Erfolgreich investieren in Spanien

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​​​​​​​​​​​zuletzt aktualisiert am 7. Juni 2024 | Lesedauer ca. 6 Minuten


 

   

   

​​Wie schätzen Sie die derzeitige wirtschaftliche Lage in Spanien ein?

Spanien hat sich wirtschaftlich nach der Corona-Krise sehr viel später als andere Länder erholt. Allerdings war schon in den letzten Monaten des Jahres 2022 zu spüren, dass diese Erholung stärker als erwartet war. Mit 2,5 Prozent Wachstum des BIP im Jahr 2023 ist Spanien auf den ersten Plätzen der EU zu finden, nachdem die Jahre 2020 und 2021 noch von der Normalisierung der Wirtschaft nach der Pandemie geprägt waren. Der Vergleich des ersten Quartales 2024 zum gleichen Zeitraum in 2023 zeigt ein Wachstum des PIB von Spanien von 0,7 Prozent[​1]​. An der Spitze der autonomen Regionen in Spanien steht Madrid mit einem Anteil von 19,4 Prozent am nationalen PIB. (2022). 
  
Spanien weist eine niedrigere Inflationsrate als viele andere Länder der EU vor. Im jährlichen Vergleich lag diese im April 2024 bei 3,3 Prozent[2​]. (Quelle: INE). Die Regierung hat versucht, die Lebenshaltungskosten gering zu halten und dafür verschiedene Maßnahmen eingesetzt, die zum Teil jetzt noch in Kraft sind. Das führte dazu, dass viele Spanier mehr ausgeben konnten, ohne sich verschulden zu müssen. Maßnahmen waren u. a. die Deckelung des Gaspreises für die Stromerzeugung, die Subventionierung des Strompreises, die Kürzung der Mehrwertsteuer auf manche Grundnahrungsmittel sowie günstigere Preise beim Nahverkehr. Die aktuelle spanische Regierung plant für die Zukunft eine Erhöhung der niedrigeren Einkommen sowie eine weitere Erhöhung des Mindestlohnes, der derzeit nach einer 5prozentigen Erhöhung im Januar 2024 monatlich bei 1.134 Euro liegt. (14 Zahlungen).
  
Einer der Gründe für die gute Wirtschaftslage ist beim Covid-Wiederaufbau-Fonds der EU zu finden. Aus dem Next-Generation Programm der EU wurden Spanien 164 Mrd. Euro an Hilfen bereitgestellt. Das Land wusste diese Mittel bisher sehr gut einzusetzen und zu nutzen. 
  
Ein weiterer Grund für die positive Entwicklung in Spanien liegt sicherlich zum großen Teil auch an den stark gesunkenen Energiekosten, zumal Spanien nie von russischem Erdgas abhängig war.
  
Leider birgt die Abhängigkeit Spaniens vom Tourismus, der 12,8 Prozent des PIB (2023) ausmacht, gewisse Risiken, auch wenn ein Ende des Tourismusbooms noch nicht absehbar ist. Trockenheit und Wasserknappheit in einigen Bereichen Spaniens machen dem Tourismus, besonders den Hoteliers, aber auch der Landwirtschaft zu schaffen. Gleichzeitig sind die Angestellten in der Tourismusbranche oft schlecht bezahlt. 
  
Kritisch betrachtet werden vor allem das Pro-Kopf-Einkommen sowie die Produktivität Spaniens. 
  
All das ist jedoch noch keine Ursache für die wichtigsten Referenzinstitutionen, ihre Prognosen für Spanien zu senken: Die OECE sieht für Spanien für 2024 ein Wirtschafswachstum von 1,5 Prozent vorher, der Internationale Währungsfonds geht für Spanien sogar von einem Wachstum von 2 Prozent in 2024 aus. 
  

Wie würden Sie das Investitionsklima in Spanien beschreiben? Welche Branchen bergen großes Potenzial?

​Einer der Vorteile für Investitionen in Spanien ist die sehr gut ausgebaute Infrastruktur des Landes. Diese Infra­struktur sowie die vielen vorhandenen Freiflächen haben zu wichtigen Investitionen insbesondere bei Solaranlagen und Windparks geführt. Erneuerbare Energien werden auch in Zukunft, u.a. im Hinblick auf den andauernden Krieg zwischen Russland und der Ukraine, und der damit zusammenhängenden gesuchten Unabhängigkeit Europas von auswärtigen Energien eine wachsende Rolle spielen. Allerdings macht der aktuelle Preisverfall im Stromgroß­handelsmarkt den Erneuerbare-Energie-Unternehmen zu schaffen. 
  
Die Pandemie hat sich als Katalysator für allgemeine und auch industrielle Digitalisierung auch in Spanien bewiesen. Themen wie Smart Cities und Micro-Mobilität eröffnen nach wie vor interessante Möglichkeiten, genauso wie die IT- und Kommunikationsbranche, da Spanien gut ausgebildete Fachleute vorzuweisen hat und das Lohnniveau im Vergleich um einiges niedriger ist, als z.B. in Deutschland. IT-und Kommunikationsunternehmen sind außerdem offen für Investitionen aus dem Ausland.
  
Aus den Fonds Next Generation EU werden weiterhin Gelder für nachhaltige Projekte und Innovationen zur Verfügung gestellt werden. Abgesehen davon sieht die Regionalförderung, abhängig von der Region und der Größe des investierenden Unternehmens eine Unterstützung in verschiedenen dünn besiedelten und Randgebieten vor, manche Regionen haben dabei besonders arbeitsplatzintensive Unternehmen im Blick. 
  
Die aktuellen geringen Energiepreise (Spanien und Portugal als gemeinsamer iberischer Strommarkt sind derzeit Europas günstigste Strommärkte) könnten mittelfristig zu weiteren Investitionen in Produktionsstandorte führen. 
    

Welchen Herausforderungen steht ein deutscher Unternehmer beim Engagement in Spanien gegenüber?

Die über Erfolg und Nichterfolg entscheidenden Faktoren sind vor allem die sorgfältige Auswahl der Mitarbeiter und noch konkreter der Leiter der spanischen Niederlassungen. Besonders die Kontrolle der Niederlassungen in Spanien spielt eine wichtige Rolle, um unangenehme Überraschungen, die sich erst mit einer zeitlichen Ver­zögerung bemerkbar machen, zu vermeiden. Wenn man Spanien als Absatzmarkt im Fokus hat, ist es sinnvoll, sich lokales Fachwissen in die Teams zu holen. 
    
In Bezug auf Fremdsprachenkenntnisse haben sich die Spanier in den letzten Jahren deutlich verbessert, sind aber noch nicht auf dem Niveau anderer europäischer Länder. 
  
Geschäftsbeziehungen generell sind in Spanien eher persönlich und sozial geprägt.
  
Es ist ratsam, sich über die arbeitsrechtlichen Vorschriften für die unterschiedlichen Branchen zu informieren. In vielen Unternehmen ist generell oder ab einer konkreten Mitarbeiterzahl ein Gleichbehandlungsplan auszuarbeiten (Plan de Igualdad), ein Protokoll zur Vermeidung von Risiken am Arbeitsplatz (Prevención de Riesgos laborales) zu erstellen, sowie ein Protokoll zur Vermeidung von Mobbing/sexueller Belästigung am Arbeitsplatz und ein Vergütungsregister. Außerdem muss die Arbeitszeit erfasst und ein Whistleblowing-Kanal eingeführt werden. 
Generell gilt in Spanien eine Höchstarbeitszeit von 40 Stunden pro Woche mit einer Obergrenze von 80 Über­stunden im Jahr sowie eine wöchentliche Mindestruhezeit von eineinhalb ununterbrochenen Tagen. 
  
Weitere Herausforderungen ergeben sich aus den politischen Entwicklungen im Land. Die letzten vorgezogenen Wahlen im Jahr 2023 haben zu einer Koalitionsregierung aus Sozialisten (PSOE), dem Linksbündnis SUMAR, den katalanischen Parteien ERC und JUNTS, die beide die Unabhängigkeit Kataloniens anstreben sowie PNV, der baskischen Nationalisten-Partei und BILDU, einem baskischen sozialistischem Wahlbündnis, dem Nähe zum früher aktiven terroristischen linksnationalistischen ETA-Umfeld nachgesagt wird, geführt. Unter anderem musste der aktuelle Präsident Pedro Sánchez im Gegenzug und im Gegensatz zu vorherigen Aussagen für die Zusammen­arbeit mit der Partei JUNTS eine Amnestie für verurteilte Separatisten zusagen. 
  
Das Programm der aktuellen Regierung sieht unter anderem eine Verminderung der wöchentlichen Arbeitszeit von 40 auf 37,5 Stunden bei vollem Lohnausgleicht sowie eine weitere Erhöhung des Mindestlohns vor. 
  

Welche Chancen ergeben sich für deutsche unternehmen in Spanien gerade im Hinblick auf die niedrigeren Stromkosten im vergleich zu Deutschland?​

Für stromintensive Unternehmen ergeben sich aktuell und auch für die Zukunft Chancen in Spanien, wenn sie ihre Produktion auf die iberische Halbinsel verlegen können, da sich die Handelspreise für Strom im Vergleich zum europäischen Ausland stark nach unten entwickelt haben. Der Grund ist der sogenannten Kannibalismus-Effekt der Erneuerbaren Energien, der sich aus dem Merrit-Order Preisfindungsprinzip im Strommarkt ergibt. Während der Sonnenstunden im März und April dieses Jahres gab es den Strom auf der spanischen Strombörse zum Nullpreis. Viele Produzenten für Erneuerbare Energien suchen gerade Abnehmer ihres Stroms für 30-35 €/MWh, Preise, die in Deutschland (noch) undenkbar sind. Das optimale Szenario wäre eine Produktionsstätte, die durch direkte Stromleitungen mit PV-und/oder Windparks verbunden ist und so ohne Stromdurchleitungskosten ihren eigenen Strom produzieren kann. Verbunden mit Batterie oder anderen Speichermethoden kann so eine 24/7 Stromversorgung mit billigstem Strom garantiert werden. 
   

Wie wird sich aus Ihrer Sicht Spanien weiterentwickeln?

Spaniens Wirtschaftsleistung war in der Pandemie stark eingebrochen, die Erholung war in den letzten Jahren deutlich spürbar. 
  
Eine positive Entwicklung ist, dass nicht mehr der Tourismus die einzige Branche ist, die die Wirtschaft ankurbelt, sondern dass auch Exporte von Gütern und Dienstleistungen, wie z.B. Ingenieurleistungen, stark gestiegen sind. Als Grund wird die verbesserte Wettbewerbsfähigkeit der spanischen Konzerne genannt, was zum einen in der guten Ausbildung der Arbeitnehmer, und sicherlich auch an den geringeren Energiekosten liegt. 
  
Ein Problem in Spanien sind sicherlich die Arbeitslosenzahlen, die Saisonverträge und die Zeitverträge. Viele junge Menschen können sich aufgrund des niedrigen Pro-Kopf-Einkommens in den großen Ballungszentren keine eigenen Wohnungen leisten. Die Staatsverschuldung in Spanien liegt bei über 100 Prozent des BIP. Wegen dieser hohen Staats- und auch der Privatverschuldung ist Spanien der Zinspolitik der EZB besonders ausgesetzt. Die positiven Auswirkungen des massiven von der EU genehmigten „Next Generation" Fonds und ähnlicher europäischen Beihilfepakete werden aber auch in den nächsten Jahren noch in der spanischen Wirtschaft spürbar sein. 
  
Vor allem kurz- und mittelfristig wird sich Spanien daher positiv entwickeln. Ein entscheidender Faktor für die weitere wirtschaftliche Entwicklung wird die Politik der aktuellen Linksregierung spielen sowie die Weichen, die sie stellt.  


[1] ​Quelle: Instituto Nacional de Estadísticas, INE​​
[2]Quelle: ​INE​

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