Eigentümerversammlung während Corona-Pandemie

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veröffentlicht am 9.4.2024 | Lesedauer ca. 2​ Minuten

BGH, Urteil vom 08. März 2024, Az.: V ZR 80/23

Während der Pandemie gefasste Beschlüsse einer GdWE sind nicht nichtig, wenn die Eigentümer an der Versammlung nur durch Vollmacht teilgenommen haben. 

Die Verwalterin einer Gemeinschaft der Wohnungseigentümer lud die Eigentümer zu einer schriftlichen Eigentümerversammlung im Jahr 2020 ein und forderte die Eigentümer auf, ihr eine Vollmacht und ein Weisungsdokument zuzusenden. Fünf der vierundzwanzig Eigentümer schickten der Verwalterin auf Anfrage die Unterlagen. Die übrigen Eigentümer und zugleich Kläger kamen dieser Aufforderung nicht nach. Am Tag der Eigentümerversammlung war aufgrund der Infektionsvorschriften während der Corona-Pandemie nur die Verwalterin anwesend. Die Verwalterin übermittelte den Eigentümern nach der Versammlung ein Protokoll über die gefassten Beschlüsse und teilte zugleich mit, dass die Wohnungseigentümer bei der allein von ihr abgehaltenen Versammlung aufgrund erteilter Vollmachten vertreten waren. Die Kläger wenden sich gegen diese gefassten Beschlüsse. 

Der BGH verneinte die Nichtigkeit der Beschlüsse. Angelegenheiten, über die die Wohnungseigentümer durch Beschluss entscheiden können, werden grundsätzlich durch Beschlussfassung in einer Eigentümerversammlung festgelegt. Damit die Eigentümer ihr mit dem Wohnungseigentum verbundenes Teilnahme- und Mitwirkungsrecht ausüben können, müssen sie in der Versammlung persönlich anwesend sein. Eine Eigentümerversammlung ohne Teilnahme in Präsenz ist gesetzlich nicht vorgesehen. Eine sog. Vertreterversammlung ist nur dann zulässig, wenn alle Eigentümer eingewilligt und den Verwalter zur Teilnahme und Stimmabgabe bevollmächtigt haben. Hier hatten jedoch nur fünf Eigentümer eine solche Vollmacht erteilt. Mangels Zustimmung aller Eigentümer hätte die Versammlung daher in Präsenz stattfinden müssen. Dass aufgrund der Corona-Pandemie Eigentümerversammlungen verboten waren, ändert zunächst nichts daran, dass die WEG-rechtlichen Vorgaben für die Abhaltung der Eigentümerversammlung eingehalten werden mussten. Nichtsdestotrotz entschied der BGH, dass während der Corona-Pandemie gefasste Beschlüsse der Gemeinschaft nicht schon deshalb nichtig sind, weil die Eigentümer an der Versammlung nur durch Erteilung einer Vollmacht an den Verwalter teilnehmen konnten. Dies führt lediglich zu einer Anfechtbarkeit, jedoch nicht zu einer Nichtigkeit gefasster Beschlüsse. Denn ein Beschluss ist nichtig, wenn er gegen eine Rechtsvorschrift verstößt, auf deren Einhaltung rechtswirksam nicht verzichtet werden kann. Nach Ansicht des BGH liegt hier nur eine Verletzung der Individualrechte beim Zustandekommen der Beschlüsse vor. Bei der Beschlussfassung ist das Teilnahme- und Mitwirkungsrecht verzichtbar. Die Eigentümer sind grundsätzlich weder zur Teilnahme an der Versammlung noch zur Mitwirkung an der Willensbildung verpflichtet. Jedenfalls während der Corona-Pandemie begangene Verstöße gegen die Formvorschriften für Eigentümerversammlungen führen nicht zur Nichtigkeit der Beschlüsse, weil die Abhaltung einer echten Eigentümerversammlung unter Einhaltung der Formvorschriften zum maßgeblichen Zeitpunkt pandemiebedingt unmöglich war. Die Verwalterin stand zum maßgeblichen Zeitpunkt vor dem Dilemma, entweder das Wohnungseigentumsrecht oder das Infektionsschutzrecht zu missachten. Daher erfolgte nach Ansicht des BGH die Durchführung der streitgegenständlichen Eigentümerversammlung in dieser Ausnahmesituation regelmäßig. 

Fazit:

Das Urteil des BGH zeigt, dass stets zwischen Anfechtbarkeit und Nichtigkeit der Beschlüsse unterschieden werden muss. Eine Nichtigkeit kann nach dem BGH beispielsweise dann angenommen werden, wenn der Beschluss in den Kernbereich des Wohnungseigentums eingreift, wozu unter anderem unentziehbare und unverzichtbare Individualrechte gehören. Übrigens befasst sich der Bundestag derzeit mit einem Gesetzesentwurf zur Zulassung virtueller Eigentümerversammlungen.





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