Vereinsrechtliche Betrachtung von Vergünstigungen für Mitglieder durch einen Verein und ihre Auswirkungen auf die Gemeinnützigkeit

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von Dominik Wirtz und Jan-Claas Hille

veröffentlicht am 10. Dezember 2019

 

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Eine Vielzahl von Vereinen versucht durch Rabatte und Vergünstigungen sowohl vorhandene Mitglieder zu binden als auch neue Mitglieder zu werben. In der Regel werden in der Praxis Rahmenvereinbarungen von den Vereinen mit externen Dritten/Unternehmen abgeschlossen, auf Basis derer die Vereinsmitglieder Leistungen begünstigt beziehen können. Bei der Gestaltung der Rabatt- und Vergünstigungsarrangements treten Risiken bezüglich der Anerkennung der Gemeinnützigkeit des Vereins i. S. v. §§ 52 bis 55 AO, insbesondere hinsichtlich des Gebots der Selbstlosigkeit (§ 55 Abs. 1 AO), auf.

 

GRUNDLAGE

Schließt der Verein Rahmenverträge für seine Mitglieder z. B. für Versicherungen, muss der Vorstand für diese Leistung in analoger Anwendung des § 93 Abs. 1 S. 1 AktG bei seinen vereinspolitischen Entscheidungen auf Grundlage angemessener Informationen zum Wohle des Vereins handeln (Business Judgement Rule). Die Verantwortung, in welcher Weise und Gestalt Rabatte bzw. Vergünstigungen für Vereinsmitglieder angeboten werden, liegt also in der Entscheidungskompetenz der Vereinsleitung und sollte von dieser zur Absicherung der Sorgfaltspflicht ausreichend dokumentiert werden.1 Dementsprechend muss die Leitung die einzelnen Rabatte bzw. Vergünstigungen vor dem Hintergrund des vereinsrechtlichen Gleichbehandlungsgebot mit Berücksichtigung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), den satzungseigenen Vorgaben sowie den Vorschriften zur Gemeinnützigkeit i. S. d. §§ 52 bis 55 AO ausgestalten. Besonders risikoreich ist hierbei ein Verstoß gegen das Gebot der Selbstlosigkeit gemäß § Abs. 1 AO.2

 

Gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 AO dürfen die Mitglieder in ihrer Eigenschaft als Mitglieder keine Zuwendungen aus Mitteln des Vereins erhalten.3 Die Vereine müssen dementsprechend besondere Sorgfalt darauf legen, in welchem Umfang die Rabatte bzw. Vergünstigungen mit dem Gebot der Selbstlosigkeit der Zweckverfolgung vereinbar sind.


RABATTE SOWIE VERGÜNSTIGUNGEN IM ORIGINÄR GEMEINNÜTZIGEN BEREICH DES VEREINS

Unschädlich für die Gemeinnützigkeit sind grundsätzlich die Rabatte bzw. Vergünstigungen im ideellen Bereich
und in der Zweckbetriebssphäre (originär gemeinnütziger Bereich). Gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 und Nr. 3 1. Alt. AO dürfen die Vereine ihre Mittel nur für die satzungsmäßigen Zwecke verwenden und es dürfen keine
Personen durch Ausgaben, die dem Zweck des Vereins fremd sind, begünstigt werden.4 Dementsprechend ist das Verbot, die Mitglieder in ihrer Eigenschaft als Mitglieder zu begünstigen, als logische Konsequenz der dargestellten Gesetzgebung zu betrachten.


In diesem Sinne ist der § 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 AO so auszulegen, dass – solange die vom Verein rabattierten bzw. unentgeltlich erbrachten Leistungen im Rahmen seines gemeinnützigen Satzungszweckes erfolgen – die Mitglieder nicht in ihrer Eigenschaft als Mitglieder anzusehen sind. Als Beispiel hierfür könnten die „Tafeln” gelten, die praktisch Lebensmittel an jeden vergünstigt bzw. umsonst abgeben. In diesen Fällen wird das Vereinsmitglied nicht in seiner Eigenschaft als Mitglied begünstigt, sondern als ein Bestandteil der allgemein geförderten Öffentlichkeit betrachtet.5


Lieferungen und/oder sonstige Leistungen im Rahmen seines ideellen Bereichs darf ein gemeinnütziger Verein
grundsätzlich für alle Menschen unentgeltlich leisten. Außerdem ist es zulässig, dass der Verein für die Lieferungen und/oder die sonstigen Leistungen im Rahmen seines Zweckbetriebs Entgelte verlangt, wenn diese Einnahmen zur Kostendeckung dienen. Der gemeinnützige Verein kann differenzierte Entgelte für die Allgemeinheit sowie für seine Mitglieder (Rabatte bzw. Vergünstigungen) aufrufen, soweit es grundsätzlich allen Menschen frei steht, dem Verein beizutreten. Die Finanzverwaltung schränkt die Rabattierung bzw. Vergünstigung nach aktueller Auffassung jedoch maximal auf die Höhe der Mitgliederbeiträge des jeweiligen Vereins ein.6

 

VORTEILSZUWENDUNGEN FÜR VEREINSMITGLIEDER

Unschädlich für die Gemeinnützigkeit eines Vereins sind auch die geläufigen, aus dem Steuerrecht abgeleiteten Zuwendungen (Geburtstage, Jubiläum etc.) an Vereinsmitglieder in einem angemessenen Rahmen. Die Angemessenheitsgrenze kann hierbei in ausdrücklicher Anlehnung an die Lohnsteuerrichtlinie in Höhe von 60 Euro (Stand 2019) betrachtet werden. Diese bietet einen Referenzpunkt, ist jedoch nicht genau fixiert.7

