„Mogelpackungen“ im Verpackungsrecht & Ausnahmen für Marken- und Designrechte

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 21. Juni 2024 I Lesedauer ca. 4 Minuten


Der BGH​ hat jüngst lauter­keits­rechtlich (UWG​) zur Irreführung von Verbrauchern bzgl. Verpackungs­größe und Füllmenge geurteilt („Mogelpackung“). Das Missverhältnis in der Größenrelation spielt auch im Verpackungs­recht unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit – Vermeidung von Verpackung­sabfall – eine Rolle. Welche Vorgaben für die Minimierung von Verpackungen existieren derzeit und was sieht die EU-Verpack­ungs­​­verordnung​ (PPWR) vor? Welche Ausnahmen von der Mini­mierungs­verpflichtung gibt es hierbei für Geschmacksmuster- und Markenrechte? Vor allem bzgl. der Eintra­gung dieser Schutzrechte ist ein rasches Handeln für Unternehmen erforderlich, welche die Gestaltung oder Form ihrer Verpackungen schützen lassen und somit von der Minimierungsverpflichtung ausnehmen wollen. Hier ist das baldige Inkrafttreten der PPWR der Ausschlusstermin für die Gewährung einer solchen Ausnahmeprivilegierung!



Größenverhältnisse bei Verpackungen – Das Mindestmaß und seine Einschränkungen

Die Größenrelation betrifft zunächst das Verhältnis von primären Verkaufsverpackungen und ihrem Inhalt (z.B. Tube mit Zahnpasta), zudem die zwischen sekundären Umverpackungen und ihrem Produkt (z.B. Faltschachtel mit Zahnpastatube). Schließlich auch das zwischen den tertiären Verpackungen, etwa Versandkartons im Online-Handel oder Transportverpackungen und deren Produktinhalt. Der Gesetzgeber geht hier zum Ziel einer ökologisch nachhaltigen „Vermeidung von Verpackungsabfall“ von einer möglichst „kleinen“, „sparsamen“ Verpackung als „Mindestmaß“ aus.


Deutsches Verpackungsgesetz – Status quo 

Das deutsche Verpackungsgesetz (VerpackG) gibt als allgemeine Verpackungsanforderung vor, Verpackungen so zu gestalten, dass ihre Größe und Gewicht auf das Mindestmaß begrenzt werden, das zur Gewährleistung der Sicherheit, Hygiene und zur Akzeptanz durch den Verbraucher angemessen ist.

Diese Mindestmaß-Vorgaben können allerdings mit geschützten Designs oder dreidimensionalen Marken die für eine besondere Verpackungsgestaltung Schutz genießen, kollidieren. Dies kann dann der Fall sein, wenn die geschützte Verpackungsgestaltung über das erlaubte Mindestmaß hinausgeht. Allerdings werden die o. g. Mindestmaß-Vorgaben und auch der Begriff der Angemessenheit im VerpackG nicht weiter konkretisiert. Im Gegensatz zu anderen „harten“ Pflichtvorgaben des VerpackG wird ihre Verletzung auch nicht mit Bußgeld sanktioniert. Ein Bedarf für eine Ausnahme vom Mindestmaß bei bestehenden Verpackungsmarken oder -designs besteht somit derzeit auf deutscher Ebene nicht. 


Europäische Verpackungsverordnung

Mit der EU-Verpackungsverordnung (Packaging and Packaging Waste Regulation – PPWR) wird sich die Verbindlichkeit der Mindestmaßvorgaben und deren Korrektur durch Ausnahmen für Schutzrechte Dritter entscheidend verändern. Außerdem wird ein Verbot übermäßiger Verpackungen für bestimmte Verpackungs­formen eingeführt. Der PPWR-Entwurf befindet sich derzeit in einer abgestimmten, fort­geschrit­tenen Phase der EU-Gesetz­gebung. Auch jetzt können aber natürlich noch Änderungen, auch in entschei­denden Details eingebracht werden. Bei einem wahrschein­lichen Inkraft­treten 2025 wäre die​ PPWR frühestens ab Mitte 2026 generell anwendbar (18 Monate nach Inkraft­treten). 

Verpackungsminimierung​

Gemäß. der Vorgabe der „Verpackungs­​minimierung“ müssen Verpackungen „so gestaltet sein […], dass ihr Gewicht und ihr Volumen unter Berücksichtigung der Form und des Materials, […], auf das für die Gewähr­leistung ihrer Funktionsfähigkeit erforderliche Mindestmaß reduziert werden“. Die Kriterien für die „Mindest­notwendigkeit“ sind in den sog. „Leistungskriterien“ detailliert aufgeführt (z.B. physischer Schutz, Herstel­lungs­verfahren und gesetzliche Anforderungen an Hygiene, Sicherheit oder Kennzeichnung) und müssen in einer technischen Dokumentation nachgewiesen werden. Bei Nicht­erfüllung dürfen diese Ver­​packungen nicht in Verkehr gebracht werden. 

Die PPWR-Minimierungsverpflichtung ist nun erst ab dem 1. Januar 2030 anwendbar, statt wie zunächst vorgesehen 18 Monate nach Inkrafttreten. In den Spezifizierungen zur neuen Öko-Design-Verordnung könnten jedoch bereits vorher zusätzliche Anforderungen für umweltschonendere Verpackungen und ihre inkl. Minimierung festgelegt werden. Die Öko-Design-VO selbst steht kurz vor Inkrafttreten und ist sofort unmittelbar europaweit anwendbar. Unternehmen sollten daher überwachen, ob schon in nächster Zeit strengere Anforderungen an Verpackungen anwendbar werden.


