Strafrechtliche Konflikte in der Gesellschaft: ein Risiko für die Compliance

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veröffentlicht am 19. September 2018


Strafrechtliche Konflikte berühren sowohl Aspekte der strafrechtlichen Managerhaftung als auch des Wirtschaftsstrafrechts. Solche Konflikte können eine erhebliche Dynamik entwickeln. Sie tangieren die Interessen einer Organisation und führen u.U. zu empfindlichen, teils existenzbedrohenden Strafen im Falle von Rechtsverletzungen.



Die damit verbundenen Probleme zeigen sich am aktuellen Beispiel des Industriekonzerns Bilfinger. Die Bilfinger SE, ein börsennotierter, international tätiger Industriedienstleister, wurde in der Vergangenheit von einem langjährigen Korruptionsskandal erschüttert. Bei der Aufarbeitung wurden Korruptionsfälle in verschiedenen Ländern weltweit, verbunden mit anhaltenden Verstößen gegen die gute Unternehmens­führung, sowie das Fehlen eines funktionierenden Kontrollsystems festgestellt. Das hat den Konzern vor vielfältige Heraus­forderungen gestellt.


Eine Konsequenz hieraus zeigte sich auf der Ebene des Verhältnisses des Unternehmens zum Vorstand. Auf Grundlage der Ermittlungsergebnisse forderte der Konzern zuletzt rund 120 Mio. Euro Schadensersatz von 12 ehemaligen Vorständen, darunter auch von dem früheren Vorstandsvorsitzenden.


Der Konzern zieht die Vorstände zur Verantwortung und wirft Ihnen verschiedene Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit deren Vorgehen gegen die Korruption vor. Einer der Vorwürfe ist, u.a. nicht ausreichende Systeme zur Einhaltung von Regeln gegen Korruption und Bestechung etabliert zu haben. Das unterstreicht die Bedeutung präventiven Handelns für die Konfliktlösung.

 

Die strafrechtliche Verantwortung der Unternehmensleitung

Alle Akteure in einem Unternehmen müssen ihr Handeln an Recht und Gesetz orientieren. Insbesondere für die Vorstandsmitglieder und Geschäftsführer stellt der Gesetzgeber in GmbH- und Aktiengesetz klar: Vorstands­mit­glieder und Geschäftsführer, ihnen gleichgestellte Vertreter sowie Aufsichtsräte haben die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmannes anzuwenden (vgl. § 93 AktG, § 43 GmbHG).


Der Grundsatz, dass Manager unter gewissen Voraussetzungen im Verhältnis zur Gesellschaft, den Gesell­schaftern und ggf. gegenüber Dritten für schuldhafte Pflichtverletzungen einzustehen haben, kann eine reale Gefahr für Geschäftsführung, Vorstand und Aufsichtsrat darstellen und eine Quelle für Konflikte sein.


Neben der zivilrechtlichen Haftung, die im Schadensfall eintreten kann, kommt der strafrechtlichen Verantwortung dabei eine besondere Bedeutung zu. Sie ist im Verhältnis zum Unternehmen offensichtlich in den Fällen, in denen eine strafbare Handlung des Akteurs direkt gegen das Unternehmen gerichtet ist. Daneben kommt sonstiges strafrechtliches Handeln zu Lasten des eigenen Unternehmens in Betracht.


Zu den relevanten Straftatbeständen, insbesondere im Kontext des Geschäftsführerhandelns, zählen Betrug (§ 263 StGB), Untreue (§ 266 StGB), Vorenthaltung und Veruntreuen von Arbeitsentgelt (§ 266a StGB) sowie die Insolvenzstraftatbestände der §§ 283 ff. StGB.


In der Praxis findet sich eine Reihe von Fällen, über die in der Vergangenheit medienwirksam berichtet wurde. Gemeinsam ist diesen Verfahren, dass sie durch die öffentliche Berichterstattung mit Imageeinbußen – sowohl für das Unternehmen als auch für die beteiligten Akteure – verbunden waren. Als Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit kann bei der strafrechtlichen Aufarbeitung des sog. Diesel-Skandals das Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft München II gegen den Vorstandsvorsitzenden der Audi AG wegen Betruges genannt werden.

 

Konflikte als Katalysator für Wirtschaftskriminalität

Unter die Straftatbestände, die eine Strafbarkeit des Unternehmens nach außen hin begründen können, fallen im Bereich der Wirtschaftskriminalität insbesondere Korruptionsfälle, Kartellrechtsverstöße sowie Markt­manipulation und Insiderhandel.


Ein weiteres Beispiel – neben den eingangs erwähnten Korruptionsfällen bei Bilfinger – ist die im Jahr 2009 aufgedeckte MAN-Korruptionsaffäre, bei der im Zeitraum von 2001 bis 2007 durch den Nutzfahrzeugher­steller weltweit Regierungen und Geschäftspartner bestochen worden waren, um Aufträge zu erhalten. Die MAN-Korruptionsaffäre führte anschließend zu einem der größten europäischen Kartellverfahren.


