Erfolgreich investieren in Polen

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​​zuletzt aktualisiert am 7. Juni 2024 | Lesedauer ca. 6 Minuten


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Wie beurteilen Sie die derzeitige wirtschaftliche Situation in Polen?

Die Stagnation der Volkswirtschaften in unserer Region war auch in Polen spürbar. Im gesamten Jahr 2023 wuchs das polnische BIP nur um 0,2 Prozent, das ist das zweitschwächste Ergebnis der letzten 30 Jahre. Vor der Rezession haben uns vor allem Investitionen, aber auch das positive Ergebnis des Außenhandels bewahrt. Das ist auf einen leichten Anstieg der Exporte bei gleichzeitigem Rückgang der Importe zurückzuführen, was wiederum teilweise auf den Abbau der Lagerbestände zurückzuführen war.
  
Die durchschnittliche Inflationsrate lag im Jahr 2023 bei über 11,4 Prozent und das Ausmaß dieses Anstiegs war u.a. auf den Krieg in der Ukraine und den sich daraus ergebenden Anstieg der Gaspreise zurückzuführen.
  
Allerdings prognostizieren Experten, dass das Jahr 2024 aufgrund der erwarteten Belebung des Konsums eine deutliche Beschleunigung des Wirtschaftswachstums bringen wird. Mit einiger Verspätung, nämlich ab 2025, dürften sich auch die wirtschaftlichen Auswirkungen von Hilfsprogrammen bemerkbar machen, die im Rahmen des Nationale Aufbau- und Resilienzplan [poln. Krajowy Plan Odbudowy i Zwiększania Odporności (KPO)] finanziert werden, der kürzlich von der neuen Regierung wirksam freigegeben wurde.
  
Die starke Aufwertung des Zloty sowie der Anstieg der Preise polnischer Aktien und Anleihen waren auch auf die letztjährigen Parlamentswahlen zurückzuführen. Der Sieg der EU-freundlichen demokratischen Opposition hat das Vertrauen der europäischen Institutionen in die geplanten Reformen des Landes und damit auch in die konkreten Geldtransfers, die im Rahmen der Hilfsprogramme für Polen geleistet werden, gestärkt.
  
Obwohl die Anzahl der direkten Auslandsinvestitionen in Europa im letzten Jahr um 4 Prozent und die Anzahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze um 7 Prozent gesunken ist, gehört Polen im Vergleich zu anderen euro­päischen Ländern nach wie vor zu der Spitzengruppe der Leader in der Region, und die Bewertung Polens gemäß den Umfragen von Investoren ist gestiegen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass viele Investoren in den heutigen unsicheren Zeiten auf das Nearshoring und die Reorganisation ihrer Lieferketten setzen und ihre Investitionen in Länder verlegen, die ihnen in geographischer, politischer und kultureller Hinsicht nahe liegen. Bei vielen Investitionsentscheidungen wird jetzt die Vorhersehbarkeit und Stabilität mehr geschätzt als nur die geringeren Kosten. Infolge dieses Trends zog unser Land im Jahr 2023 229 direkte Auslandsinvestitionen an, was zwar einen Rückgang von 3 Prozent bedeutet, aber dieser geht mit dem Anstieg der neu geschaffenen Arbeitsplätze um sage und schreibe 21 Prozent im Vergleich zum Vorjahr einher.
   

Wie würden Sie das Investitionsklima in Polen beschreiben? Welche Sektoren haben das größte Potenzial?

Polen verzeichnet weiterhin eine hohe Kennzahl der Auslandsinvestitionen, und das Investitionsklima hat sich nach den letztjährigen Parlamentswahlen deutlich verbessert –​ der stetige Zufluss von neuem ausländischem Kapital wird gefördert. Erwähnenswert ist, dass Polen ein großer Binnenmarkt ist – ca. 38 Millionen Verbraucher, mit einfachem Zugang zum Markt der Europäischen Union. Die Gehälter und Grundstückspreise in Polen sind für Investoren im Vergleich zu anderen europäischen Ländern immer noch attraktiv. Deshalb ist Polens führende Position bei Greenfield-Investitionen in der Region Mittel- und Osteuropa weiterhin stabil.
  
