Notwegerecht: Nur unter den Voraussetzungen des § 917 BGB!

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veröffentlicht am  19.07.2022 | Lesedauer ca. 2 Minuten

BGH Urteil vom 06. Mai 2022, Az.: V ZR 50/21

Ein Notwegerecht kann weder aus dem nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis, noch aus dem in § 226 BGB normierten Schikaneverbot hergeleitet werden.


Die streitenden Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke. Das Grundstück des Klägers ist mit einem Vierseithof, also einem Innenhof, der von allen vier Seiten mit einem Gebäude umgeben ist, bebaut. Eine öffentliche Straße endet unmittelbar an dem Grundstück der Kläger. Die anderen Seiten sind von Grundstücken und Bachläufen umfasst. Der Zugang zu dem Innenhof verlief in einer drei Meter breiten Bebauungslücke zwischen dem Wohnhaus und einem Wirtschaftsgebäude. Im Jahr 2019 errichtete der Beklagte auf seinem Grundstück eine Betonmauer mit Einzäunung und verringerte so die Breite der Durchfahrt zum Grundstück der Kläger auf 1,66 Meter. Eine Zufahrt auf das Grundstück der Kläger ist mit mehrspurigen Fahrzeugen nicht mehr möglich. Die Kläger verlangen von dem Beklagten den Rückbau der Mauer auf eine Durchfahrtsbreite von 2,60 Metern.


Nach Ansicht des BGH steht den Klägern kein Anspruch auf Beseitigung der Betonmauer aus § 1004 BGB zu. Grundsätzlich kann das Eigentum der Kläger beeinträchtigt sein, obwohl der Beklagte die Mauer auf seinem Grundstück errichtet hat, wenn diese durch die Mauer an der Ausübung eines ihnen zustehenden Notwegrechts gehindert sind. Denn das Notwegrecht zählt zum Inhalt des Eigentums an dem zugangslosen Grundstück. Voraussetzung für ein Notwegerecht nach § 917 Absatz 1 BGB ist, dass einem Grundstück die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Weg fehlt. Angesichts der Schwere des Eingriffs, den ein Notweg für das Eigentum des Nachbarn bedeutet, kommt ein Notwegerecht nur in Betracht, wenn die Zugangslosigkeit des Grundstücks nicht anderweitig behoben werden kann. Daher scheidet ein Notwegrecht aus, wenn der Grundstückseigentümer in zumutbarer anderer Weise eine Verbindung zu dem öffentlichen Weg herstellen kann. Die Schaffung einer alternativen Zufahrtsmöglichkeit war aufgrund des erheblichen technischen Aufwands und den hierfür erforderlichen Kosten für die Kläger unzumutbar.


Entgegen der Entscheidung des Berufungsgerichts ist der BGH jedoch der Auffassung, dass eine Auffahrt für die ordnungsgemäße Nutzung des Grundstücks nicht erforderlich ist. Dabei zu berücksichtigen sind Benutzungsart, Größe, Umgebung und sonstigen Umstände des Einzelfalles, wobei Gesichtspunkte der Bequemlichkeit und Zweckmäßigkeit ein Notwegerecht nicht rechtfertigen. Die besonderen baulichen Verhältnisse und die Lage im Ortskern einer fränkischen Gemeinde vermögen als solche die Notwendigkeit einer Zufahrt nicht zu begründen. Der Umstand, dass es sich um einen Vierseithof handelt, besagt noch nichts darüber, ob und weshalb der Eingangsbereich des Wohnhauses nicht in zumutbarer Weise von der öffentlichen Straße aus erreicht werden kann. Dies kann aber bei einer gewerblichen Nutzung, bzw. bei einer konkreten Begründung, warum die Kläger auf eine breite Zufahrt angewiesen sind, anders beurteilt werden.


§ 917 BGB enthält für nicht durch dingliche Rechte oder schuldrechtliche Verträge begründeten Wegerechte eine abschließende Regelung. Sind ihre Voraussetzungen nicht erfüllt, können sie damit entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch weder mit Hilfe des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses, noch gestützt auf das Schikaneverbot des § 226 BGB umgangen oder erweitert werden.

 

Fazit:

Ein Notwegerecht kann sich ohne schuldrechtliche Vereinbarung oder dingliche Bestellung nur unter den strengen Voraussetzungen des § 917 BGB ergeben. Um Rechtssicherheit zu schaffen, ist daher die schuldrechtlichen Vereinbarung eines Wegerechts und dessen dingliche Sicherung anzustreben.


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