Überarbeitung des Markengesetzes der Volksrepublik China

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veröffentlicht am 15. Februar 2023 | Lesedauer ca. 5 Minuten

von Felix Engelhardt & Bei Li

 

Status Quo des Schutzes geistigen Eigentums in China

Der Schutz geistigen Eigentums in der Volksrepublik China stellt seit langer Zeit eine der größten Herausforderungen für das Geschäft ausländischer Unternehmen dar. Die Ursachen hierfür sind vielschichtig und weisen sowohl tatsächliche als auch rechtliche Elemente auf. In tatsächlicher Hinsicht sind vor allem die zunehmende Komplexität des modernen Wirtschaftsgeschehens in einer immer stärker digitalisierten Welt sowie die häufig anzutreffende Kreativität, Professionalität und Anpassungsfähigkeit der Täter zu nennen. Mit Blick auf bestehende rechtliche Lücken befindet sich die chinesische Regierung in einem ständigen Wettlauf mit dem perfiden Einfallsreichtum potenzieller Täter. Gesetzgeberische Reformen in allen relevanten Bereichen (Markenrecht, Patentrecht, Urheberrecht, Wettbewerbsrecht, Strafrecht, Zivilprozessrecht, usw.) sind stets der Ausgangspunkt für eine regelrechte Flut an die Gesetze ausführenden Verwaltungsvorschriften, gerichtlichen Auslegungen und gezielten Vollzugskampagnen zuständiger Behörden. Dadurch konnten in der Vergangenheit greifbare Erfolge erzielt werden. Im Bereich des Markenrechts lassen sich exemplarisch zwei sehr junge Entscheidungen aus Shanghai (Link in Chinesisch) und Peking (Link in Chinesisch) anführen, in denen die jeweiligen Täter zu Geldstrafen in Millionenhöhe sowie – im Falle des Beklagten im Shanghaier Verfahren – zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurden.

Den staatlichen Anstrengungen zum Trotz geben knapp 10 Prozent der befragten Unternehmen im aktuellen Business Confidence Survey 2022/2023 der deutschen Außenhandelskammer in China an, dass die Verletzung von Rechten an geistigem Eigentum zu deren größten operativen Herausforderungen zählt. 23 Prozent der Unternehmen schätzen den rechtlichen Schutz ihres geistigen Eigentums als ungenügend ein. Noch stärker ins Gewicht fällt mangelhafter Rechtsschutz aus Sicht von Unternehmen in der Chemieindustrie (44 Prozent) sowie im Maschinen- und Anlagenbau (34 Prozent). Ähnliche Ergebnisse liefert auch das letzte European Business in China Business Confidence Survey der Europäischen Handelskammer, wonach mangelnder Schutz geistigen Eigentums von Unternehmen aus dem Einzelhandel sogar als Nummer 1 der regulatorischen Hürden wahrgenommen wird.

Vor dem Hintergrund dieses Stimmungsbildes möchte dieser Artikel einen näheren Blick auf die jüngst eingeleitete Überarbeitung des Markengesetzes der Volksrepublik China werfen, dessen erster Entwurf mit umfangreichen Änderungen am 13. Januar 2023 von der chinesischen Behörde für geistiges Eigentum (China National Intellectual Property Administration, „CNIPA“) zur Einholung öffentlicher Stellungnahmen bis zum 27. Februar veröffentlicht wurde. Hinsichtlich der folgenden Übersicht sollte jedoch berücksichtigt werden, dass der Entwurf lediglich die erste Phase des vermutlich zwei, eventuell sogar drei Lesungen umfassenden Gesetzgebungsverfahrens ist und mit einem Inkrafttreten des final überarbeiteten Markengesetzes erfahrungsgemäß wohl nicht vor Ende 2023/Anfang 2024 zu rechnen ist.

Auswahl wichtiger Änderungsvorschläge

Schutz bekannter Marken

Die erste wichtige Änderung betrifft den Schutz sogenannter „bekannter Marken“. Dies sind Marken, die einen herausragenden Bekanntheitsgrad in relevanten Verkehrskreisen erlangt haben und daher unter bestimmten Umständen Schutz selbst ohne formelle Registrierung in China genießen. Nach bisheriger Rechtslage konnten nicht registrierte, bekannte Marken einer Registrierung einer andere Marke nur entgegen gehalten werden, wenn die Registrierung identische oder ähnliche Waren oder Dienstleistungen betrifft. Der Entwurf sieht nun auch entsprechenden Schutz für nicht ähnliche Waren vor. Im Entwurf werden zudem einige bereits bestehende Grundsätze wie etwa der Grundsatz der Einzelfallprüfung ausdrücklich festgehalten und zusätzliche Kriterien zur Bestimmung der Bekanntheit einer Marke hinzugefügt, insbesondere Informationen zur Anmeldung/Registrierung der Marke im In- und Ausland sowie der Wert der Marke. Außerdem wird klargestellt, dass auch die unerlaubte, irreführende Nutzung (und nicht nur Anmeldung/Registrierung) einer bekannten Marke unzulässig ist.