 

Erhalten Mitglieder durch Verträge des Vereins mit externen Dritten Vorteilszuwendungen in Form von Rabatten bzw. Vergünstigungen durch den Dritten sind diese auch nicht schädlich für die Gemeinnützigkeit. Im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 AO dürfen keine Zuwendungen aus Mitteln der Körperschaft erfolgen.8 Dies ist hier nicht gegeben, da die Rabatte sowie Vergünstigungen grundsätzlich durch Mittel des externen Dritten finanziert werden. Der Verwaltungsaufwand gehört beim Verein in die Sphäre des ideellen Bereichs, da es sich dabei um grundlegende Vereinsarbeit im Rahmen der Mitgliederbetreuung handelt.9

 

RABATTE SOWIE VERGÜNSTIGUNGEN IM ERTRAGSTEUERLICHEN BEREICH DES VEREINS

Teilweise gestatten gemeinnützige Vereine ihren Mitgliedern ebenfalls Rabatte sowie Vergünstigungen für Lieferungen und sonstige Leistungen im ertragsteuerpflichtigen Bereich des Vereins (wirtschaftlicher
Geschäftsbetrieb). Auch hier vertritt die Finanzverwaltung in der Regel die Anschauung, dass diese Rabatte bzw. Vergünstigungen nicht gegen das Gebot der Selbstlosigkeit verstoßen, soweit diese Annehmlichkeiten den Mitgliederbeitag nicht übersteigen.10


Losgelöst vom Vergleich der Höhe des Mitgliederbeitrags auf der einen Seite und der Höhe der Rabatte bzw. Vergünstigungen auf der anderen Seite besteht im ertragsteuerpflichtigen Bereich die Gefahr, dass gerade Vergünstigungen und Rabatte zu verdeckten Gewinnausschüttungen des Vereins an die nichtgemeinnützigen Mitglieder führen.11 Bei der verdeckten Gewinnausschüttung handelt es sich um eine Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung auf Vereinsebene, die durch das Gesellschaftsverhältnis (hier die Mitgliedschaft) veranlasst ist.12 Dies ist schädlich für die Gemeinnützigkeit des Vereins, da die Mitglieder nicht mehr i. S. v. § 52 I S. 1 AO unter die Allgemeinheit subsummiert werden können. Das Vorliegen einer verdeckte Gewinnausschüttung wird in der Regel anhand der Angemessenheit der Entgelte im Vergleich zu fremden Dritten beurteilt. Zumeist werden die Vergleichspreise nicht auf Ebene einzelner Mitglieder, sondern auf der gesamten Vereinsebene überprüft, wodurch es zu falschen Ergebnissen kommen kann. Eine angemessene Dokumentation der gestatteten Rabatte sowie Vergünstigungen mit entsprechenden Belegen über Vergleichspreise ist hier von immenser Bedeutung, um den Status der Gemeinnützigkeit des Vereins nicht zu gefährden.

 

FAZIT

Aufgrund der aufgezeigten vereins- sowie gemeinnützigkeitsrechtlichen Grundlagen sollte eine detaillierte Planung und laufende Kontrolle von Vergünstigungen sowie Rabatten für Mitglieder von den einzelnen Vereinen erfolgen. Die Erörterung, Herausstellung und Beachtung der Grenzen der Satzung des Vereins und der gemeinnützlichkeitsrechtlichen Vorschriften, innerhalb derer der Verein unternehmerisch aktiv tätig werden darf, sind zu überwachen. Die Gestaltung sowie die Motivation des Vereins für Mitgliederrabatte und -vergünstigungen sollte in einem ausreichenden Maß aufgezeichnet und dargelegt werden, um verdeckte Gewinnausschüttungen zu vermeiden. Um die Risiken von Verstößen und Mängeln des Vereins hinsichtlich der vereins- und gemeinnützlichkeitsrechtlichen Vorschriften zu minimieren und dementsprechend Strafen für den Verein und seine Organe zu vermeiden, könnten die Vergünstigungen bzw. Rabatte für Mitglieder in das interne Kontrollsystems des Vereins (Compliance im Rahmen eines Tax Compliance Systems) integriert werden.

 

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1 Vgl. § 93 Abs. 1 S. 2 AktG.
2 Vgl. Kirchhain [2019]; Mitgliedervergünstigungen aus vereins- und steuerrechtlicher Sicht, S. 153, in: npoR, 4./2019, S.153-158.
3 Vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 AO.
4 Vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 AO; § 55 Abs. 1 Nr. 3 1. Alt. AO.
5 Vgl. § 52 Abs. 1 S. 1 AO.

6 Vgl. Buchna / Leichinger / Seeger / Brox [2015], Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 11. Aufl., S. 155 ff.
7 Vgl. Kirchhain [2019]; Mitgliedervergünstigungen aus vereins- und steuerrechtlicher Sicht, S. 154, in: npoR, 4./2019, S.153-158.
8 Vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 AO.
9 Vgl. Buchna / Leichinger / Seeger / Brox [2015], Gemeinnützigkeit im Steuerrecht, 11. Aufl., S. 155 ff.
10 Vgl. Kirchhain [2019]; Mitgliedervergünstigungen aus vereins- und steuerrechtlicher Sicht, S. 155, in: npoR, 4./2019, S.153-158.

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Jan-Claas Hille

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Prüfer für Interne Revisionssysteme (DIIR)

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