Indirekte Software-Nutzung: Ein streitbares Erlösmodell

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veröffentlicht am 8. November 2018 / Lesedauer: ca. 4 Minuten; Autoren: Alexander Theusner, Johannes Marco Holz, Maximilian S. Dachlauer
 
Unternehmen, die den Erwerb von (ERP-)Software planen, stehen mitunter vor dem Problem, dass die Lizenzbedingungen des Software-Herstellers nicht nur undurchsichtig, sondern auch schwer verständlich und ohne besonderes Spezialwissen kaum auf hauseigene Sachverhalte übertragbar sind. Doch damit nicht genug: Manche Softwarehersteller sind bei der Kreation lizenzpflichtiger Tatbestände in den Wirren der mehrere Hundert Seiten starken Lizenzbedingungen ausgesprochen umtriebig. Für zuvor in einem Angebot nicht berücksichtigte Nutzungen können so leicht Nachforderungen in 6- oder gar 7-stelliger Höhe aufgerufen werden. Nicht immer haben diese Forderungen der Hersteller eine rechtliche Grundlage. Wer sich noch in der Implementierung befindet, fragt sich zu Recht, ob er bei der anfänglichen Angebotsgestaltung korrekt beraten wurde. Fundierte und sachverständige rechtliche Beratung bei der Software-Anschaffung zahlt sich im Fall der Fälle somit besonders aus.​
 

 

„Passe Deine Prozesse Deiner IT an – und nicht umgekehrt”

Bei der Ausschreibung von Softwareprojekten greifen viele Unternehmen auf bereits bewährte Methoden zurück. Anforderungs-Dokumente, wie z.B. Lastenhefte, skizzieren die bereits bestehende Prozesslandschaft. Anbieter werden aufgefordert, Produkte anzubieten, die zur Umsetzung dieser Anforderungen geeignet sind. Kunden lassen dabei oft außer Acht, dass die Entscheidung für einen Anbieter auch zugleich die Entscheidung für dessen Standard-Produkte bedeutet. Damit wird die Chance vertan, bei diesem Anlass die internen, eigenen Prozesse mehr dem Software-Standard anzupassen – und nicht umgekehrt. Denn auf diese Weise kann viel Aufwand bei der Implementierung eingespart werden. Je mehr Prozesse bereits durch den Standard der eingekauften Lösung abgedeckt werden können, desto weniger wird der Implementierer auf die Lösungen sog. Drittanbieter zurückgreifen müssen – und desto stabiler wird der Betrieb einer Software-Lösung i.d.R. laufen. Die Anbindung von Drittanbieter-Tools bedeutet immer auch die Nutzung von Schnittstellen und damit das Eingehen von Risiken. Sie können in funktionalen Problemen bei der Kommunikation der Komponenten untereinander, jedoch auch in technischen Sicherheitsrisiken oder auch in rechtlicher Hinsicht zu sehen sein. Letztere sind Gegenstand der vorliegenden Betrachtung.
 

Anbieterauswahl bedeutet auch Auswahl des Lizenzmodells

Hat man sich einmal für einen Anbieter entschieden, ist man auch an dessen Lizenzbedingungen gebunden. Das gilt für die Kosten von Wartung und Pflege, aber auch beim Nachkauf von Lizenzen. Ein Sonderfall ist die sog. „indirekte Nutzung”. Damit ist der Zugriff auf eine Software über eine andere, externe Drittanbieter-Software – z.B. über eine Schnittstelle – gemeint. Der Zugriff über Schnittstellen ist bei komplexen Software-Umgebungen an der Tagesordnung, weil nur selten alle Unternehmensprozesse mit den Standard-Lösungen der großen Hersteller abgedeckt werden können.
 
Althergebrachte Lizenzwerke unterscheiden bei der Lizenzierung von Zugriffsrechten (z.B. sog. „client access licences”, kurz CALs) lediglich zwischen sog. „named user”-Modellen und „concurrent user”-Modellen. Bei ersteren werden Zugriffsrechte einer natürlichen Person zugeordnet und nach deren Anzahl abgerechnet. Im „concurrent user”-Modell werden lediglich die gleichzeitig zugreifenden User gezählt und abgerechnet. Selbsterklärend ist, dass „concurrent user”-Lizenzen i.d.R. kostenintensiver sind. Lizenzen zur indirekten Nutzung stellen hingegen nicht auf den Zugriff natürlicher Personen ab, sondern machen allein den maschinellen Zugriff auf eine Software lizenzpflichtig. SAP ist z.B. im April 2018 („SAP ERP Pricing for the Digital Age”) noch einen Schritt weiter gegangen und orientiert sich fortan nicht mehr „nur” an den Schnittstellen-Zugriffszahlen, sondern an der Anzahl an Objekten, die über Schnittstellen in die Hauptdatenbank gelangen.
 
