Der Arbeitnehmervertreter im Vorstand von chinesischen Gesellschaften nach dem revidierten Gesellschaftsgesetz

PrintMailRate-it

​​​​veröffentlicht am 23. Dezember 2024 | Lesedauer ca. 3 Minuten


In jüngster Zeit sind bei unseren Mandanten eine Reihe von Fragen zum Arbeitnehmervertreter im Vorstand (Board of Directors) ihrer chinesischen Tochtergesellschaftern aufgekommen. Hintergrund sind auch Berichte in verschiedenen deutschen Medien, dass deutsche Unternehmen in ihren chinesischen Niederlassungen Vertreter der kommunistischen Partei in die Vor-stände aufnehmen müssten.

Eine detaillierte Analyse des rechtlichen Hintergrunds und der aktuellen Rechtspraxis ergeben aber ein anderes Bild. Bereits das alte Gesellschaftsgesetz erlaubte optional die Ernennung von Arbeitnehmervertretern in einer chinesischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Das zum 1. Juli 2024 in Kraft getretene revidiert Gesellschaftsgesetz enthält klare Regelungen zum Arbeitnehmervertreter.

Hat der Vorstand einer chinesischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung, was in der Regel die Rechtsform von Tochtergesellschaften ausländischer Unternehmen in China ist, drei oder mehr Mitglieder, können unter den Mitgliedern Vertreter der Beschäftigten der Gesellschaft sein. Bei einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit 300 oder mehr Beschäftigten ist unter den Mitgliedern des Vorstands ein Vertreter der Beschäftigten zwingend erforderlich, es sei denn, die Gesellschaft hat bereits einen Aufsichtsrat mit einem Arbeitnehmervertreter.

Das bedeutet, dass der Arbeitnehmervertreter bei zahlreichen chinesischen Tochtergesellschaf-ten gar nicht relevant ist. Eine Mehrheit dieser, insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen dürften weniger als 300 Mitarbeiter in China haben. Vor dem 1. Juli 2024 war die Aufnahme eines Arbeitnehmervertreters in den Vorstand unabhängig von der Mitarbeiterzahlt eines Unternehmens nur dann zwingend notwendig, wenn es sich um ein Unternehmen mit staatlicher Beteiligung gehandelt hat.

Rechtlich umstritten ist derzeit, wohl auch da es noch an einer relevanten Praxis bzw. Präzedenzfällen mangelt, ob bei betroffenen Unternehmen ein Arbeitnehmervertreter entbehrlich ist, wenn anstatt eines Vorstandsgemiums mit mindestens drei Mitgliedern ein Einzelvorstand be-stellt wird. Nach dem Wortlaut des revidierten Gesellschaftsgesetzes sollte dies möglich sein. Auch der Sinn und Zweck der Vorstandsfunktion, insbesondere dessen gesetzlich zugewiesene Aufgaben sprechen klar dafür, dass ein Einzelvorstand immer vom Gesellschafter bestellt werden muss. Die Gegenmeinung übersieht, dass der Vorstand im chinesischen Gesellschafts-recht hautsächlich exekutive Aufgaben wahrnimmt und die Interessen des Gesellschafters um-setzt. Ein Arbeitnehmervertreter als Einzelvorstand würde in eine Situation gebracht, gleich-zeitig die Interessen des Gesellschafters und der Arbeitnehmer vertreten zu müssen. Dieser unauflösbare Interessenskonflikt ist zu vermeiden. Aber selbst, wenn ein Vorstandsgremium ohne Mitarbeitervertreter besteht und beibehalten werden soll, kann immer alternativ auch ein Aufsichtsrat anstatt eines einzelnen Aufsichtsführers eingerichtet werden, in den dann ein Arbeitnehmervertreter aufgenommen wird. Aufsichtsratsmitglieder dürfen zwar an Vorstandssitzungen teilnehmen, zu den Beschlussgegenständen des Vorstands Fragen stellen und Vorschläge machen, haben im Vorstand aber kein Stimmrecht.

Was ist aber von der Auffassung zu halten, dass ein Arbeitnehmervertreter ein Mitglied der kommunistischen Partei sein muss? Zum einen konnten Parteizellen bereits nach dem vor dem 1. Juli 2024 geltenden Gesellschaftsgesetz in chinesischen Unternehmen eingerichtet werden. Anders als bei Unternehmen mit staatlicher Beteiligung, sieht das Gesetz aber ausdrücklich keine leitende Funktion einer solchen Parteizelle innerhalb der Gesellschaft vor. Eine Regelung, dass Arbeitnehmervertreter im Vorstand Parteimitglied sein müssten, ist nicht bekannt.

Zum anderen sind aber auch hier die Regelungen das revidierte Gesellschaftsgesetz sehr klar. Demnach werden Arbeitnehmervertreter im Vorstand von den Beschäftigten der Gesellschaft in einer Arbeitnehmervertreterversammlung, der Arbeitnehmerversammlung oder in anderer Form demokratisch gewählt. Ein Arbeitnehmervertreter wird demnach aus den Reihen aller Arbeitnehmer, egal ob Parteimitglied oder nicht, gewählt. Zu erwarten ist in diesem Zusammenhang, dass die zuständigen Behörden (in der Regel die Administration of Market Regulation) das Wahlverfahren sehr genau prüfen werden. Anhaltspunkt zur Auswahl von Kandidaten für die Position des Arbeitnehmervertreters und dem Wahlverfahren können die Regeln zur demokratischen Unternehmensverwaltung aus 2012 dienen.

Ist ein Arbeitnehmervertreter im Vorstand aufgenommen, wird es von besonderer Bedeutung sein, dem Vorstand eine Geschäftsordnung zu geben, die die Kompetenzen, Rechte und insbesondere auch Pflichten des Vorstands, gerade im Hinblick auf Vertraulichkeit, detailliert regelt. Wir empfehlen in diesem Zusammenhang auch, mit jedem Vorstandsmitglied eine gesonderte Vereinbarung abzuschließen. Dies auch vor dem Hintergrund der im revidierten Gesellschaftsgesetz explizit geregelten Treue- und Sorgfaltspflichten von Vorstandsmitgliedern.

Insgesamt bleibt abzuwarten, wie die Funktion des Arbeitnehmervertreters in der Praxis aus-gestaltet werden kann und ob betroffene Unternehmen durch Anpassung ihrer Corporate Governance eine Bestellung umgehen können. Zu beachten ist hierbei, dass das revidierte Gesellschaftsgesetz den Schutz der legalen Rechte und Interessen der Beschäftigten nunmehr ausdrücklich als Gesetzeszweck regelt.

Gerne beraten wir Sie bei Fragen zum Arbeitnehmervertreter oder allen sonstigen Fragen im Zusammenhang mit dem revidierten Gesellschaftsgesetz der VR China.

Aus dem Newsletter

Kontakt

Contact Person Picture

Sebastian Wiendieck

Rechtsanwalt

Partner

+86 21 6163 5329

Anfrage senden

Wir beraten Sie gern!

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu