BGH entscheidet zur Berechnung der Forderung eines Anlegers, der seine Einlage in einem in Form eines Schneeballsystems betriebenen Einlagenpool verloren hat

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Der BGH hat mit Urteil vom 10. April 2014 (Az. IX ZR 176/13) über die Frage entschieden, wie die Forderung eines Anlegers, der seine Einlage in einem in Form eines Schneeballsystems betriebenen Einlagenpool verloren hat, zu berechnen ist.
 
Im konkreten Fall hatte sich die Klägerin als Anlegerin mit einer Summe von rund 15.000 Euro an einem Einlagenpool beteiligt, bei dem die Anleger am Erfolg bzw. Nichterfolg von Optionsgeschäften teilhaben sollten. Derartige Optionsgeschäfte wurden allerdings im Verhältnis zu den Einlagen der Anleger nur in geringem Umfang betrieben. Vielmehr wurden die Gelder überwiegend dazu verwendet, um auf Grundlage gefälschter Unterlagen an bereits vorhandene Anleger tatsächlich nicht vorhandene Gewinne auszuzahlen bzw. sonstige Geschäftskosten zu bezahlen. In diesem Rahmen erhielt auch die Klägerin derartige Scheingewinne in Höhe von etwa 13.000 Euro ausbezahlt. Nachdem über den Einlagenpool das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, machte die Klägerin die Differenz zwischen ihrer Einlage und der Auszahlung, das heißt rund 2.500 Euro als Insolvenzforderung geltend und beantragte, diese Forderung zur Tabelle festzustellen. Der beklagte Insolvenzverwalter war diesem Antrag entgegengetreten, weil sich nach seiner Auffassung die Klägerin vertraglich vereinbarte Verwaltungsprovisionen sowie anteilige Handelsverluste des Einlagenpools anrechnen lassen müsse.
 
Der BGH entschied zugunsten der Klägerin. Dieser stehe eine Insolvenzforderung in Höhe der Differenz zwischen ihrer Einlage und den zugehörigen Rückzahlungen zu. Unter Verweis auf frühere Entscheidungen führt das Gericht aus, dass sich die Klägerin weder Verluste aus den Anlagegeschäften des Einlagenpools noch zugehörige Verwaltungsgebühren anrechnen lassen müsse. Zwar seien sowohl Verwaltungskosten als auch eine Verlustbeteiligung vertraglich vereinbart worden, jedoch dürften diese Positionen im vorliegenden Fall nicht zu Lasten der Klägerin zum Ansatz gebracht werden.
 
Gegenstand des (Anlage-)Vertrags mit der Klägerin sei die Chance gewesen, durch die versprochenen Optionsgeschäfte Gewinne zu erzielen. Diese Chance wurde der Klägerin genommen, „weil die versprochenen Geschäfte überwiegend gar nicht erst getätigt worden sind”. Eine Verrechnung von anteiligen Verlusten aus diesen nur in geringem Umfang ausgeführten Anlagegeschäften verstoße in derartigen Konstellationen gegen den Grundsatz von Treu und Glauben. Gleichermaßen seien Ansprüche auf Zahlung von Verwaltungsgebühren verwirkt, da durch unredliches Verhalten auf schwerwiegende Weise vertragliche Treupflichten verletzt wurden.
 
Nach Auffassung des BGH hat vorliegend grundsätzlich jeder Anleger, dem gegenüber derartige Vertragsverletzungen vorgenommen wurden, einen Anspruch auf Rückzahlung seiner Einlage abzüglich solcher Rückzahlungen, die noch vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gezahlt wurden. Im Einzelfall ist jedoch zu beachten, dass es innerhalb der Anleger zu Ungleichbehandlungen aufgrund der Vorschriften des Insolvenzrechts kommen kann. Anleger, denen gegenüber – wie hier der Klägerin – Rückzahlungen geleistet wurden, die wegen Zeitablaufs nicht durch Anfechtung zur Insolvenzmasse gezogen werden können, werden gegebenenfalls im Verhältnis zu denjenigen Anlegern bevorzugt, deren Rückzahlungsanspruch noch offen ist. Letztere erhalten im Ergebnis nur die Quote.

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Sebastian Schüßler

Rechtsanwalt, Leiter Taskforce Digitale Transformation Geschäftsfeld Rechtsberatung

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