Verteilung des Selbstbehalts unter Wohnungseigentümern

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​veröffentlicht am 2. November 2022





Die Versicherungsgesellschaften kündigen (vertragsgemäß) zunehmend oft bestehende ältere Versicherungsverträge bei Inanspruchnahme der Versicherung anlässlich eines Schadens. Es ist dann zunehmend schwierig, eine neue Versicherungsgesellschaft zu finden, die das Gebäude in die Wohngebäudeversicherung aufnimmt. Regelmäßig gelingt das dann nur gegen Vereinbarung einer hohen Selbstbeteiligung im Schadensfall. Wenn nun ein Schaden in einer großen Eigentümergemeinschaft vorliegt, dieser sich aber nur bei einem Sondereigentümer zeigt und folglich auch nur diesem Sondereigentümer die Leistungen der Versicherung zufließen, stellt sich die Frage, wer die Selbstbeteiligung zu zahlen hat. Hierzu hat sich nun der BGH in seinem Urteil vom 16.9.2022 (V ZR 69/21) geäußert.


Ausgangslage 

Die Wohngebäudeversicherung schützt den Eigentümer eines Hauses vor den finanziellen Folgen eines Sachschadens. Versichert ist das gesamte Gebäude einschließlich aller fest eingebauten Gegenstände. In der Regel sind Schäden durch folgende Gefahren abgedeckt: Feuer, Blitzschlag, Explosion oder Implosion,  Sturm (ab Windstärke 8) und Hagel, Leitungswasser und Überspannung. 

Schäden am Gebäude werden in Wohnungseigentümergemeinschaften häufiger über die bestehende Versicherung abgewickelt als bei einem Einfamilienhaus. Das liegt unter anderem daran, dass die Schäden dort häufig höher als im Einfamilienhaus sind, weil größere Flächen betroffen sind. Man nehme dazu z. B. an, dass im zwölften Stockwerk eine Wasser-Strangleitung platzt und das austretende Wasser durch alle 12 Stockwerke fließt. Andererseits werden Versicherungsgesellschaften oft missbräuchlich oder überobligatorisch in Anspruch genommen. Denn es ist nicht untypisch, auch solche Schäden, die durch Abnutzung und Alterung entstanden sind, „irgendwie“ über die Versicherung abzuwickeln. Hierzu ist klar festzustellen, dass die Wohngebäudeversicherung keine Sanierungsversicherung ist. 

Die Versicherungsgesellschaften reagieren bei übermäßiger Inanspruchnahme zunehmend häufig mit genauer Prüfung, ob denn der Schaden tatsächlich plötzlich und unerwartet eintrat oder vielmehr auf eine unterlassene Wartung oder Sanierung der betroffenen schädigenden Anlage zurückzuführen ist. 

Der Fall des BGH 

So auch im Fall des BGH. Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer unterhält eine Gebäudeversicherung, die Leitungswasserschäden abdeckt. Der Versicherungsschutz bestand dabei für das gesamte Gebäude, ohne dass zwischen Sonder- und Gemeinschaftseigentum unterschieden wird. In den Wohnungen traten bereits wiederholt aufgrund mangelhafter Leitungen Wasserschäden auf, die allein im Jahr 2018 Kosten von rund 85.000 Euro verursachten. Die Verwalterin nahm die Versicherung in Anspruch und legte die Kosten der Schadensbeseitigung unter Abzug der Versicherungsleistung nach Miteigentumsanteilen auf die Mitglieder der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer um. Aufgrund der Schadenshäufigkeit in der Vergangenheit hatte die Versicherungsgesellschaft den Vertrag nur noch unter geänderten Bedingungen fortgesetzt und einen hohen Selbstbehalt in jedem Schadensfall in Höhe von 7.500 Euro vereinbart. Dies hat zur Folge, dass die Versicherung nur noch etwa 25 Prozent der tatsächlichen Schäden erstattet hat. Die Klägerin, die selbst in ihrer Wohnung noch keinen Schaden hatte, verlangte nun eine von der bisherigen Praxis abweichende Verteilung des Selbstbehalts. Sie wollte erreichen, dass sie nicht aufgrund des im Versicherungsvertrag vereinbarten Selbstbehalts anteilig an den Kosten für die Beseitigung von Leistungs- und Folgeschäden beteiligt wird.