Wiederholte Registrierung

Neu eingefügt soll eine Vorschrift zum Verbot wiederholter Registrierungen werden. Danach soll eine erneute Anmeldung von Marken für dieselben Waren bereits angemeldeter oder registrierter identischer Marken desselben Antragstellers grundsätzlich unzulässig sein. Das gilt ebenfalls bezüglich identischer Marken, die innerhalb eines Jahres vor erneuter Anmeldung aufgehoben, widerrufen oder für nichtig erklärt worden sind. Nur ausnahmsweise ist die erneute Registrierung zulässig, nämlich wenn der Antragsteller der Aufhebung der früheren Marke zustimmt oder einer von sechs abschließend aufgelisteten Gründe vorliegt (zum Beispiel legitime geringfügige Verbesserungen an der früheren Marke).

Böswillige Anmeldung von Marken

Von praktisch hoher Relevanz sind vorgeschlagene Änderungen zur böswilligen Anmeldung von Marken. Den verschiedenen damit verbundenen Problemen konnte durch die letzte Revision des Markengesetzes in 2019 nur bedingt abgeholfen werden. Daher hielt es CNIPA wohl für notwendig, die häufigsten Formen böswilliger Markenanmeldungen nicht nur in behördeninternen Prüfungsrichtlinien, sondern explizit auch im Markengesetz aufzuführen:
  1. Anmeldung einer großen Zahl von Marken nicht zum Zwecke der Benutzung;
  2. Beantragung von Markenregistrierungen durch Betrug oder andere unzulässige Mittel;
  3. Anmeldung einer Marke, deren Eintragung den Interessen des Staates oder des öffentlichen Interesses schadet oder andere erhebliche schädliche Auswirkungen hat;
  4. Verstoß gegen die Artikel 18 (bekannte Marken), 19 (Anmeldung durch Agenten, Stellvertreter oder verbundene Dritte) oder 23 (Schutz vorheriger Rechte) und absichtliche Schädigung der legitimen Rechte oder Interessen anderer oder Verfolgung unlauterer Interessen;
  5. andere böswilligen Verhaltensweisen bei der Beantragung.

Flankiert wird das oben genannte Verbot durch neu eingefügte Sanktionen für Verstöße, welche Bußgelder von bis zu RMB 250.000, die Beschlagnahme unrechtmäßig erzielter Einnahmen sowie die Möglichkeit von Schadensersatzklagen für Verletzte umfassen. Letzteres gilt nach dem Entwurf auch für Fälle, in denen einer Person Schäden dadurch entstanden sind, dass gegen sie böswillig ein gerichtliches Verfahren wegen angeblicher Markenverletzung eingeleitet wurde.

Übertragung böswilliger registrierter Marken

Ebenfalls praktisch sehr bedeutsam ist die vorgeschlagene Möglichkeit, böswillig beantragte Marken im Falle einer Nichtigerklärung auf Antrag direkt an den rechtmäßigen Markeninhaber übertragen zu können. Diese Option soll es Inhabern bekannter Marken, Auftraggebern oder Inhabern vorheriger Rechte erleichtern, eine Registrierung der Ihnen zustehenden Markenrechte im Nichtigkeitsverfahren zu erlangen, ohne dafür das gesamte Verfahren einschließlich erforderlicher Fristen und Beschränkungen bei Neubeantragung durchlaufen zu müssen. CNIPA wird auf Antrag des interessierten Dritten auf Übertragung prüfen, ob einer Übertragung andere (relative oder absolute) Nichtigkeitsgründe entgegenstehen, die Übertragung zur Irreführung führen oder sonst nachteilige Auswirkungen haben könnte. Sollte dies nicht der Fall sein, gibt CNIPA dem Antrag auf Übertragung statt. In ihrer Entscheidung kann CNIPA die sofortige Wirksamkeit oder eine Übergangsfrist bestimmen, während derer jegliche Verfügung des neuen Markeninhabers über die Markenrechte untersagt ist, mit Ausnahme zur Aufrechterhaltung Wirksamkeit der Marke erforderlicher Verfügungen (etwa Handlungen zur Nutzung der Marke oder Verlängerungsanträge).

