Ist ein Staatsfonds mit privater Kapitalbeteiligung zur Finanzierung der Transformation im Mobilitätssektor sinnvoll?

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​​​​​​veröffentlicht am 12. Juni 2024

Verkehrsminister Wissing hat in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung vor einigen Wochen die Idee eines „Infrastrukturfonds” mit privater Kapitalbeteiligung ins Spiel gebracht. Die Idee ist nicht neu. Zuvor haben sich bereits diverse Kommissionen (z.B. 2000 die Pällmann-Kommission, 2015 die Gabriel-Kommission) mit der Idee auseinandergesetzt; zuletzt (2022) die sog. Beschleunigungskommission Schiene. Was ist mit einem Staatsfonds gemeint, und ​was kann ein Staatsfonds leisten?


Nach dem Haushaltsrecht kann der Bund sog. Sondervermögen (auch Staatsfonds genannt) gründen. Hierbei handelt es sich um ein „rechtlich unselbständige abgesonderte Teile des Bundesvermögens, die durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes entstanden und zur Erfüllung einzelner Aufgaben des Bundes bestimmt sind (VV Nr. 2 zu § 26 BHO)”. Das Grundgesetz (Art. 110 Satz 1 GG) regelt, dass bei Sondervermögen nur die Zuführungen oder die Ablieferungen von Einnahmen oder Ausgaben in den Haushalt eingestellt werden müssen.


Die Etablierung eines Staatsfonds erfordert somit ein Parlamentsgesetz. Das Gesetz regelt, den Zweck, die Mittelausstattung und -Herkunft sowie die Kontrolle der Mittelverwendung und die Laufzeit des Staatsfonds. Der Staatsfonds darf nur für die „Erfüllung von Aufgaben des Bundes” errichtet werden. Zur Finanzierung von Aufgaben der Länder und Kommunen (z.B. ÖPNV) ist ein Bundes-Sondervermögen nicht möglich. Ein denkbarer verkehrsträgerübergreifender Zweck eines Sondervermögens könnte der Klimaschutz sein, da es sich hierbei um eine gesamtgesellschaftliche und gesamtstaatliche Aufgabe (BVerfG, Klimaurteil 2021) handelt. Denkbar ist aber auch die Bildung von Sondervermögen für verkehrsträgerspezifische Infrastrukturaufgaben (Sanierung der Schienenwege, Wasserstraßen, etc.), für die der Bund exklusiv zuständig ist.


Die Vorteile bzw. Chancen von Sondervermögen mit privater Beteiligung werden in der Mobilisierung höherer Volumina (Einsatz von Bundesmitteln kann ein hohes Investitionsvolumen durch Beteiligung Privater initiieren) sowie der Überjährigkeit (Verwendung der Mittel schafft Planungssicherheit) gesehen.
Gegen die Bildung von Sondervermögen wird eingewandt, dass sie eine Ausnahme von allgemeinem Haushaltsansatz darstellen und daher restriktiv zu behandeln seien (BRH-Bericht 2023), zudem stünden im geltenden Haushaltsrecht Möglichkeiten zur Sicherstellung der Überjährigkeit (z.B. Verpflichtungsermächtigungen (§ 16 BHO) und über den Finanzplan (StabG) zur Verfügung.


Seit dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts (11/2023) fehlen der Bundesregierung Milliarden für die Klimatransformationen und zur Erneuerung der Infrastruktur. Eine Reform der Schuldenbremse wird (bislang noch) abgelehnt. Die Einführung eines Staatsfonds, zumal unter Beteiligung privater Kapitalgeber, kann bei gleichzeitiger Einhaltung der Schuldenbremse eine Option sein, zusätzliche Mittel zu mobilisieren. Die Möglichkeiten zur Gründung von Sondervermögen bestehen im Übrigen auch für die Länder. Bei einem abgestimmten Vorgehen von Bund, Ländern und Kommunen könnten sinnvolle Finanzierungskonzepte für die Erreichung der Klima- und Infrastrukturziele entstehen. Bislang fehlt es jedoch an einem konkreten Konzept.


Bewertung für die Praxis

Ob ein Staatsfonds für den ÖPNV Vorteile bringt, hängt von der konkreten Ausgestaltung ab. Sofern der Staatsfonds als „Infrastrukturfonds” konzipiert würde, könnte der ÖPNV nur dann profitieren, wenn Investitionen in emissionsfreie Fahrzeuge und deren Infrastruktur ausdrücklich mit umfasst würden. Sodann sollte geklärt werden, ob das Sondervermögen verkehrsmittelübergreifend oder verkehrsmittelspezifisch ausgestaltet werden soll. Dies hat Auswirkungen darauf, aus welchen Quellen sich der Staatsfonds speist. Neben Kreditermächtigungen und Einnahmen aus CO2-Zertifikaten könnten z.B. auch verkehrsmittelspezifische Trassenentgelte in das Sondervermögen fließen. Sofern sonstige Nutzungsgebühren, wie etwa Mauteinnahmen mit einbezogen werden sollen, sind Zweckbindungen bei verkehrsmittelübergreifenden Sondervermögen zu beachten. Insgesamt sollten neben der Perspektive der Mittelallokation auch Steuerungseffekte mitgedacht werden (z.B. „Verkehr finanziert Verkehr”). Die Initiative des BMDV ist grundsätzlich zu begrüßen, bedarf aber der weiteren Konkretisierung.​​


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Jörg Niemann

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