Das Urteil des BGH 

Die Verteilung der nicht von der Versicherung gedeckten Kosten der Schadensbeseitigung und der Selbstbeteiligung beanstandet der BGH nicht, denn die derzeit praktizierte Verteilung des Selbstbehalts auf alle Einheiten nach dem Verhältnis der Miteigentumsanteile ist rechtmäßig. Allerdings weist der BGH auch darauf hin, dass es in der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer  abweichende Vereinbarungen oder Beschlüsse – auch zukünftige – geben kann. Ohne eine solche Vereinbarung oder einen abweichenden Kostentragungsbeschluss kommt eine abweichende Beurteilung nur in Betracht, wenn ein Festhalten an der geltenden Regelung aus schwerwiegenden Gründen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Rechte und Interessen der anderen Wohnungseigentümer, unbillig erscheine. Dazu war bislang nichts vorgetragen, sodass der BGH die Entscheidung an das Berufungsgericht zurückgab. 

Der BGH führt aus, dass ein in der Gebäudeversicherung vereinbarter Selbstbehalt, wie die Versicherungsprämie selbst nach dem gesetzlichen bzw. vereinbarten Verteilungsschlüssel zu verteilen ist. Dies gilt unabhängig davon, ob der Leitungswasserschaden am gemeinschaftlichen Eigentum oder – ausschließlich oder teilweise – am Sondereigentum entstanden ist. Bei wertender Betrachtung stellt der von der Versicherungsleistung in Abzug gebrachte Selbstbehalt ebenso wie die Versicherungsprämie einen Teil der Gemeinschaftskosten im Sinne von § 16 Abs. 2 Abs. 2 Satz 1 WEG dar.

Ausblick für den Verwalter

Für den Verwalter bedeutet das, dass er sich streng am Solidaritätsgedanken als Ausgangspunkt orientieren muss. Nachdem aber der BGH abweichende Regelungen für zulässig hält, muss der Verwalter sorgfältig prüfen, ob es diese in der von ihm verwalteten Gemeinschaft gibt. Eine solche Regelung ist die in vielen Teilungserklärungen beinhaltete Bildung von Untergemeinschaften. Die Kosten sind dann nur auf diese Teilmenge der Wohnungseigentümer zu verteilen. Eine solche abweichende Regelung kann aber auch in einem Beschluss über eine Änderung des Kostenverteilungsschlüssels in Bezug auf den Selbstbehalt bestehen. Gegebenenfalls ist es in Wohnungseigentumsanlagen auch ratsam, solche Beschlüsse nunmehr zu fassen. Jedenfalls aber erspart die Entscheidung des BGH weitere Ermittlungen und quotale Berechnungen, ob und inwieweit Schäden am gemeinschaftlichen Eigentum und/oder Sondereigentum (einer oder mehrerer Einheiten) aufgetreten sind oder nicht, was ein großer Vorteil für die Verwalter ist. 

Ausblick für die Wohnungseigentümer

Es genügt an sich ein Mehrheitsbeschluss gem. § 16 II 2 WEG im Rahmen einer fehlerfreien Ermessensausübung anhand der Grundsätze einer ordnungsgemäßen Verwaltung (§ 18 II WEG), um eine abweichende Kostenverteilung zu erreichen. Das sollten alle betroffenen Wohnungseigentümer beschließen lassen. Denn gibt es eine solche Beschlusslage nicht, gelingt eine abweichende Betrachtung nur im Einzelfall: nämlich dann, wenn es gelingt, eine unbillige Belastung der schadenlosen Beteiligten nachzuweisen. Das kann dann gegeneben sein, wenn das Auftreten der häufigen Leitungswasserschäden in den Wohnungen auf baulichen Unterschieden des Leitungsnetzes beruhen sollte.

Ausblick für die Gemeinschaft

Im Ausnahmefall steht der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ein Schadensersatzanspruch gegen den schädigenden Wohnungseigentümer dann zu, wenn er schuldhaft versäumt haben sollte, sein in seinem Sondereigentum stehendes Leistungsnetz rechtzeitig zu sanieren. Zum Austausch maroder Leitungen kann ein Miteigentümer auch von der Gemeinschaft aufgefordert und notfalls gerichtlich gezwungen werden.


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Andreas Griebel

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht

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