KG Berlin: Je mehr Leistung umso weniger Rücktritt

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​​veröffentlicht am 15. August 2024


Der Rücktritt von einem Vertrag ist gem. § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB immer dann ausgeschlossen, wenn die monierte Pflichtverletzung unerheblich ist. Das Kammergericht Berlin stellt sich in seinem Urteil vom 18.6.2024 (Az. 21 U 20/23) der Frage, wann eine solche Unerheblichkeit vorliegen kann.

 

Die wichtigsten Inhalte im Überblick:

  • ​Die Beurteilung der Frage, ob eine Pflichtverletzung unerheblich im Sinne des § 323 Abs. 5 S. 2 BGB ist, erfordert eine umfassende Interessenabwägung auf der Grundlage der Umstände des Einzelfalls. Dabei verbietet sich die Annahme starrer Schwellenwerte.
  • Geht es um den Rücktritt des Bestellers von einem Bauvertrag, ist von Bedeutung, ob die Leistung des Unternehmers bereits umfangreich mit einem dem Besteller gehörenden Baugrundstück verbunden ist, sodass sie nicht mehr in wirtschaftlich sinnvoller Weise zurückgegeben werden kann.
  • Der Rücktritt wirft in einem solchen Fall besondere Schwierigkeiten auf: Zunächst ist zu klären, ob die Rückgewähr der mit dem Baugrundstück verbundenen Bauleistung damit ihrer Natur nach ausgeschlossen ist (vgl. § 346 Abs. 2 Nr. 1 BGB) oder ob vom Unternehmer doch der technisch letzten Endes immer mögliche Rückbau abverlangt werden kann. Wenn die Rücknahme der Bauleistung in Natur ausgeschlossen sein sollte, stellt sich die Frage, wie der dem Unternehmer dann zustehende Wertersatz zu ermitteln ist, was ebenfalls gerade bei einer mangelhaften Leistung schwierig sein kann.
  • Aus diesem Grund ist es geboten, im Fall eines Bauvertrags die Schwelle für eine unerhebliche Pflichtverletzung im Sinne von § 323 Abs. 5 S. 2 BGB höher anzusetzen als bei anderen Vertragstypen (etwa Kauf- oder Bauträgerverträgen), bei denen die Leistung nach Rücktritt des Leistungsempfängers im Regelfall an den Leistungserbringer in Natur zurückgegeben werden kann.
  • Dieses Ergebnis begegnet insbesondere deshalb keinen Bedenken, weil der Besteller damit nicht rechtlos gestellt ist, sondern weiterhin die Möglichkeit hat, sein Interesse an einer ordnungsgemäßen Erfüllung des Bauvertrags durchzusetzen: Es bleibt ihm unbenommen, einen Vorschuss auf die Kosten zu fordern, die für die Beseitigung der bestehenden Mängel erforderlich sind oder er kann nach Beseitigung der Mängel auf eigene Kosten "kleinen" Schadensersatz vom Besteller beanspruchen.​

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Dr. Julia Müller

Rechtsanwältin, Fachanwältin für Vergaberecht

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