Das Investitionsklima in Polen wird sicherlich bis zu einem gewissen Grad von der allgemeinen wirtschaftlichen Unsicherheit in Europa und weltweit beeinflusst werden, die auf externe Faktoren wie den Krieg in der Ukraine und die daraus resultierenden Wirtschaftssanktionen zurückzuführen ist. Wir beobachten, dass die Unter­nehmen ihre Tätigkeit aus Russland, der Ukraine oder dem Belarus verschieben. Ein Teil davon wird nach Polen verlagert. Die derzeitige geopolitische Lage wird auch verstärkte Investitionen in bestimmten Bereichen zur Folge haben, insbesondere im Energiesektor – neue Infrastrukturen werden benötigt, um Energie aus neuen, auch umweltfreundlicheren Quellen zu gewinnen. Andere Bereiche, die sich dynamisch entwickeln dürften, sind neue Technologien und Cybersicherheit.
  
In der heutigen Welt nach der Pandemie, in der die künstliche Intelligenz immer häufiger im Alltag genutzt wird, werden die Investoren den menschlichen Faktor so weitgehend wie möglich durch neue Technologien ersetzen wollen. Eben hier liegt das größte Marktpotential. Die Konkurrenzfähigkeit auf dem Gebiet der Digitalisierung wird ein wesentlicher Faktor bei Investitionsentscheidungen sein. Der Trend zu Investitionen, die den Klima­wandel bekämpfen und Energieeffizienz fördern sollen – es handelt sich um erneuerbare Energien – setzt sich fort. 
  
Ein Mehrwert für Investoren in Polen sind zweifelsohne die staatlichen Beihilfen, die von Unternehmen aus den meisten Branchen beantragt werden können. Investoren, die Investitionsprojekte im Rahmen der Polnischen Investitionszone in ganz Polen umsetzen, können mit einer Ertragssteuerbefreiung von sogar bis zu 15 Jahren rechnen. Die Höhe der Steuerbefreiung wird als Produkt aus der Summe der Investitionsaufwendungen oder der zweijährigen Arbeitskosten und dem Koeffizienten der Intensität der Regionalbeihilfe für den betreffenden Standort berechnet. Die niedrigsten förderfähigen Investitionsaufwendungen hängen jedoch von der Arbeitslosenquote in der Investitionsregion und dem Status des Unternehmens (klein, mittel oder groß) ab.
Deshalb sind in diesem Fall kleine und mittlere Unternehmen besonders privilegiert. Von dieser Form der Förderung machen immer häufiger auch Unternehmen Gebrauch, die in Polen sog. Shared Services Centers eröffnen.
  
Eine andere attraktive Form der Förderung für Investoren, die Investitionen von Schlüsselbedeutung für die polnische Wirtschaft umsetzen, ist der sog. Regierungszuschuss.
  
Unabhängig davon soll Polen ein großer Begünstigter der Förderung aus EU-Mitteln, mit der in diesem Jahr begonnen wurde, werden. Es handelt sich um einen Betrag von ca. 76 Mrd. Euro für die Jahre 2021 bis 2027, wovon ein Teil für die Projekte von Unternehmen gewährt werden wird. In Polen werden vor allem folgende Bereiche gefördert werden: Innovation, Unternehmergeist, Infrastruktur, Umweltschutz, Energetik, Bildung und soziale Angelegenheiten. Die Unternehmen können mit Zuschüssen und Darlehen zu Präferenzbedingungen für Forschung und Entwicklung, Investitionen in ökologische Veränderungen, darunter den Übergang zu erneuer­baren Energien, sowie die Einführung von Innovation oder Digitalisierung rechnen.
   

Welchen Herausforderungen sehen sich deutsche Unternehmen bei ihren geschäftlichen Unternehmungen in Polen gegenüber?

Die größte Herausforderung, der sich deutsche Unternehmen gegenübersehen, ist das polnische Steuerrecht mit seinen ständigen Novellierungen. Die Aufnahme von Investitionen in Polen ist bereits ganz am Anfang mit einigen Entscheidungen verbunden, die weitreichende Folgen haben, z.B. mit der Wahl der am besten geeigneten Rechtsform. Diese legt die späteren Steuerfolgen und den Umfang der Verantwortlichkeit des Investors fest – durch das Körperschaftsteuergesetz wurde beispielsweise die Pflicht zur Besteuerung von Kommanditgesellschaften eingeführt, was zu einer Doppelbesteuerung der Gewinne, die vom Komplementär und den Kommanditisten erzielt werden, führt. Nicht leichter wird es für die Unternehmer auch durch die Novellierung der Abgabenordnung im Bereich der Zuständigkeit der Steuerbehörden für die Abrechnung der pauschalisierten Ertragssteuer (Quellensteuer), welche die Steuerzahler von Gebietsfremden erheben. 
  
