Schadensersatz wegen Verletzung der Aufklärungspflicht – oder: das Problem mit der „105%-Klausel”

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In einer Entscheidung vom 7. März 2019 hatte sich das Landgericht in Hamburg (321 O 10/18) mit einer Schadensersatzforderung wegen fehlerhafter Aufklärung im Zusammenhang mit der Beteiligung an einem Schiffsfonds auseinanderzusetzen.

Die Kläger hatten jeweils im Oktober 2008 über eine Treuhänderin eine Beteiligung an einer Fondsgesellschaft in Form einer GmbH & Co. KG erworben, welcher sie als Kommanditisten beitraten. Eine Aufklärung der Kläger im Vorfeld des Erwerbs der Beteiligung fand auf der Grundlage des Prospektes statt.

Die Beklagte ist Gründungskommanditistin der Fondsgesellschaft.

Im Zuge der Platzierungsphase zeigte sich jedoch, dass das erforderliche Kommanditkapital nicht eingeworben werden konnte und das ursprünglich fondsgegenständliche Schiff nicht rechtzeitig abgeliefert wurde. Der Chartervertrag wurde gekündigt. Die Fondsgesellschaft entschloss sich dann, das Schiff zu verkaufen und das Kommanditkapital in ein anderes Schiff, welches durch eine Schwesterfondsgesellschaft finanziert wurde, einzubringen. Die Fondsgesellschaft generierte im Folgenden nur noch Einnahmen in US-Dollar aus der Beteiligung an dieser Schwestergesellschaft.

Im Mai 2014 beantragte die Fondsgesellschaft die Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welches jedoch durch das zuständige Amtsgericht mangels Masse abgelehnt wurde. Im April 2015 wurde das Erlöschen der Firma von Amts wegen eingetragen.

Daraufhin forderten die Kläger die Beklagte in 2016 zur Zahlung von Schadensersatz auf, da sie aufgrund eines fehlerhaften Prospektes unzureichend aufgeklärt worden seien. Insbesondere enthalte der Prospekt nicht ausreichend Ausführungen über die Risiken der 105%- Klausel im Zusammenhang mit der Fremdfinanzierung.

Die Kläger trugen hierzu vor, dass bei einer negativen Entwicklung des Wechselkurses eine doppelte Belastung der Fondsgesellschaft vorliege. So müsse „die Gesellschaft, die ihre Einnahmen ausschließlich in US-Dollar generiere, nun mehr US-Dollar aufgrund der Währungskursveränderung aufwenden, um die fälligen Darlehensraten in Japanischen Yen zu erfüllen. Zusätzlich zu diesem normalen Währungsrisiko müsse sie aber aufgrund der „105%-Klausel” bei Überschreiten eine zusätzliche Ausgleichszahlung bzw. Strafzahlung in unbegrenzter Höhe erbringen, die aber die ursprünglich vereinbarte Darlehenssumme nicht reduzierte. Es handele sich mithin um eine zusätzliche Leistung an die finanzierende Bank, die weit über das allgemeine Risiko einer Fremdfinanzierung hinausgehe und damit den Erfolg der Fondsgesellschaft maßgeblich beeinflussen könne, ohne dass die Gesellschaft eine Möglichkeit besitze, hierauf einzuwirken”.

Nach Ansicht der Kläger handelt es sich bei der 105%-Klausel, um eine branchenübliche Abrede, deren Existenz den Anlegern durch den Prospekt bekannt war. Gleichwohl sei ein Anspruch bereits verjährt, da die Anleger spätestens seit 2012, bei Beteiligung an dem Schwesterschiff, Kenntnis von der 105%-Klausel gehabt haben.