Es macht daher Sinn, bereits bei der Anbieterauswahl unter fachkundiger – idealerweise juristischer – Anleitung abzuwägen, welcher Anbieter unter dem Gesichtspunkt des Lizenzmodells am besten zur IT-Strategie des Unternehmens passt.
 

Gefahr des sog. „Vendor Lock-Ins”

Die Einführung der Kostenpflicht für Schnittstellen-Zugriffe basiert auf einer naheliegenden Grundüberlegung. Je teurer die Verwendung von Drittanbieter-Software wird, desto eher wird sich ein Kunden-Unternehmen darum bemühen, Lösungen möglichst mit dem Standard abzubilden und damit mehr Geld beim Hersteller großer Lösungen auszugeben. Gleichzeitig eröffnet es großen Herstellern die Möglichkeit bei Bestandskunden zusätzlich „Kasse zu machen”, sofern diese sich zum Einsatz von Drittanbieter-Lösungen entschieden haben. Denn die Anbindung und der Betrieb von Schnittstellen ist nach den Bedingungen der großen Hersteller i.d.R. lizenzpflichtig. Im Ergebnis führt das häufig zum sog. „Vendor Lock-In”, bei dem Kunden in den Lizenz­bedingungen des Herstellers von ERP-Lösungen regelrecht „eingesperrt” werden, weil es unwirtschaftlich wird, andere Software-Lösungen in die bestehende Landschaft zu integrieren.
 

Rechtliche Bewertung der Lizenzpflicht indirekter Nutzung

Das vorstehende Vorgehen großer Hersteller von Software begegnet unter vielen Gesichtspunkten erheblichen rechtlichen Bedenken. Denn in einem 1. Schritt erscheint zweifelhaft, ob es mit geltendem Urheberrecht (vgl. § 69d Abs. 1 UrhG) vereinbar ist, Kernfunktionalitäten zusätzlichen Lizenzgebühren zu unterwerfen, ohne dass der Nutzungsumfang in urheberrechtlich erheblicher Weise erhöht wird. Das gilt umso mehr in Fällen, in denen Drittanbieter-Lösungen selbständig lauffähige Software-Produkte sind. Da es sich bei Lizenzbedingungen in den vorgenannten Fällen i.d.R. um AGB i.S.d. § 305 BGB handelt, stellt sich ferner die Frage, ob Erwerber von Software mit Klauseln zur indirekten Nutzung in Lizenzbedingungen rechnen müssen (Verbot überraschender Klauseln, vgl. § 305 c Abs. 1 BGB).
 
Zudem kann eine unangemessene Benachteiligung für den Lizenznehmer vorliegen. Es werden in besagten Lizenzbedingungen Vorgänge einer Vergütungspflicht unterworfen, obwohl sie keine urheberrechtliche Relevanz besitzen. Das gilt v.a. dann, wenn zum Zeitpunkt des erstmaligen Lizenzerwerbs eine abschließende Anzahl an zu erwerbenden Lizenzen für den Kunden nicht ermittelbar ist.
 

Fazit

Bei der Auswahl eines Anbieters von Unternehmenssoftware ist genau abzuwägen, ob sich Lizenzbedingungen der Software-Hersteller mit der eigenen IT-Strategie in Einklang bringen lassen. Wer nach Beginn oder Abschluss eines Implementierungs-Projektes mit zusätzlichen Lizenz-Forderungen überzogen wird, sollte jedenfalls die akzeptierten Bedingungen einer gründlichen juristischen Prüfung unterziehen lassen und dabei auch an die Beratungspflichten des Implementierers denken. In jedem Fall lohnt es sich, sich von Anfang juristisch sachkundig begleiten zu lassen – in rechtlicher wie wirtschaftlicher Hinsicht.
 

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Johannes Marco Holz, LL.M.

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Informationstechnologierecht, Datenschutzbeauftragter (GDDcert.EU), Master of Laws Rechtsinformatik (Universität Passau)

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