Die Ermittlungen hatten zur Folge, dass durch die Aufklärung bei MAN die Preisabsprachen zwischen den 4 europäischen Lkw-Herstellern Daimler, Volvo, Iveco und DAF aufgedeckt wurden. Nach Offenlegung der Preis­absprachen durch MAN wurde gegen die beteiligten Hersteller von der EU-Kommission im Jahr 2016 wegen Kartellbildung eine Strafzahlung in Höhe von 2,9 Mrd. Euro verhängt. Bei der Strafe handelt es sich um eine der höchsten bisher verhängten EU-Kartellstrafen.


Konsequenzen in all diesen Fällen haben sich gesellschaftsintern gezeigt. Im Rahmen des Lkw-Kartells haben die Aktionäre von Daimler gefordert, Schadensersatzansprüche gegen verantwortliche Manager zu prüfen.


Bei der Audi AG haben die strafrechtlichen Vorwürfe auch zu personellen Änderungen geführt. Das Betrugs­verfahren gegen den Vorstandsvorsitzenden der Audi AG hatte dessen Beurlaubung durch den Aufsichtsrat zur Folge.


Bei den genannten Beispielen aus Großunternehmen darf nicht vergessen werden, dass nicht nur große Unternehmen hiervon betroffen sind. So können auch Mittelständler für vermeintlich harmlose Absprachen mit Wettbewerbern kartellrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.

 

Auswirkung auf die Compliance

Strafrechtliche Konflikte in einer Gesellschaft berühren das Compliance-Management des Unternehmens. Die Compliance, die zur Aufgabe hat, die Einhaltung von Gesetzen und Normen in Unternehmen sicherzustellen, wird in solchen Situationen vor besondere Herausforderungen gestellt: Denn Gesetzesübertretungen wirken sich auf das ganze Unternehmen aus und betreffen dessen schutzwürdige Interessen. Was sie besonders gefährlich macht, sind die potenziellen unternehmerischen Schäden, einhergehend mit erheblichen Prozess- und Anwaltskosten, die eine zivil- und strafrechtliche Aufarbeitung bzw. ein Strafverfahren bei einer öffentlichkeitswirksamen Affäre mit sich bringen.


Liegen einem Unternehmen Hinweise auf Pflichtverstöße von ehemaligen oder aktuellen Mitarbeitern vor, bietet sich die Heranziehung von Instrumenten der Compliance an.


In Betracht kommt insbesondere – wie bei Bilfinger – die Durchführung von internen Ermittlungen oder auch die Etablierung eines Hinweisgebersystems zur Aufdeckung von Verstößen gegen die gute Unternehmens­führung. Diese Instrumente sind zu einem wichtigen Faktor in der Untersuchung von Wirtschaftskriminalität geworden, mit dem Zweck, Haftungsrisiken für Unternehmen und Geschäftsleitung zu vermeiden und Schwachstellen im Unternehmen zu identifizieren.


Unternehmensinterne Lösungen haben den Vorteil, dass Fehlentwicklungen ohne staatliche Sanktionen oder Imageeinbußen korrigiert werden können. Auf diese Weise können Risiken minimiert und Haftung vermieden werden. Der gute Ruf des Unternehmens bleibt geschützt.

 

Fazit: Bedeutung der Konfliktprävention

In Anbetracht der genannten, weitreichenden Folgen gilt das Sprichwort „Vorsorge ist besser als Nachsorge”.


Gerade im Hinblick auf die strafrechtliche Dimension von Konflikten ist eine effektive Konfliktprävention entscheidend. Compliance wird zum existenziellen Thema bei der Vermeidung von Konflikten. Die Schaffung von Compliance Management-Systemen kann ein fruchtbarer Ansatz sein. Dabei handelt es sich um Strukturen, die es ermöglichen, Konflikte und Risiken zu erkennen und damit zur Verhinderung und Deeskalation möglicher Nachteile für Unternehmen beitragen können. Solche Systeme sollten bereits in kleinen, mittelständischen Unternehmen selbstverständlich sein. Hierfür ist ein Bewusstsein zu schaffen, denn die Vorteile überwiegen den Aufwand für die Etablierung solcher Systeme.


Das gilt umso mehr seit dem Urteil des Bundesgerichtshofes, in dem entschieden wurde, dass es für die Be­messung eines Bußgeldes in Fällen der Rechtsverletzung strafmildernd berücksichtigt werden kann, wenn ein effizientes Compliance Management-System  installiert worden ist (BGH, Urteil vom 09.05.2017 – 1 StR – 1 StR 265/16).


Eine präventive Ausweitung der Compliance Management-Systeme auf mögliche Konfliktfelder unter Ein­be­ziehung denkbarer Delikte ist daher die beste Vorsorge.

Kontakt

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Ulrike Grube

Wirtschaftsjuristin (Univ. Bayreuth), Rechtsanwältin

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