Grunderwerbsteuer bei Erwerb eines Erbbaugrundstücks durch den Erbbauberechtigten

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Die aktuelle Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 6. Mai 2015 (Az. II R 18/14) befasst sich mit den grunderwerbsteuerlichen Folgen beim Kauf eines erbbaurechtsbelasteten Grundstücks durch den Erbbauberechtigten (oder Dritten), die in der Praxis von Bedeutung sein dürfte.
 
Der Kläger und seine Eltern haben am 12. Dezember 1997 mit einer Kapitalgesellschaft (GmbH) einen Vertrag über die Bestellung eines Erbbaurechts an dem Grundstück der Kapitalgesellschaft auf die Dauer von 66 Jahren geschlossen. Dieses Erbbaurecht stand sowohl dem Kläger als auch seinen Eltern zu jeweils einem Drittel zu. Ebenso wurde ein jährlicher Erbbauzins vereinbart. Mit weiterer Vereinbarung vom 11. Dezember 2007 mit allen drei Parteien verkaufte die Kapitalgesellschaft das Erbbaugrundstück an den Kläger zu einem Kaufpreis von 235.000 Euro. Zugleich vereinbarten die Beteiligten die Aufhebung des Erbbaurechts an dem Grundstück. Gegen den vom zuständigen Finanzamt erlassenen Bescheid für den Grundstückskauf, der den vereinbarten Kaufpreis in voller Höhe der Grunderwerbsteuer unterwarf, legte der Kläger nach erfolglosem Einspruch Klage beim Finanzgericht Berlin-Brandenburg ein. Das Gericht reduzierte die Grunderwerbsteuer und führte als Begründung aus, dass das Finanzamt zu Unrecht den gesamten Kaufpreis der Grunderwerbsteuer zugrunde gelegt habe. Der mit dem Erbbaugrundstück verbundene Erbbauzinsanspruch unterliegt nämlich nicht der Grunderwerbsteuer, sodass der Kaufpreis gemäß der sogenannten „Boruttau’schen Formel” in einen auf das Grundstück entfallenden, der Grunderwerbsteuer unterliegenden Teil und in einen auf den kapitalisierten Erbbauzinsanspruch entfallenden, nicht der Grunderwerbsteuer unterliegenden Teil aufzuteilen wäre. Das zuständige Finanzamt hat gegen dieses Urteil Revision beim BFH eingelegt. Der Kläger vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass das Finanzgericht den Kaufpreis zu Unrecht nach der Boruttau’schen Formel ermittelt hat. Vielmehr hätte der Kapitalwert des Erbbauzinsanspruchs in Höhe von circa 294.951 Euro von dem vereinbarten Kaufpreis (235.000 Euro) abgezogen werden müssen, sodass sich keine Grunderwerbsteuerbelastung ergibt.
 
Der BFH hat die Revision des Finanzamts als unbegründet zurückgewiesen und dem Finanzgericht insoweit Recht gegeben, dass der Kaufpreis, soweit er auf den Kapitalwert des Erbbauzinsanspruchs entfällt, nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt. Im Einklang mit der gesetzlichen Regelung gemäß § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 GrEStG handelt es sich bei dem Erbbauzinsanspruch, obwohl er bürgerlich/rechtlich Bestandteil des Grundstücks ist, um eine bloße Geldforderung, deren Erwerb keinen Grundstücksumsatz darstellt und insofern nicht der Grunderwerbsteuer unterliegen kann. Die Absicht des Käufers, das Erbbaurecht aufzuheben, berührt nach Ansicht des BFH ausschließlich seine Privatsphäre und kann daher die Höhe der Grunderwerbsteuer, die auch der Veräußerer schuldet, nicht beeinflussen. Diese Sichtweise teilt auch unter anderem das Bayerische Staatsministerium der Finanzen im Einvernehmen mit den obersten Finanzbehörden der anderen Länder (Schreiben vom 18. Juli 2008), nach dem der mit dem Grundstückserwerb verbundene Erwerb des Erbbauzinsanspruchs nicht der Grunderwerbsteuer unterliegt, wenn ein Erbbauberechtigter oder ein Dritter das mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück erwirbt.
 
