Chief Compliance Officer: Königsweg zu einer effektiveren Governance?

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Korruption und Korruptionsvorwürfe vernichten innerhalb kürzester Zeit Unternehmenswerte, die über eine lange Unternehmensdauer aufgebaut wurden. Die Einsetzung eines Chief Compliance Officers trägt dazu bei, Pflichtverstößen auf allen Ebenen des Unternehmens entgegenzuwirken.
 
Vorwürfe über nicht pflicht- oder sachgerechte Handlungen im Unternehmen schädigen auch nach deren Beseitigung nachhaltig und auf Dauer das Image des Unternehmens. Denn dieses Image und der dadurch verkörperte Unternehmenswert bilden sich nicht nur aus der Summe der Aktiva einer Unternehmung, sondern insbesondere aus dem Vertrauen der Märkte in die Leistungsfähigkeit des Unternehmens, der Unternehmensleitung und ihrer Aufsichtsorgane. Sensibilisiert durch große Korruptionsskandale in der jüngeren Vergangenheit führen solche Nachrichten immer wieder zu erheblicher Verunsicherung an den Kapitalmärkten sowie zu einer Schwächung der Unternehmensposition im Markt. Lediglich von sekundärer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang, ob sich die Vorwürfe letztlich bestätigen; ausreichend sind bloße Verdachtsmomente zum Fehlverhalten des Unternehmens und dessen Leitungs- und Überwachungsorganen.
 
Im Interesse einer funktionierenden Corporate Governance und um derartig unternehmensschädigenden Folgen zuvorzukommen, haben nicht nur die großen Kapitalgesellschaften, sondern inzwischen auch GmbHs so genannte Corporate-Governance-Organisationen etabliert, denen oft mit der Einsetzung von Chief Compliance Officers bzw. Compliance-Beauftragten ein Gesicht verliehen wird. Ein Ende der Implementierung solcher „organähnlichen” Schaltstellen bis auf die Ebene kleinerer Betriebe ist nicht abzusehen.
 
Völlig zu recht. Denn Compliance ist kein Modethema mehr, das dem Unternehmen bei entsprechender Institutionalisierung von Compliance Officers ein sauberes Antlitz verleiht und Verantwortung auslagert. Mittlerweile hat die höchstrichterliche Rechtsprechung auf den Gebieten des Zivil-, Arbeits- und Strafrechts differenzierte Grundsätze herausgebildet, die eine Behandlung von Compliance-Themen im Unternehmen unumgänglich machen. Sie führen sogar so weit, dass Gerichte bei Unternehmen einer gewissen Größe und Gefährdungslage den unternehmerischen Ermessensspielraum, ob eine Compliance-Struktur eingerichtet werden muss oder nicht, radikal einschränken und Unternehmen zur Einrichtung verpflichtet sehen.
 
Selbst wenn Unternehmen ihre Compliance Officers etablieren, bleibt die Frage, ob diese als „Ikonen der Korruptionsbekämpfung” tatsächlich die Garanten für eine effiziente Corporate Governance sind oder ob sie lediglich eine werbewirksame Mogelpackung darstellen, die von möglichen Schwächen des Unternehmens ablenken, schlimmstenfalls über sie hinwegtäuschen sollen. Letztlich wird die Einordnung dieser Frage von der jeweiligen Unternehmensstruktur abhängen. Entscheidend ist hierbei, ob der Chief Corporate Compliance Officer tatsächlich autonom oder weisungsfrei gegenüber sonstigen Unternehmensorganen handeln kann. Sofern dies seitens des Unternehmens durch die entsprechende Gestaltung der internen Regelungen gewährleistet ist, besteht eine gute Chance, dass der Chief Corporate Compliance Officer tatsächlich zum Bürgen der Corporate Governance-Struktur im Unternehmen wird. Inwieweit diesen Anforderungen bereits in der Praxis Genüge getan wird, lässt sich den bisherigen Verlautbarungen der Unternehmen nicht zweifelsfrei entnehmen.
 
Es gilt daher, Unabhängigkeit und Weisungsfreiheit des Chief Compliance Officers zu gewährleisten und darüber hinaus für eine entsprechende Markttransparenz Sorge zu tragen. Nur auf diese Weise lässt sich nicht nur die Werthaltigkeit der Position des Chief Compliance Officers sichern und stärken. Darüber hinaus wird auch einer Entwicklung vorgebeugt, die einigen wenigen Unternehmen zu einem werbewirksamen Auftritt verhilft, der sich bei einem späteren Scheitern des Revisionsorgans wegen erneuter Verstöße und Korruptionsfälle nachteilig auf alle Unternehmen auswirken kann, die im guten Glauben den Chief Compliance Officer als Teil der Corporate Compliance-Organisation eingeführt haben.
 
Als Regelwerk zur Aufnahme entsprechender Rahmenbedingungen bietet sich der Corporate Governance Kodex an. Unternehmen, die sodann die Einhaltung und Anwendung des Corporate Governance Kodex bestätigen, verlautbaren damit auch, dass das neue Revisionsorgan Chief Corporate Compliance Officer über die erforderliche Unabhängigkeit, Selbständigkeit und Weisungsfreiheit verfügt. Auch die Rechtsprechung lässt den Grad der Verantwortlichkeit des Chief Compliance Officers erkennen, wenn sie erwägt, ihn als Aufsichtspflichtigen nach § 130 OWiG einzustufen oder ihm sogar eine strafrechtliche Garantenpflicht im Fall des Unterlassens von Handlungen beimisst. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es mit der bloßen Einrichtung eines Compliance-Systems nicht getan ist; vielmehr ist und bleibt die Wahrnehmung der Compliance-Verantwortung eine Daueraufgabe für den Vorstand.
 
zuletzt aktualisiert am 01.06.2016

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Frank J. Bernardi

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