Andererseits darf man auch nicht die vielen Anreize und Erleichterungen für Unternehmer vergessen, wie z.B. die Vorzugsbedingungen für Investitionstätigkeit oder die Möglichkeit zur Anwendung zweier alternativer Besteuerungsvarianten (estnische Körperschaftsteuer oder Investitions-Sonderfonds). 
   

Polen ist unter Deutschlands Handelspartnern mit Abstand der größte in Osteuropa und der fünftgrößte weltweit. Welche Chancen eröffnet dies für die polnisch-deutsche Zusammenarbeit?

Riesige. Zum ersten Mal haben wir eine so hohe Platzierung erreicht. Dabei haben wir sogar so große Volkswirtschaften wie Italien überholt, was davon zeugt, dass die Bedeutung Polens als Außenhandelspartner Deutschlands von Jahr zu Jahr wächst. Die polnischen Unternehmen sehen bereits Chancen zur Anknüpfung fester Kontakte mit dem deutschen KMU-Sektor. Dies eröffnet Entwicklungschancen für viele Wirtschafts­sektoren, wie z.B. Energie, digitale Technologien, Autoindustrie oder Pharmazie.  
   

Wie wird sich Polen Ihrer Ansicht nach entwickeln?

Nach einem Jahr mit einer gewissen wirtschaftlichen Stagnation sagen die Analysten für 2024 eine deutliche Erholung der Wirtschaft voraus - bis zu 3 Prozent (gegenüber 0,2 Prozent im letzten Jahr). Es wird erwartet, dass die Wachstumsrate der Investitionen zwischen 2024 und 2025 sogar noch höher sein wird als das BIP, da sie durch eine niedrigere Inflation und niedrigere Zinssätze als in den Vorjahren sowie durch die Freisetzung der dafür vorgesehenen EU-Mittel unterstützt wird.
  
Es gibt auch einige Veränderungen durch den Konflikt in der Ukraine – den Zustrom neuer Arbeitskräfte und die Verlagerung vieler Unternehmen aus dem Osten eben nach Polen. Darüber hinaus dürfte das kürzlich einge­führte hohe Budget für die Förderung Polens aus EU-Mitteln die Reform des Landes, größere und kleinere Investitionen im Energiesektor, insbesondere im Bereich der erneuerbaren Energien, erheblich beschleunigen und über die Finanzierung von Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten Innovationen im weitesten Sinne anziehen. Erneuerbare Energien und andere ökologische Investitionen, z. B. in emissionsarme Wasserstoff­produktionstechnologien, dürften deutlich an Bedeutung gewinnen. Optimistische Szenarien gehen von einer deutlichen Beschleunigung der Wirtschaftstätigkeit in manchen Sektoren aus, insbesondere in denjenigen, auf die die Europäische Union setzt, d. h. in den Bereichen Dekarbonisierung, Energie, Forschung und Entwicklung neuer Technologien, Digitalisierung, Robotisierung oder Cybersicherheit. 
  
Eine gute Nachricht für die Zukunft der polnischen Wirtschaft ist die Tatsache, dass die Manager großer Unternehmen immer größeren Wert auf die digitalen Kompetenzen der Bewerber legen; hier kann sich Polen einer soliden technischen Infrastruktur sowie großer Ressourcen an gut ausgebildeten und talentierten Ingenieuren, Informatikern und Technikern rühmen. Die beobachtete starke Zuwanderung aus der Ukraine kann sich ebenfalls positiv auf die Erhöhung des Arbeitskräfteangebots in Polen auswirken.
  
Die Herausforderung für die Regierenden wird zweifellos darin bestehen, die Inflation unter Kontrolle zu bringen und den Anstieg der Zinssätze zu stabilisieren, so dass das in den letzten Jahren trotz der vorüber­gehenden Rezession erreichte Wirtschaftswachstum erhalten bleibt. 

Wirtschaftliche Besonderheiten in Polen

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Renata Kabas-Komorniczak

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