Fremdfirmenkoordination – Wann und in welchen Fällen ist sie gefordert?

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​veröffentlicht am 1. August 2022

 

 

 

In unserer täglichen Beratungspraxis zu Prüfung und Aufbau rechtssicherer Arbeitsschutzorganisationen erleben wir in zahlreichen Organisationen immer wieder ein falsch entwickeltes Verständnis und darauf aufbauende Prozesse in der Schnittstelle zu beauftragten Fremdfirmen, allen voran in der Funktion und Aufgabenstellung des sogenannten Fremdfirmenkoordinators – eine Funktion, die der Gesetzgeber im Gegensatz zu vielen anderen Betriebsbeauftragten weder fordert noch benennt und definiert. Dennoch finden sich zahlreiche Qualifizierungs- und Schulungsangebote sowie Bestellungsurkunden und Fachartikel für und über Fremdfirmenkoordinatoren, die teilweise leider auch die gesetzlichen Anforderungen falsch anwenden. Grundsätzlich hat die Rolle des „Fremdfirmenkoordinators” durchaus seine Berechtigung, doch sollten sowohl die Aufgabenstellung des Koordinators als auch die zu koordinierenden Arbeiten in der Schnittstelle zu beauftragten Fremdfirmen klar geregelt sein – denn nicht jede Fremdfirma muss tatsächlich auch koordiniert werden.
 

 

Verantwortung für den Arbeitsschutz von Fremdfirmen

Wie bereits in unserem Artikel „Pflichten des Auftraggebers im Arbeitsschutz” (Fokus Immobilien, Ausgabe August 2014) ausgeführt, trägt in erster Linie der jeweilige Arbeitgeber gemäß Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) bzw. der jeweilige Unternehmer gemäß der Unfallverhütungsvorschriften (DGUV Vorschriften) selbst die Verantwortung für die Sicherheit und Gesundheit der jeweiligen Beschäftigten, d. h. sowohl der Auftraggeber wie auch der Auftragnehmer, denn dieser bleibt auch dann in der eigenständigen Verantwortung, wenn seine Beschäftigten im Rahmen eines Auftragsverhältnisses im räumlichen Bereich eines Auftraggebers tätig werden.

Allerdings muss der Auftraggeber bzw. der den Auftrag erteilende Unternehmer den Auftragnehmer bei der Erstellung seiner Gefährdungsbeurteilung bezüglich der betriebsspezifischen Gefahren unterstützen (§ 5 Abs. 3 S. 1 DGUV V1), im allgemeinen Sprachgebrauch auch Fremdfirmeneinweisung genannt. Bei Arbeiten mit besonderen Gefahren hat der Auftraggeber darüber hinaus sicherzustellen, dass die Tätigkeiten von Aufsichtsführenden überwacht werden und er hat mit dem Auftragnehmer abzustimmen, wer den Aufsichtsführenden stellt.

Nun sind gerade dies 2 Aufgaben, die innerhalb der Arbeitsschutzorganisation des Auftraggebers klar geregelt und zugeordnet werden müssen und in der Schnittstelle zu Fremdfirmen ggf. der Rolle des „Fremdfirmenkoordinators” zugewiesen werden könnten. Allerdings muss das gerade nicht in sämtlichen Auftragsverhältnissen erfolgen, sondern die Fremdfirmeneinweisung nur bei betriebsspezifischen Gefahren, die die Arbeiten der Fremdfirma betreffen und die Aufsichtsführung bei Tätigkeiten mit besonderen Gefahren aus der Zusammenarbeit. 

Während der Durchführung der beauftragten Tätigkeiten hat der Auftraggeber unabhängig von der Frage besonderer Gefahren hingegen nur stichprobenartig zu kontrollieren, ob die Fremdfirmen die Arbeitsschutzanforderungen einhalten und nur bei konkreten Anhaltspunkten für die Unzuverlässigkeit der Fremdfirma einzuschreiten (BGH, Urteil vom 5.11.1992, III ZR 91/91).

Koordination bei Fremdvergabe 

Die Anforderung zur Koordination von Fremdfirmen oder entsprechend der gesetzlichen Anforderungen vielmehr zur Koordination von Arbeiten ist hingegen gerichtet an den Arbeitgeber (§ 8 Abs. 1 ArbSchG) bzw. den Unternehmer (§ 6 Abs. 1 DGUV V1) und zwar immer nur dann, wenn Beschäftigte mindestens zweier Arbeitgeber oder Unternehmer an einem Arbeitsplatz tätig werden und sich daraus gegenseitige Gefährdungen ergeben. D. h. die Anforderung zur Bestimmung eines Koordinators trifft nicht den Auftraggeber, sondern die Arbeitgeber, deren Beschäftigte aufgrund einer räumlichen und zeitlichen Nähe (eine arbeitsteilige Zusammenarbeit innerhalb der gleichen Maßnahme ist nicht erforderlich) gegenseitig gefährdet sind, wobei sich die Gefährdung aus der Zusammenarbeit ergeben muss.

