Der Einfluss von Verschuldung auf die Unternehmens­bewertung

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veröffentlicht am 16. November 2022 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Zuletzt hat der Rat der Europäischen Zentralbank am 27. Oktober 2022 eine Erhöhung der Leitzinsen bekannt gegeben. Die drei Leitzinsen stiegen um jeweils 0,75 Pro­zent­punkte. Während das sicherlich der anhaltend überdurchschnittlich hohen Inflation entgegenwirken soll, brechen somit auch für Unternehmen strukturell schwere Zeiten an. Merkmale sind die erschwerte Unternehmensfinanzierung durch hohe Zinsen bis hin zu eingeschränkter Investitionskraft aufgrund bspw. höherer Energie­kosten be­merkbar.



Während die Zahl der eröffneten Insolvenzverfahren in Deutschland nach Beginn der Corona-Pandemie auf­grund gelockerter Insolvenzregelungen abgenommen hat (im Vergleich zu den Jahren vor der Covid-19-Pande­mie), dürfte sich dieser Trend in den nächsten Quartalen umkehren. 

 

Zahl eröffneter Insolvenzverfahren in Deutschland (Unternehmen)

 Quelle: Statistisches Bundesamt, Oktober 2022

Die in der Niedrigzinsphase aufgebaute Verschuldung bei nunmehr steigenden Zinsen in Kombination mit zunehmenden Preisanstiegen bei wesentlichen Input-Faktoren, insbesondere steigenden Energiepreisen, stellt eine deutliche Belastung für hiesige Unternehmen dar.
 
Hieraus ergibt sich für Unternehmensbewertung die Fragestellung wie das bekannte Risiko von auch Fremd­kapital­geber auch bei Unternehmensbewertungen adäquat zu berücksichtigen ist.


Berücksichtigung des unternehmensspezifischen Risikos in der Unternehmens­be­wertung

Grundsätzlich spiegelt sich das Risiko der Investition in ein Unternehmen über die Höhe der erwarteten Rendite (Kapitalkosten) wieder. Das Capital Asset Pricing Model (CAPM) ist als theoretisches Konstrukt zur Ableitung der Kapitalkosten aus der Bewertungspraxis nicht wegzudenken.  

Im Rahmen des CAPM gibt der Betafaktor das systematische Unternehmens-Risiko an und fungiert damit als zentrales unternehmensindividuelles Risikomaß.

In der Bewertungspraxis wird dieser Faktor regelmäßig zur Ableitung der Renditeerwartungen von Eigenkapital­gebern herangezogen. Somit wird in den meisten Bewertungen implizit das unternehmensspezifische Risiko vollständig von Eigenkapitalgebern getragen.

Implizit wird somit in vielen Bewertungen die Annahme getroffen, dass Fremdkapital ausfallsicher ist. Diese Annahme ist vor dem Hintergrund des Eingangs erläuterten Sachverhalte und insbesondere bei hochverschul­deten Unternehmen zu verwerfen.

Spätestens seit der Publikation des Praxishinweises des IDW 2/2018 sollte es übliche Praxis sein, auch das Ausfallrisiko des Fremdkapitals und damit eine Aufteilung des systematischen Unternehmens-Risikos zwischen Eigen- und Fremdkapitalgebern zu berücksichtigen. So fordern Fremdkapitalgeber auch in der Praxis regelmäßig eine Risikoprämie zum risikolosen Basiszinssatz und gehen somit selbst nicht davon aus, dass Fremdkapital ausfallsicher ist.


Ableitung der Risikoprämie der Fremdkapitalgeber

Das IDW empfiehlt für die Ableitung der Risikoprämie des Fremdkapitals (siehe Praxishinweis 2/2018) ein sogenanntes Debt Beta zu berücksichtigen. Dies bezeichnet das Maß des systematischen Risikos, das durch Fremdkapitalgeber übernommen wird.

Obwohl das Debt Beta grundsätzlich auch direkt durch lineare Regression von beobachtbaren Fremdkapital­renditen gegenüber einem Vergleichsindex abgeleitet werden könnte, hat sich eine indirekte Methode zur Ableitung in der Praxis durchgesetzt.

Ausgangspunkt der Ableitung ist die Differenz zwischen den unternehmensspezifischen laufzeitäquivalenten Fremdkapitalzinsen und dem risikolosen Zinssatz (Credit Spread). In einem nächsten Schritt sind aus dem Credit Spread alle Komponenten zu eliminieren, die nicht durch das CAPM erfasst werden sollen. Dazu zählen die Kompensation des von den Fremdkapitalgebern zu tragenden unsystematischen Risikos, andere Kosten (z.B. Liquiditäts- und Verwaltungskosten) und die Gewinnmarge der Fremdkapitalgeber. Der verbleibende Teil des Credit Spread entfällt nur mehr auf die Kompensation des nach dem CAPM relevanten systematischen Unternehmens-Risikos. Empirische Studien weisen auf einen Anteil des systematischen Risikos am gesamten Credit Spread in Höhe von 20 bis 40 Prozent hin.

Dabei ist zu beachten, dass dieser Anteil insbesondere vom Rating (und somit der Insolvenzwahrscheinlichkeit) abhängig ist. Mit zunehmender Insolvenzwahrscheinlichkeit nimmt der Anteil ab. Die Art des Fremdkapitals hat ebenfalls Einfluss auf die Höhe des systematischen Fremdkapitalrisikos. Je ähnlicher die Finanzierungsart dem Eigenkapital ist umso höher ist auch der Anteil des systematischen Risikos am Credit Spread.

Die exakte Ermittlung des Debt Beta ist somit mit diversen Einschätzungen und Parametern verbunden. Diese Komplexität ist auch einer der Hauptgründe für die bisher geringe Verbreitung der Anwendung.


Verschuldung und Debt Beta

Trotz der Komplexität der Ableitung ist bei steigenden Verschuldungsgraden die Anwendung des Debt Beta zu empfehlen. So führt eine steigende Verschuldung c.p. zu höheren Kapitalkosten der Eigenkapitalgeber. In der Unternehmenspraxis wird das Risiko der erhöhten Verschuldung nicht nur durch die geforderten Renditen von Eigenkapitalgebern, sondern auch durch gestiegenen Finanzierungskosten sichtbar. Somit wird in der gelebten Praxis das Risiko bereits auf mehrere Schultern, d.h. Fremd- und Eigenkapitalgeber verteilt.

Unter Berücksichtigung des Debt Beta findet die gelebte Praxis auch in Bewertung Platz. Die bspw. im Planungszeitraum erhöhte Verschuldung führt durch Berücksichtigung des Debt Beta somit auch zu 

 

(1) einer Erhöhung der Fremdkapitalkosten und 

(2) zu einem leicht gegenläufigen bei den Eigenkapitalkosten (aufgrund der Risikoverteilung hin zu Fremdkapitalgebern).

Diese Vorgehensweise führt schließlich dazu, dass die Finanzierungspolitik im Planungszeitraum und das damit einhergehende Risiko im Rahmen der Unternehmensbewertung korrekt berücksichtigt wird.


Fazit

Aufgrund des aktuellen wirtschaftlichen Ausblicks ist davon auszugehen, dass die Verschuldung und damit Finanzierung von Unternehmen an Bedeutung gewinnt. Das korrekt in der Unternehmensbewertung abzubilden erfordert die Berücksichtigung des theoretisch abzuleitenden Debt Betas.

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