Der BFH betont ausdrücklich, dass dieses Urteil nicht seiner abweichenden Beurteilung in seiner Entscheidung vom 11. Juni 2013 (Az. II R 30/11) widerspricht. Darin ging es um einen Grundstückserwerber, der in einem Erwerbsvorgang sowohl das erbbauberechtigte Grundstück als auch das vorhandene Erbbaurecht erworben hat und bereits im Erwerbszeitpunkt die Aufhebung des Erbbaurechts beabsichtigte. Der BFH vertrat die Ansicht, dass bereits der Erwerbsvorgang von vornherein darauf gerichtet war, dass der Käufer im Ergebnis das nicht mehr mit dem Erbbaurecht belastete Grundstück erwerben wollte. Insofern wurde der vereinbarte Kaufpreis für das Grundstück und das Erbbaubaurecht in vollem Umfang der Grunderwerbsteuer unterworfen. Eine Aufteilung des Kaufpreises gemäß der Boruttau’schen Formel wurde nicht gewährt. Der Käufer hatte somit im Ergebnis die Grunderwerbsteuer zu zahlen, die angefallen wäre, wenn das Erbbaurecht vor dem Grundstücksverkauf durch den Verkäufer aufgehoben worden wäre, sodass der Kaufpreis dem Erwerb eines unbelasteten Grundstücks entsprach. Ausdrücklich betont der erkennende Senat, dass diese besondere Fallgestaltung, die dem Urteil aus dem Jahre 2013 zugrunde lag, nicht auf den hier vorliegenden Streitfall übertragen werden kann.
 
Im Ergebnis bleibt es dabei, dass im Streitfall, in dem das Erbbaugrundstück durch den Erbbauberechtigten erworben wird, das in die grunderwerbsteuerliche Bemessungsgrundlage nur solche Gegenleistungen einfließen, die für den Erwerb des Grundstücks aufgewendet wurden. Zwar haben die Vertragsparteien ebenfalls die Aufhebung des Erbbaurechts an dem Grundstück im Rahmen des Erwerbsvorgangs vereinbart, allerdings wurde das Erbbaurecht bereits zeitlich vor dem stattfindenden Grundstückserwerb vereinbart.
 
Allerdings sieht der BFH – im Gegensatz zum Finanzgericht – keine Notwendigkeit mehr, den Kaufpreis nach der Boruttau’schen Formel aufzuteilen und hält insofern an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht länger fest (Änderung der Rechtsprechung). Zwar bestätigt er, dass in dem Fall, in dem der Erwerb eines Grundstücks, dessen Kaufpreis nur teilweise als Entgelt der Grunderwerbsteuer unterliegt, die Gesamtgegenleistung im Regelfall nach der Boruttau’schen Formel aufzuteilen ist. Diese Verhältnisrechnung braucht aber ausnahmsweise dann nicht vorgenommen werden, wenn Gegenstand eines Erwerbsvorgangs ein Grundstück und eine Geldforderung sind. In diesen Fällen reicht es grundsätzlich aus in Höhe der erworbenen Geldforderung einen Abzug von der vereinbarten Gesamtleistung vorzunehmen, weil Kapitalforderungen im Regelfall mit dem Nennwert anzusetzen sind. Da der Erwerb eines Erbbauzinsanspruchs eine solche Geldforderung darstellt, kann dieser Kapitalwert unmittelbar vom Kaufpreis abgezogen werden. Somit erübrigt sich eine eigenständige, ohne Berücksichtigung dieses Anspruchs notwendige Ermittlung des gemeinen Werts des erbbauberechtigten Grundstücks gemäß der Boruttau’schen Formel. Da im Streitfall der Kapitalwert des Erbbauzinsanspruchs (circa 294.951 Euro) höher ist als der vereinbarte Kaufpreis (235.000 Euro), ist die Grunderwerbsteuer im Ergebnis auf 0 Euro festzusetzen.
 
Die vorstehende Entscheidung ist beim Erwerb eines mit einem Erbbaurecht belasteten Grundstücks von Interesse. Insbesondere in den Fällen, in denen zugleich auch das zugehörige Erbbaurecht erworben werden soll, geben sowohl die vorstehende Entscheidung als auch das angeführte BFH-Urteil vom 11. Juni 2013 Hinweise dazu, wie ein grunderwerbsteuerlich optimaler Erwerb von Erbbaurecht und Erbbaugrundstück strukturiert werden sollte.

Fonds-Brief direkt 9. Juli 2015

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Frank Dißmann

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