müssen. Der Senat versteht den Begriff der „Verordnung“ deshalb dahingehend, dass der zuständige Rehabilitationsträger nach ärztlicher Stellungnahme auf Basis von Krankheitsbildern eine Rehabilitation dem Grunde nach bewilligt und in einer individuellen Hilfeplanung auch pädagogische Leistungen der Klägerin in einem festgelegten Umfang gestattet und/oder befürwortet. Diese Anforderungen sind im Streitfall erfüllt.
 
In Folge der Entscheidung des FG Kölns werden die Bescheide über die Gewerbesteuermessbeträge der Streitjahre entsprechend dem Einspruch der Klägerin auf 0 EUR geändert. Bei diesem Urteil ist jedoch zu beachten, dass die Entscheidung des FG Kölns zur Revision vor dem BFH zugelassen wurde. Der Weg steht daher offen, dass wir diesen Sachverhalt in einer künftigen Ausgabe der Early Tax Birds noch einmal mit der Folgeentscheidung des BFH betrachten dürfen.​

Umsatzsteuerliche Organschaft - EuGH verneint Steuerbarkeit von Innenumsätzen auch bei fehlender Vorsteuerabzugsberechtigung

Der EuGH hat sich mit seinem Urteil, C-184/23, vom 11. Juli 2024 der Auffassung des Generalanwalts des EuGH in seinen Schlussanträgen vom 16. Mai 2024 angeschlossen und die Steuerbarkeit von sog. Innenumsätzen in einer umsatzsteuerlichen Organschaft abgelehnt. Dies entspricht dem bisherigen deutschen Verständnis. Steuerpflichtige können daher vorerst aufatmen. Art. 2 Nr. 1 und Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie vom 17. Mai 1977​ sind dahin auszulegen, dass gegen Entgelt erbrachte Leistungen zwischen Personen, die ein und derselben umsatzsteuerlichen Organschaft angehören, selbst dann nicht der Umsatzsteuer unterliegen, wenn die vom Leistungsempfänger geschuldete oder entrichtete Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abgezogen werden darf. Das Urteil betraf ein Vorabentscheidungsersuchen des BFH vom 26. Januar 2023 (V R 20/22 (​V R 40/19)zur Auslegung der Richtlinie. Durch das EuGH-Urteil kommt es zu keiner Änderung der deutschen Rechtslage. Im Anschluss an das ergangene EuGH-Urteil hat nun der BFH über die Rechtssache zu entscheiden. Weitere Ausführungen zu den aktuell dynamischen Entwicklungen der umsatzsteuerlichen Organschaft und Hinweise zu weiteren Urteilen in diesem Zusammenhang haben unsere Kolleginnen der Umsatzsteuerberatung hier für Sie zusammengefasst.
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 Weitere veröffentlichte Entscheidungen des BFH, EuGH und der FG

​Akten​zeichen​ ​​Entscheidungs-​
datum
​​Stichwort
VI R 6/22
1​6. Mai 2024
Gesellschafter einer land- und forstwirtschaftlichen tätigen Gesellschaft als (Mit-)Betriebsinhaber i.S.d. § 51a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BewG
VII R 22/21
16. April 2024
Untersagung der unerlaubten Hilfeleistung in Steuersachen
​​C-182/23
​11. Juli 2024
​Steuerbare Lieferung von Gegenständen - Übertragung des Eigentums an einer landwirtschaftlichen Fläche gegen Zahlung einer Entschädigung aufgrund einer behördlichen Entscheidung - Enteignung
6 K 27/22
21. Februar 2024
​Fondsetablierungskosten als Anschaffungskosten - Rückwirkende Anwendung von § 6e EStG verfassungsgemäß
6 K 109/20​

14. März 2024
Pauschalierung bei Sachzuwendungen
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