Beschlusserfordernis für bauliche Vorhaben – Auf diese BGH-Rechtsprechungsänderung müssen Sie als Wohnungseigentümer achten!

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​veröffentlicht am 2. Mai 2023




Nicht zu selten sorgen Bauvorhaben in Wohnungseigentümergemeinschaften für Streitigkeiten untereinander. Seit der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG), die zum 1.12.2020 umgesetzt wurde, gelten für die Beschlussfassung neue Regeln. Mit einem ersten Urteil konkretisierte der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt in seiner neuen Entscheidung vom 17.3.2023, V ZR 140/22 das reformierte Gesetz. Künftig müssen demnach Wohnungseigentümer, die eine bauliche Veränderung am Gemeinschaftseigentum vornehmen wollen, – selbst bei bestehendem Gestattungsanspruch – einen WEG-Beschluss herbeiführen. Wir bringen Ihnen hiermit die Sichtweise der Karlsruher Richter einmal nahe:


Ausgangslage: Bauliche Veränderung ohne Zustimmung  

Die Entscheidung des BGHs betrifft eine Wohnungseigentümergemeinschaft aus Bremen, bestehend aus den Eigentümern zweier Doppelhaushälften, die auf einem im Gemeinschaftseigentum befindlichen Grundstück stehen. Nach der aus dem Jahr 1971 stammenden Teilungserklärung stand jedem Wohnungseigentümer ein Sondernutzungsrecht an dem sich an die jeweilige Haushälfte anschließenden Gartenteil zu. Insoweit war für Reparaturen und Instandhaltungen der jeweils Berechtigte alleinverantwortlich und kostentragungspflichtig. Im Übrigen sollte sich das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander nach den gesetzlichen Regelungen richten. Die Eigentümer einer Einheit begannen, in ihrem Gartenteil einen Swimmingpool zu bauen. Allerdings erfolgte der Bau ohne die Zustimmung der Eigentümerin der anderen Doppelhaushälfte. Aus diesem Grund verklagte diese die bauwillige Eigentümerin auf Unterlassung. Diese Unterlassungsklage hatte über drei Instanzen Erfolg. 

Grundsatz: Beschlusserfordernis für bauliche Veränderung am Gemeinschaftseigentum 

Im Ergebnis hat der BGH entschieden, dass der klagenden Eigentümerin ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zusteht. Bauliche Veränderungen müssen grundsätzlich gemäß § 20 Abs. 1 WEG durch einen Beschluss der Wohnungseigentümer gestattet werden. Der BGH stützt seine Entscheidung maßgeblich auf die am 1.12.2020 in Kraft getretene Neufassung des § 20 WEG:

§ 20 Abs. 1 WEG sieht ausdrücklich vor, dass Maßnahmen, die über die ordnungsgemäße Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums hinausgehen, beschlossen oder aber einem Wohnungseigentümer durch Beschluss gestattet werden können. Insofern besteht die Möglichkeit, bauliche Veränderungen grundsätzlich mit einfacher Stimmenmehrheit zu beschließen.

Der reformierte § 20 WEG schreibt damit vor, dass jede bauliche Veränderung des Gemeinschaftseigentums grundsätzlich einer Beschlussfassung der Wohnungseigentümer bedarf, selbst wenn kein Wohnungseigentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt wird. 

Der Gesetzgeber hat der Wohnungseigentümergemeinschaft mit § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG allerdings die Option eingeräumt, vom WEG-Gesetz abweichende Regelungen zu treffen, soweit nicht etwas anderes ausdrücklich bestimmt ist. Im Ausgangsfall haben die Verfahrensbeteiligten das Erfordernis einer Beschlussfassung über bauliche Veränderungen auch nicht gemäß § 10 Abs. 1 Satz 2 WEG abbedungen. 

