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veröffentlicht am 15. Januar 2021 | Lesedauer ca. 6 Minuten
von Grit Campos Nave
Am 1. Januar 2021 trat die sog. panafrikanische Freihandelszone „African Continental Free Trade Area” (AfCFTA) in Kraft. Eines ihrer wichtigsten Ziele ist die Förderung sowie Stärkung des Handels mit Waren und Dienstleistungen auf dem afrikanischen Kontinent. Mit der schrittweisen Umsetzung zu einer der weltweit größten Freihandelszonen soll die Wirtschaft innerhalb Afrikas noch stärker (zusammen) wachsen und über die bereits bestehenden Handelsblöcke hinaus als Ganzes vereint werden.
Daraus resultiert die Chance für die afrikanischen Länder, aber auch für deutsche Unternehmen, erhebliches Wachstum zu generieren. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unterstützt bereits seit 2016 die Errichtung einer afrikanischen Freihandelszone über die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit.
Das Abkommen ist ein Projekt der Afrikanischen Union (AU), einen gemeinsamen großen Binnenmarkt zu errichten. Es ist von 54 Mitgliedsstaaten der AU unterzeichnet worden, von denen inzwischen 30 Länder den Vertrag ratifiziert haben. Das ist ein historischer Meilenstein für einen gemeinsamen Markt auf dem zweitgrößten Kontinent der Erde.
Zugleich stellt die Freihandelszone eine enorme Herausforderung für alle beteiligten Länder Afrikas dar mit den erforderlichen Aufgaben, die schrittweise noch bewältigt werden müssen.
Der afrikanische Kontinent gehört weltweit zu den am rasantesten wachsenden Volkswirtschaften. Dennoch beträgt der gesamtkontinentale Außenhandel innerhalb Afrikas lediglich rund 17 Prozent. Im Vergleich dazu wird der weit überwiegende Teil ihres wirtschaftlichen Handels mit den Ländern außerhalb des afrikanischen Kontinents abgewickelt. Die Ursachen sind zahlreich, bspw. die innerafrikanischen Handelshemmnisse, Zölle, unzureichende Infrastruktur, die einen störungsfreien Warentransport erschweren oder gar unmöglich machen.
Zugleich besteht der überwiegende Anteil der Afrika-Exporte aus Rohstoffen, wie Erdöl und -gas sowie Mineralien, in andere Regionen außerhalb des Kontinents. Diese Rohstoffe unterliegen zudem sehr hohen Preisschwankungen. Hinzu kommt, dass ökonomisch schwache afrikanische Länder (mit Ausnahme von bspw. Südafrika und Nigeria) in erheblichem Umfang von ihren Einnahmen aus den Rohstoff- und Agrarexporten abhängig sind und ein Rohstoffverarbeitungssektor (Industrie) gar nicht vorhanden ist. Die industrielle Verarbeitung, bspw. von Kakao, findet überwiegend in Südafrika und Nigeria oder gar außerhalb des afrikanischen Kontinents statt. Das macht deutlich, dass viele afrikanische Länder noch immer sehr importabhängig sind, u.a. von Nahrungsmittelerzeugnissen, aber auch einen sehr hohen Importbedarf an Maschinen (Investitionsgüter) sowie weitere Waren, die die schnell wachsende Bevölkerung benötigt. Diese Waren werden sodann aus Südafrika oder Ländern außerhalb Afrikas bezogen, wie u.a. aus der Volksrepublik China, aus den USA und Europa.
Die Mitglieder der AU haben bereits erkannt, wie wichtig es ist, ihre Wirtschaft zu diversifizieren und weitere Sektoren zu fördern, um sich nicht einseitig von den Einnahmen aus ihren Rohstoffexporten abhängig zu machen. Deren Zielsetzung ist es, vom reinen Fertigwarenimport nicht mehr abhängig zu sein.
Die neue Freihandelszone mit insgesamt 1,2 Mrd. Menschen und 54 Staaten auf dem afrikanischen Kontinent verspricht viele Wirtschaftspotenziale für die afrikanischen Länder, aber auch für deutsche Unternehmen. Es ist ein Binnenmarkt, in dem Produkte zwischen den afrikanischen Ländern hergestellt, gekauft und verkauft sowie Zölle weitestgehend abgeschafft werden sollen, um den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr zu ermöglichen.
Die Hauptziele der AfCFTA sind insbesondere:
Schließlich soll sich die Wertschöpfungstiefe auf dem afrikanischen Markt künftig deutlich erhöhen.
Mithilfe der Freihandelszone könnte die Position Afrikas auf globaler Ebene insgesamt deutlich gestärkt werden, indem das wirtschaftliche Potenzial der teilnehmenden Länder besser genutzt wird. Laut Einschätzung der Weltbank könnten etwa bis zum Jahr 2035 die Exporte auf diesem Kontinent erheblich zunehmen, das Bruttoinlandsprodukt deutlich ansteigen und viele neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
Für die Wirtschaft Afrikas resultiert daraus die Chance, dass sie sich von den restlichen Ländern der Welt weniger abhängig macht. Derzeit entsteht bspw. in Kenia einer der größten Hochseehäfen Afrikas, der sich künftig als ein Zugangstor zum asiatischen Markt entwickeln und sich zusätzlich zu einem der bedeutendsten Warenumschlagsplätze etablieren soll.
