Aufbewahrung alter ERP-Systeme – Einführung SAP S/4HANA unter Einhaltung rechtlicher und steuerlicher Anforderungen

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veröffentlicht am 5. Oktober 2022 | Lesedauer ca. 5 Minuten


Viele Unternehmen befinden sich bereits in der Migration auf die neue Produktsuite von SAP: S/4HANA. Dabei hat auch die Wahl des Migrationsansatzes – brownfield, greenfield oder colourful – direkten Einfluss auf die Aufbewahrung der Datenbestände des aktuellen ERP-Systems. Was es zu beachten gibt und wie Sie sichergehen, dass Sie bei der Aufbewahrung der Altdaten steuerliche und rechtliche Anforderungen einhalten, erfahren Sie in diesem Beitrag.



Hinweis vorab: Der Begriff des SAP-Alt-Systems wurde so gewählt, da es sich nach dem S/4HANA-Migrations- oder Einführungsprojekt um das alte R/3- oder HANA-System handelt. Gängige Begriffe in der Praxis sind auch „Anzeigesysteme“, „Archivsysteme“ oder „Original-Systeme“, die mitunter auch zu Verwechselungen führen. Gemeint ist in jedem Fall das System, welches die aufzubewahrenden Daten enthält.


Bei der ERP-Umstellung müssen sich Unternehmen mit dem Migrationsansatz auseinandersetzen: brownfield, greenfield oder colourful. Dieser sollte auf Grundlage der Unternehmensanforderungen gefällt werden. Beim Brownfield-Ansatz handelt es sich um ein Software-Upgrade; bestehende Prozesse, Daten, etc. werden in das neue System übertragen. Greenfield dagegen ist die Einführung von S/4HANA ohne Berücksichtigung der historischen Prozess- und Systemstrukturen – das System wird komplett neu aufgesetzt. Es ist das Ziel, ein neues System zunächst mit einer schlank gehaltenen Datenbank zu entwickeln (Systemhygiene, Lizenzkosten, …). Colourful verbindet Brown- und Greenfield.


Während beim Colourful- und Brownfield-Ansatz in der Regel die Frage nach den zu archivierenden Daten beantwortet ist, ist diese beim Greenfield-Ansatz häufig noch offen. Dabei sind sowohl technische, als auch steuerliche und rechtliche Anforderungen zu beachten.


Übernahme der Alt-Daten in die SAP HANA Datenbank: Rechtliche & steuerliche Pflichten für Unternehmen

Mit der notwendigen Migration des ERP-Systems auf die HANA-Datenbank stellt sich für die betroffenen Unternehmen zwangsläufig die Frage, wie mit den Daten aus der Datenbank des R/3-Systems umzugehen ist. Künftig werden Unternehmen nur noch auf die SAP HANA Datenbank (SAP HANA DB) zurückgreifen, um die SAP-Anwendungen wie SAP S/4HANA zu nutzen. Da SAP R/3-Systeme neben HANA auch mit anderen Datenbankenservern wie MaxDB, Informix, DB2, Oracle oder Microsoft SQL kompatibel waren, müssen diese Daten im Rahmen des Migrationsprojekts in die HANA-Datenbank überführt werden. Dabei sind die Grund­sätze zur ordnungsmäßigen Führung und Aufbewahrung von Büchern, Aufzeichnungen und Unterlagen in elektronischer Form sowie zum Datenzugriff (kurz: GoBD, gem. BMF-Schreiben 14.11.2014) zu beachten, um eine ordnungsgemäße Buchführung sowohl im steuerrechtlichen (Ordnungsvorschriften: §§ 145 bis 147 AO) als auch im handelsrechtlichen (§§ 238 ff. sowie 257 HGB) Sinne zu gewährleisten.


Für die Einhaltung der GoBD in Bezug auf die Alt-Daten aus dem ERP-System ist bis zum Ende der gesetzlichen Aufbewahrungsfristen das Unternehmen verantwortlich. Exkulpationsmöglichkeiten sind insbesondere gegenüber dem Finanzamt im Rahmen der Außenprüfung nicht vorgesehen.


Aufbewahrungsfristen rechnungslegungsrelevanter Unterlagen

Die Zeiträume, in denen die rechnungslegungsrelevanten Alt-Daten aus dem R/3-System aufbewahrt werden sollten, ergeben sich aus § 147 Abs. 3 AO sowie korrespondierend aus § 257 Abs. 4 HGB. Demnach sind buchführungsrelevante Daten zehn Jahre sowie Handelskorrespondenzen für sechs Jahre aufzubewahren. An die Aufbewahrung an sich stellen die GoBD weitere qualitative Anforderungen.


Anforderungen an die Migration/Aufbewahrung aus Sicht der GoBD

Zentral im Rahmen der Migration auf eine neue Datenbank ist dabei der Grundsatz der Nachvollziehbarkeit und Nachprüfbarkeit. Demnach muss es für einen sachverständigen Dritten möglich sein, sich innerhalb einer angemessenen Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle des Unternehmens zu verschaffen. Die in der R/3-Datenbank dokumentierten Geschäftsvorfälle müssen folglich auch nach der HANA-Migration lesbar oder zumindest kurzfristig lesbar gemacht werden können.

Zudem verlangt der Grundsatz der Vollständigkeit, dass sämtliche, die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage beeinflussenden buchführungspflichtigen Geschäftsvorfälle vollständig und lückenlos erfasst werden, sodass eine Überprüfung ihrer Grundlagen, ihres Inhalts und ihrer Bedeutung für den Betrieb auch ex-post noch möglich ist. Im Rahmen der Migration ist somit sicher zu stellen, dass sämtliche rechnungslegungsrelevante Daten mit in die neue Datenbank migriert werden.

Diese Alt-Daten dürfen bis zum Ablauf der Aufbewahrungsfrist nicht verändert werden. Zumindest muss das Unternehmen sicherstellen, dass frühere Buchungen und Aufzeichnungen nicht derart verändert werden können, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr erkennbar ist. Die Unveränderbarkeit kann durch adäquate Kontrollen gewährleistet werden, die insbesondere den nicht protokollierten Zugriff abgeschlossener Buchungsperioden verhindert.

Schließlich ist auch die Datensicherheit im Hinblick auf aufbewahrungspflichtige Daten abgeschlossener Buchungsperioden wichtig. Bei der Migration der Daten ist sicherzustellen, dass der Verlust dieser Daten z.B. durch Unauffindbarkeit, Vernichtung oder Untergang ausgeschlossen ist.

Können bei einem Systemwechsel diese Anforderungen im Zuge der Migration nicht erfüllt werden, so ist der Unternehmer in der Pflicht, die ursprüngliche Hard- und Software des alten Produktivsystems über die Dauer der gesamten Aufbewahrungsfrist vorzuhalten. Eine Aufbewahrung lediglich in Form von Datenextrakten, Reports der Druckdateien ist nicht erlaubt, wenn nicht alle aufbewahrungspflichtigen Daten übernommen werden.


Mit „SAP Archive Cloud“ GoBD-konform in die Cloud

Neben der GoBD-konformen Aufbewahrung rückt auch die technische Umsetzung in den Vordergrund. Speziell für den Greenfield-Ansatz hat Rödl & Partner das Portfolio auf zwei Cloud-Lösungen erweitert, mit denen SAP-Altsysteme über lange Zeit vorgehalten werden können. Unter dem Produktnamen „SAP Archive Cloud“ wird diese Lösung in zwei Ausprägungen angeboten: Betrieb in der Public Cloud oder in der Private Cloud.


Betrieb in der Public Cloud

Eine virtuelle Umgebung wird in der Public Cloud eingerichtet und ist – im Ein-Zustand - über eine feste öffentliche IP-Adresse von einem vorher definiertem Ausgangsnetz/-system erreichbar.

Backups von den Altsystemen werden für den Betrieb auf einem Hypervisor des Hyperscalers vorbereitet und via Restore to Cloud in der Public Cloud wiederhergestellt. Peripherie-Systeme wie Schnittstellen, Archive, Mailsysteme, Monitor, etc. werden getrennt. Mit einigen Nachbereitungen ist das Altsystem in der Public Cloud wieder startbar.
 
Solange die Systeme nicht benötigt werden, sind sie ausgeschaltet (AUS-Zustand– nicht zuletzt, um Ressour­cen zu sparen). Nach dem Ablauf der vereinbarten Einschaltzeit wird das System automatisiert wieder heruntergefahren.

Der Public Cloud Service ist abhängig davon, wie lange der Hyperscaler die Startbarkeit des Betriebssystems in der Cloud über die Zeit zusichert.


Betrachtung der Kosten in der Public Cloud

Der Service beinhaltet die Einmalkosten (Projekt), die sich aus der Einrichtung der Umgebung, die Einrichtung der Zugangswege und der Überführung der virtuellen Maschine in die Public Cloud ergeben.

Darüber hinaus entstehen auch in der Public Cloud laufende Kosten, die sich im AUS-geschalteten Modus aus den Bereitstellungsgebühren seitens des Hyperscalers ergeben. Im EIN-geschalteten (Betriebs-) Modus kommen hierzu die Ressourcen (oder Verbrauchs-)kosten hinzu.

Die Preise der Public-Cloud-Anbieter sind volatil und unterliegen unter Umständen monatlichen Änderungen.


Betrieb in der Private Cloud

In einem für Isolationszwecke eingerichteten Netzwerksegment im Datacenter von Rödl & Partner werden die Systeme auf eine eigens bereitgestellte Hardware verschoben. Peripherie-Systeme wie Schnittstellen, Archive, Mailsysteme, Monitor, etc. werden getrennt. Durch die abgeschaltete Peripherie wird ausgeschlossen, dass die Systeme Zugriff ins Internet haben. Der Datenbank-Log-Modus wird deaktiviert, um ein Wachstum der Datenbankgröße einzugrenzen.

Die SAP-Alt-Systeme werden in einem speziellen abgesicherten Netzwerk im AUS-geschalteten Modus „geparkt“. Das EIN-Schalten der Systeme erfolgt via Servicerequest. Auch in der Private Cloud wird davon ausgegangen, dass die Systeme nach einer definierten Zeit wieder AUS-geschaltet werden.

Der Zugriff auf das eingeschaltete System erfolgt aus Gründen der Sicherheit entweder über das Netzwerk des Kunden oder es wird ein verschlüsselter Zugriff aus dem Internet über ein Sprungsystem (Citrix) realisiert. In diesem Szenario erstellt Rödl & Partner Backups, die zu einer Wiederherstellung der Systeme bei einem eventuellen Ausfall der Plattform dienen. Es sind jedoch keine Langzeit-Backups!


Betrachtung der Kosten in der Private Cloud

Der Service beinhaltet die Einmalkosten (Projekt), die sich aus der Einrichtung der Umgebung, der Zugangs­wege und der Überführung der virtuellen Maschine in die Private Cloud ergeben.

Darüber hinaus entstehen laufende Kosten, die sich im AUS-geschalteten Modus aus einer Pauschale für die Bereitstellung der Infrastruktur im Rechenzentrum ergeben. Im EIN-geschalteten (Betriebs-) Modus kommen hierzu die Ressourcen- und Lizenz-Kosten. Sie werden von Rödl & Partner i.d.R. jährlich mit den Herstellern verhandelt.

Die folgende Tabelle stellt die beiden Lösungen noch einmal gegenüber:



Fazit

Der Gesetzgeber hat entschieden, dass bestimmte Daten über einen vorgeschriebenen Zeitraum aufzube­wahren sind. Ob Sie diese Daten in Ihrer neuen S/4HANA-Datenbank benötigen und damit immer sofort im Zugriff haben, entscheiden in der Regel Ihre Geschäftsprozesse. Wie Sie Ihre Daten aufbewahren, überlässt der Gesetzgeber Ihrer Entscheidung. Eine projektbegleitende Prüfung der Migration auf HANA gem. IDW PS 850 kann eine GoBD-konforme Migration unterstützen und durch eine Migrationsdokumentation gegenüber Dritten (z.B. Finanzamt, Abschlussprüfer) dokumentieren. Dabei wird sowohl die Einhaltung der Aufbewahrungsfristen als auch die vollständige und korrekte Übertragung der Datenbestände in HANA sichergestellt. Damit Ihr Unternehmen sich weiterhin dem widmen kann, was wichtig ist: auf die Kernkompetenzen.

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Uwe Spaderna

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