Ausnahmen von der Minimierungspflicht für „geschützte“ Verpackungen

Ausgenommen von der Minimierungsverpflichtung der PPWR sind geschützte geografische Ursprungs­bezeich­nungen, Marken und Designs. Die Ausnahme ist für Marken und Designs jedoch an bestimmte zeitliche und inhaltliche Voraussetzungen geknüpft:

Bereits eingetragene Schutzrechte: Um Missbrauchsfälle zu vermeiden, gilt die Ausnahme zeitlich nur für Designs und Marken, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der PPWR bereits geschützt sind. Hierbei ist für Unternehmen besonders zu berücksichtigen, dass zwischen Inkrafttreten der PPWR (20 Tage nach Veröffent­lichung im EU Amtsblatt) und Anwendung der Minimierungspflicht (2030) ein erheblicher Zeitraum liegt. Das bedeutet jedenfalls, dass vor dem Inkrafttreten angemeldete und eingetragene Schutzrechte sicher von der Ausnahme erfasst sind.

Die Ausnahme gilt jedoch nur dann, 

  • ​​wenn sich die Minimierungsanforderungen an der PPWR bei Designs in einer Weise auf die Gestaltung der Verpackung auswirken, dass die Neuheit oder Eigenart des Designs geändert wird bzw. 
  • wenn durch die Minimierungsanforderungen der PPWR bei dreidimensionalen Marken die Unterscheidungskraft der Marke entfällt. 



Es handelt sich dabei um Schutzvoraussetzungen der jeweiligen Schutzrechte. Solange diese Voraussetzungen auch bei einer Minimierung der Verpackung noch gegeben sind, gilt die Minimierungsverpflichtung weiterhin, die Ausnahme greift also nicht ein.

Vom Wortlaut her kann die Minimierungspflicht also auch dann gelten, wenn die minimierte Gestaltung derart von der Schutzrechtseintragung abweicht, dass diese keine Umsetzung bzw. Benutzung des Schutzrechts mehr darstellt. Es ist fraglich, ob dies vom Gesetzgeber gewollt ist.

Anmeldung vor Inkrafttreten, Eintragung nach Inkrafttreten: Unklar ist auch, ob die Ausnahme für Schutzrechte gilt, die vor dem Inkrafttreten angemeldet, aber erst nach dem Inkrafttreten eingetragen wurden. Dafür spricht, dass der Schutz grundsätzlich rückwirkend ab dem Anmeldetag gilt. Dagegen spricht allerdings der Wortlaut der Regelung, wonach bereits bei Inkrafttreten ein Schutz bestehen muss.

Nach dem Inkrafttreten angemeldete und eingetragene Schutzrechte sind jedenfalls nicht von der PPWR-Ausnahme erfasst. Damit stellt sich die bislang ungeklärte Frage der Auswirkungen der Minimierungs­verpflich­tung auf das Marken- und Geschmacks­musterrecht. Es bleibt abzuwarten, ob die Ämter die Minimierungs­verpflichtung künftig bei der Anmeldung der Schutz­rechte prüfen oder ob Schutz­rechte nach ihrer Eintragung mit dem Argument angegriffen werden können, ihre Benutzung verstoße gegen die Minimierungs­verpflichtung.

Verbot übermäßiger Verpackung​

Ebenfalls unter dem Banner einer nachhaltigen Abfall­vermeidung führt die PPWR darüber hinaus zusätzliche Beschränkungen für „übermäßige Verpackungen“​ ein. Befüller von  Um-  und Transport­​verpackungen sowie Verpackungen für den Online-Handel müssen sicherstellen, dass der Leerraumanteil maximal 50 % beträgt. Unter Leerraum versteht man die Differenz zwischen dem Gesamtvolumen der jeweiligen Verpackung und der enthaltenen Verkaufsverpackung. Raum, der durch Füllmaterialien wie etwa Luftpolsterfolien, Styroporchips oder Pack-/Knüllpapier gefüllt ist, gilt als Leerraum. Auch diese Regelung ist erst ab 1. Januar 2030 anwendbar, statt wie vorhergesehen 18 Monate nach Inkrafttreten. 


Fazit

Die neuen Pflichten der Verpackungsverordnung (Minimierungspflicht und ein Verbot übermäßiger Verpackung) kommen nun, so Status quo, zeitlich erheblich nach hinten verschoben erst ab 1. Januar 2030. Erheblich früher, nämlich bereits zum Inkrafttreten der PPWR, müssen aber etwaige Ausnahmen von der Minimierungspflicht durch Designs und dreidimensionalen Marken geklärt werden. Auch bezüglich rechtlicher Unsicherheiten in Bezug auf die Anwendung und Ausgestaltung der Ausnahmen sollten Unternehmen hier jedenfalls eine schnelle Anmeldung und Eintragung dieser Schutzrechte bis zum Inkrafttreten der PPWR anstreben. Eine Eintragung ist bei europäischen Anmeldungen über das sog. FastTrack-Verfahren, das eine Eintragung in wenigen Monaten ermöglicht, u.U. auch noch zu erreichen. Gerne unterstützen wir Sie mit unserer jahrelangen Marken- und Designrechtsexpertise bei Ihrer Anmeldung. Wir halten Sie über die inhaltlichen Entwicklungen und Änderungen der PPWR laufend informiert. 

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