Das Landgericht Hamburg hat mit seinem Urteil der Klage stattgegeben, da die Beklagte ihre vorvertraglichen Aufklärungspflichten im Zusammenhang mit der Entscheidung über den Beitritt zur Fondsgesellschaft verletzt hat. So muss „einem Anleger für seine Beitrittsentscheidung ein zutreffendes Bild über das Beteiligungsobjekt vermittelt werden, d.h., er muss über alle Umstände, die für die Anlageentscheidung von wesentlicher Bedeutung sind oder sein können, insbesondere über die mit der angebotenen Beteiligungsform verbundenen Nachteile und Risiken, zutreffend, verständlich und vollständig aufgeklärt werden”. Diesem ist die Beklagte vorliegend nicht nachgekommen. So reicht es nach Ansicht des Gerichts nicht aus, in dem Prospekt lediglich darauf hinzuweisen, dass während der Betriebsphase der japanische Yen im Vergleich zu US-Dollar steigen und dies zu höheren Zins- und Tilgungsleistungen führen kann. Diese Darstellung des mit einer Investition verbundenen Risikos ist unvollständig, da ein Hinweis fehlte, dass bei negativer Entwicklung des Wechselkurses die Fondsgesellschaft vielmehr gezwungen sei weitere Ausgleichszahlungen auf das Darlehen vorzunehmen, die die ursprüngliche Darlehenssumme aber nicht reduzieren. Auf dieses über ein allgemeines Währungsrisiko hinausgehende Risiko hätte hingewiesen werden müssen. Das Gericht schließt sich so in seiner Begründung im Wesentlichen der durch die Kläger vorgetragenen Argumentation zur „105%-Klausel” an.

Im Übrigen ist der Anspruch der Kläger auf Schadensersatz nach Ansicht des Gerichts auch nicht verjährt, da sich allein aus der Kenntnis von der Existenz der Klausel noch keine Kenntnis über einen Aufklärungsmangel hinsichtlich des bestehenden Risikos ergibt.

Die Beklagte wurde daher verurteilt, den Klägern den entstandenen Schaden in Höhe der jeweiligen Beteiligungssummen zu ersetzen. 
 

Praxisfolgen:

 
Das hier dargestellte Urteil zeigt einmal mehr, dass in einem Prospekt umfangreich über jegliche Risiken im Zusammenhang mit dem betreffenden Investment, erst recht hinsichtlich der mit der Finanzierung verbundenen Risiken, aufgeklärt werden muss. Dies betrifft auch die bei Finanzierungen durch Banken angewandte Regelung der „105%-Klausel”.

Bei der „105% -Klausel”, „105%-Währungsklausel” oder auch „Loan-to-Value-Klausel” handelt es sich um eine getroffene Vereinbarung zwischen Fondsgesellschaften und Kreditinstituten. In solchen Klauseln wird vereinbart, dass das im Rahmen einer Fremdfinanzierung durch die Fondsgesellschaft aufgenommene Darlehen, welches in einer bestimmten Währung berechnet wird, in seiner Höhe insgesamt 105% des finanzierten Objektes nicht übersteigen darf. Sobald es jedoch zum Überschreiten der vereinbarten 105%-Grenze kommt, kann dies zu erhöhten Ausgleichszahlungen (Strafzahlungen) für die Fondsgesellschaft führen. Dieser Umstand dürfte allerdings nur wenigen Anlegern bekannt oder bewusst sein und ist zudem bei entsprechender Kenntnis für das Treffen der Anlageentscheidung nicht unerheblich. Die in der Vereinbarung einer §105%-Klausel” versteckten Risiken müssen daher auch im Rahmen eines Prospektes thematisiert werden. Insoweit ist das Urteil für künftige Prospektgestaltungen sowie gegebenenfalls für Prospektnachträge durch Fondsinitiatoren zu beachten.

Daneben lässt die Tatsache, dass es sich bei der „105%-Klausel” gerade im Bereich der Schiffsfonds um eine vielfach getroffene Abrede handelt und eine reine Kenntnis von der Klausel nicht zwingend auch zur Kenntnis des Risikos führt, erwarten, dass diese auch in Zukunft noch Gegenstand von Prozessen sein wird.

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Dr. Christian Conreder

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