Widerruf von Marken

Zukünftig soll nach dem Entwurf der Widerruf einer Marke neben einer dreijährigen Nichtbenutzung und der Entwicklung zu einer sogenannten „generischen Marke“ in 3 weiteren Fällen möglich sein. Diese sind:
  • die Verwendung einer eingetragenen Marke hat bei den maßgeblichen Verkehrskreisen zu Missverständnissen über die Qualität und andere Eigenschaften der Waren oder den Herkunftsort geführt;
  • der Anmelder einer Kollektivmarke oder einer Zertifizierungsmarke gegen ebenfalls neu ins Markengesetz eingefügte Pflichten verstoßen hat, und die Umstände besonders schwerwiegend sind;
  • die Benutzung einer eingetragenen Marke oder die Ausübung des ausschließlichen Rechts zur Benutzung einer eingetragenen Marke hat die öffentlichen Interessen schwerwiegend beeinträchtigt und erhebliche nachteilige Auswirkungen verursacht.

Erklärung zur Markenbenutzung

Der Entwurf führt ferner eine neue Pflicht zur periodischen Erklärung zum Status der Markenbenutzung durch den Markeninhaber ein. Eine solche Erklärung muss jeweils innerhalb von zwölf Monaten nach Ablauf von fünf Jahren seit der Wirksamkeit der Marke bei CNIPA eingereicht werden. Mehrere Marken desselben Markeninhabers können in einer Erklärung zusammengefasst werden. Sollte innerhalb der jeweiligen Frist keine Erklärung bei CNIPA eingehen, wird diese den Markeninhaber zur Erklärung innerhalb einer Gnadenfrist von weiteren sechs Monaten auffordern. Sollte auch bis Ablauf dieser zweiten Frist keine Erklärung eingehen oder eine eingereichte Erklärung selbst nach Möglichkeit zur Nachbesserung nicht zur Überzeugung von CNIPA zum Nachweis der erforderlichen Markenbenutzung  ausreichen, wird CNIPA die Marke für nichtig erklären.

Diese neu geschaffene Pflicht verfolgt ersichtlich den grundsätzlich legitimen Zweck, Markeninhaber aktiv in die staatliche Überwachung rechtmäßiger Markenbenutzung einzubinden. Für Markeninhaber – insbesondere solche mit einer großen Anzahl registrierter Marken – wird dadurch jedoch der Verwaltungsaufwand und vor allem das Risiko des Verlustes der Rechte an den eigenen Marken ganz erheblich gesteigert.

Überwachung und Durchsetzung von Markenrechten

Im Bemühen die Überwachung sowie die gerichtliche und außergerichtliche Beilegung von Streitigkeiten über Rechte an Marken noch effektiver zu gestalten, schlägt CNIPA im Entwurf weitere nennenswerte Verbesserungen vor.

Dazu gehört zunächst die Möglichkeit, fortan Streitigkeiten nicht nur im Rahmen behördlicher oder gerichtlicher Verfahren auszufechten, sondern kraft einer Schiedsvereinbarung durch ein unabhängiges Schiedsgericht entscheiden zu lassen. Dies eröffnete den Parteien einen weiteren Weg zur zügigen Streitbeilegung und brächte die für Schiedsverfahren bekannten Vorteile (Schnelligkeit, Anonymität, größere Kontrolle über Besetzung und Verfahren vor dem Schiedsgericht), aber zugleich auch Nachteile (höhere Kosten, weniger prozessrechtliche Kompetenzen von Schiedsgerichten im Vergleich zu Volksgerichten) mit sich.

Außerdem werden die behördlichen Befugnisse zur Verfolgung von Markenrechtsverletzungen ausgeweitet. Belege, Dokumente, Aufzeichnungen, Geschäftskorrespondenz, audiovisuelles Material, elektronische Daten und andere Materialien, die im Zusammenhang mit mutmaßlichen Markenverletzungen stehen, werden in den Bereich der Materialien aufgenommen, die von der Strafverfolgungsbehörde eingesehen und kopiert werden dürfen. Beweise, die wahrscheinlich verloren gehen oder in Zukunft schwer zu beschaffen sind, kann die Behörde im Voraus registrieren und zur weiteren Verwendung im Verfahren aufbewahren. Ferner kann nach dem Entwurf das Bankkonto des verdächtigten Markenverletzers durchsucht und abgefragt werden.

Die Strafverfolgungsbehörden sollen zukünftig mit der Befugnis ausgestattet werden, Klagen vor den Volksgerichten im öffentlichen Interesse erheben zu dürfen, sollte eine Verletzung des ausschließlichen Nutzungsrechts an einer Marke zugleich nationale oder sonstige öffentliche Interessen berühren. Dies Befugnis steht unter dem Vorbehalt, dass in der gleichen Sache zeitgleich weder ein gerichtliches noch ein behördliches Verfahren geführt wird.

Schließlich enthält der Entwurf an einigen Stellen neue Bestimmungen, die ein besseres Ineinandergreifen und die Beschleunigung von Verfahren zwischen Verwaltungsbehörden, Strafverfolgungsbehörden und Gerichten bewirken sollen.

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