Auch wenn die Aufgabenstellung zur Koordination von Fremdfirmen fälschlicherweise regelmäßig dem Auftraggeber zugeordnet wird, ist der Auftraggeber nur dann Adressat zur Koordination der von ihm beauftragten Fremdfirmen, wenn er selbst einer der Arbeitgeber ist, für dessen Beschäftigte sich aufgrund der räumlichen und zeitlichen Nähe zur Tätigkeit der Fremdfirma gegenseitige Gefährdungen aus der Zusammenarbeit ergeben. Dazu reicht es allerdings bereits aus, dass die Tätigkeit der beauftragten Fremdfirma Gefährdungen für den laufenden Betrieb des Auftraggebers auslöst.

Wenn sich hingegen aus der Tätigkeit der Fremdfirma gerade keine Gefährdungen für die Beschäftigten des Auftraggebers ergeben, ist seitens des Auftraggebers keine Koordination gefordert. Sind es stattdessen 2 oder mehrere Fremdfirmen, für die sich aus der Zusammenarbeit Gefährdungen ergeben, trifft die Anforderung zur Koordination alleine die beauftragten Fremdfirmen. Aus diesem Grund führt die unreflektierte Verwendung der Begriffe Fremdfirmenkoordination und Fremdfirmenkoordinator oftmals zu Missverständnissen in der Anwendung. 

Bei der Fremdfirmenkoordination kommt es also entscheidend darauf an, die zu koordinierenden Sachverhalte, d. h. die Tätigkeiten von Fremdfirmen, aus denen sich aus der Zusammenarbeit gegenseitige Gefährdungen für die eigenen Beschäftigten ergeben, von den Aufträgen zu differenzieren, bei denen seitens des Auftraggebers gerade keine Koordination erfolgen muss.

Ist es aber zur Vermeidung möglicher gegenseitiger Gefährdungen erforderlich, haben die Arbeitgeber bzw. die Unternehmer der betroffenen Beschäftigten eine Person zu bestimmen, die die Arbeiten aufeinander abstimmt. Bei der Bestimmung der koordinierenden Person haben sich die Arbeitgeber bzw. Unternehmer abzustimmen die Person bei besonderen Gefahren mit Weisungsbefugnis auszustatten. Eine Bestellung der koordinierenden Person ist allerdings weder im ArbSchG noch in der DGUV V1 festgelegt, auch wenn es innerhalb der Arbeitsschutzorganisation natürlich bestimmt sein muss, welche Beschäftigten die Rolle der koordinierenden Person wahrnehmen.


 


 

 

Koordination nach Baustellenverordnung

Neben ArbSchG und DGUV V1 fordert auch die Baustellenverordnung (BaustellV) die Koordination der einzelnen Arbeiten auf der Baustelle sowie die Abstimmung der erforderlichen Arbeitsschutzmaßnahmen, ggf. im Rahmen eines Sicherheits- und Gesundheitsschutzplanes. Anders als die koordinierende Person nach ArbSchG und DGUV V1 fordert die BaustellV in § 3 allerdings die Bestellung des Koordinators (Sicherheits- und Gesundheitsschutzkoordinator – SiGeKo) und richtet diese Pflicht an den Bauherrn.

 

Fazit

Auch wenn das Gesetz den Fremdfirmenkoordinator im Gegensatz zu zahlreichen anderen Betriebsbeauftragten wie die Fachkraft für Arbeitssicherheit (§ 5 Arbeitssicherheitsgesetz – ASiG) oder den SiGeKo (§ 3 BaustellV) weder bestimmt noch ausdrücklich fordert, hat der Auftraggeber in seinen verschiedenen Rollen als Auftraggeber, Arbeitgeber und Bauherr in der Schnittstelle zu beauftragten Fremdfirmen unterschiedliche Anforderungen im Arbeitsschutz zu berücksichtigen. Dabei gilt es aber, je nach Auftragsverhältnis sehr genau zu differenzieren, ob eine Einweisung über betriebsspezifische Gefahren, eine Aufsichtsführung bei besonderen Gefahren, eine Koordination bei gegenseitigen Gefahren ggf. inkl. Weisungsbefugnis bei besonderen Gefahren sowie die Kontrolle der Arbeitsschutzmaßnahmen und ein Eingreifen bei Verfehlungen der Fremdfirmen notwendig sind. Denn nur so lässt sich sicherstellen, die gesetzlich geforderten Maßnahmen zu erfüllen, gleichzeitig aber auch nicht mehr zu tun, als rechtlich notwendig.

 

Sprechen Sie uns gerne an, wenn wir Sie bei der Entwicklung Ihrer eigenen Arbeitsschutzorganisation oder auch bei der Optimierung der betrieblichen Prozesse in der Schnittstelle zu Fremdfirmen unterstützen können.

 


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