Sondernutzungsrecht berechtigt nicht zur baulichen Veränderung ohne Beschluss

Das sogenannte Sondernutzungsrecht ist die Befugnis des jeweiligen Wohnungseigentümers, innerhalb einer Wohnungseigentümergemeinschaft bestimmte Gebäudeteile und Flächen, die zum Gemeinschaftseigentum gehören, exklusiv zu nutzen und andere Wohnungseigentümer von der Nutzungsmöglichkeit der entsprechenden Flächen auszuschließen. Ohne konkrete Vereinbarung ist es dem konkreten Sondernutzungs-
berechtigten jedoch nicht gestattet, bauliche Veränderungen ohne die Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer durchzuführen. Die Karlsruher Richter haben im Ausgangsfall richtig erkannt, dass der Bau eines Swimmingpools über die übliche Nutzung einer Sondernutzungsfläche deutlich hinausgehe und auch nicht durch die in der Teilungserklärung vereinbarte Reparatur- und Instandsetzungsklausel gedeckt sei.

Gestattungsanspruch des bauwilligen Wohnungseigentümers 

Grundsätzlich kann jeder bauwillige Wohnungseigentümer gemäß § 20 Abs. 3 WEG von der Wohnungseigentümergemeinschaft verlangen, dass ihm sein Bauvorhaben am Gemeinschaftseigentum gestattet wird. Das setzt das Einverständnis aller Wohnungseigentümer voraus, deren Rechte durch die bauliche Veränderung über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigt werden.

Im Ausgangsfall schloss der BGH einen eventuellen Gestattungsanspruch der bauwilligen Eigentümer nach § 20 Abs. 3 WEG auch nicht aus. Diesen möglichen Anspruch könnten die beklagten Eigentümer dem Unterlassungsanspruch der Eigentümerin der anderen Doppelhaushälfte allerdings nicht entgegenhalten, auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben.

Der BGH hat sich in dem Fall dahingehend positioniert, dass der Beschlusszwang für bauliche Veränderungen auch bei Bestehen eines Gestattungsanspruchs zu berücksichtigen sei. Nur so könne sichergestellt werden, dass die Wohnungseigentümer über alle baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums informiert werden.

Selbst für den Fall, dass die Wohnungseigentümergemeinschaft die Gestattung einer baulichen Veränderung trotz eines bestehenden Anspruchs verweigert, steht der berechtigte Eigentümer nicht erfolglos dar. Nach Entscheidung des BGHs kann dieser über eine „Beschlussersetzungsklage” vor Beginn der Baumaßnahme sein Recht durchsetzen. Ein Umweg, der aber aus Sicht der Karlsruher Richter keine bloße Förmelei darstellt. 

Fazit und Empfehlung 

Die Frage der Beschlusserfordernis für alle baulichen Veränderungen war vor der WEG-Reform zum 1.12.2020 äußerst umstritten. Dieser Diskussion hat der Gesetzgeber, und auch der BGH in seiner jüngsten Entscheidung, ein Ende gesetzt. Danach bedarf jede von einem einzelnen Wohnungseigentümer beabsichtigte bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums eines legitimierenden Beschlusses, auch wenn kein Wohnungseigentümer in rechtlich relevanter Weise beeinträchtigt wird. So wird sichergestellt, dass die Wohnungseigentümer über alle baulichen Veränderungen des Gemeinschaftseigentums informiert werden. Vorteil dieses nunmehr eindeutig geregelten Verfahrens ist außerdem, dass mit Bestandskraft eines gestattenden Beschlusses zwischen den Wohnungseigentümern ebenso wie im Verhältnis zu deren Rechtsnachfolgern feststeht, dass die bauliche Veränderung zulässig ist. Möchten die Wohnungseigentümer allerdings weitestmögliche Selbstständigkeit, so empfiehlt es sich entsprechende Vereinbarungen zu treffen, die bauliche Maßnahmen am Gemeinschaftseigentum u. U. auch ohne vorherige Beschlussfassung der Wohnungseigentümergemeinschaft gestatten. 




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Hilâl Özdemir

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Wirtschaftsjuristin (Univ. Bayreuth), Wirtschaftsmediatorin (MuCDR)

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