Das ist ein Beispiel dafür, dass Afrika von den Medien noch immer sehr einseitig als Entwicklungsland beschrieben wird, was nicht immer den Tatsachen entspricht. Bspw. gibt es in Nigeria, einem Markt von rund 196 Mio. Menschen, zahlreiche Industrien mit Produktionsstandorten. Neben Nigeria hat zudem Südafrika die größte Volkswirtschaft des Kontinents und dient gleichzeitig als Drehkreuz für deutsche Investitionen in den wachsenden afrikanischen Märkten der Subsahara-Länder. Aufgrund seiner modernen Infrastruktur, zahlreicher Produktionsbetriebe (u.a. Automobile, Nahrungsmittel, Chemie) in den Wirtschaftszentren Johannesburg sowie Kapstadt mit ihren Dienstleistungen (Erneuerbare Energien, Finanzen, Versicherungen, Handel, IT) bietet das Land am Kap eine breite industrielle Basis sowie einen hochentwickelten Finanzsektor und funktionierendem Rechtssystem mit großem Potenzial für deutsche Unternehmen.
Bis zu den erhofften Vorteilen aus der AfCFTA wird es sicherlich noch eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Die dafür erforderlichen Modalitäten müssten im Vorfeld auch in den einzelnen afrikanischen Staaten umgesetzt werden.
Auf dem afrikanischen Kontinent gibt es bereits regionale Handelsbündnisse, die über zollfreie Wirtschaftsräume verfügen, wie die „East African Community” (EAC) für Ostafrika oder die „Economic Community of West African States” (ECOWAS) für Westafrika. Allerdings findet zwischen Ost- und Westafrika ein wirtschaftlicher Austausch kaum statt. Viele afrikanische Länder orientieren sich vorwiegend nach Asien, insbesondere nach China. Das zeigt, dass die bestehenden Wirtschaftsräume bei weitem nicht ausreichen, um die bestehenden Potenziale auf dem gesamten Kontinent ausschöpfen zu können.
Außerdem behindern viele Handelshemmnisse den innerafrikanischen Handel noch immer in erheblichem Maße. Ein Unternehmer bzw. Exporteur muss viele Hürden in Kauf nehmen, wie etwa die unzureichende Straßeninfrastruktur durch fehlende oder kaputte Transportwege für Warentransporte sowie hohe Einfuhrzölle mit beschwerlichen Ausfuhrbestimmungen. Bürokratische zeitintensive Verfahren mit teils extrem langen Wartezeiten an vielen Grenzübergängen, die einen Handel innerhalb Afrikas erschweren und die Handelskosten zudem erhöhen, ist keine Seltenheit.
Mit der Beseitigung von zeitraubenden Exportbestimmungen, aber auch des Aufbaus einer angemessenen Straßeninfrastruktur, die die afrikanischen Länder miteinander verbindet, könnten bspw. afrikanische sowie ausländische Unternehmen von ihrem Unternehmensstandort, etwas aus Südafrika, ihre Produkte einfacher in afrikanische Nachbarländer transportieren und exportieren.
Als weiteres Instrument wäre die Implementierung einer starken inländischen und afrikaweiten Zollverwaltung vorstellbar. Im Rahmen der Umsetzung der Freihandelszone sollen die notwendigen Parameter für Handel, Investitionen und Beschäftigungen in Afrika stufenweise geschaffen werden.
Der steigende Bedarf nach Waren und Dienstleistungen, v.a. bedingt durch das rasant zunehmende Bevölkerungswachstum, hat dazu geführt, dass weitere Investitionsmöglichkeiten geschaffen werden müssen.
Entwicklungsbedarf gibt es in vielen Sektoren, u.a. in den Bereichen Agrarwirtschaft, Ausbildung und Gesundheit. Der hohe Nachholbedarf an Waren und Dienstleistungen, besonders in den Bereichen Infrastruktur, Nahrungsmittel, Energie und Wassersektor bietet zudem deutschen Unternehmen eine Chance, in Afrika unternehmerisch tätig zu werden. Denkbar wäre ein Standort im modernen und wirtschaftlich stark entwickelten Südafrika, um von dort aus (Drehkreuz) nicht nur die umliegenden afrikanischen Subsahara-Märkte zu beliefern.
Mit der Gründung von Produktionsbetrieben, bspw. im Nahrungsmittelsektor und in der Automobilindustrie, könnten zudem Zulieferer- und Abnehmerbranchen für die gesamte afrikanische Region entstehen. Das könnte deutsche Investoren motivieren, verstärkt Produktionsstandorte aufzubauen, um letztendlich ihre deutschen Produkte verstärkt auf dem afrikanischen Kontinent absetzen zu können. Bspw. könnten deutsche Maschinenbauunternehmen neue Fabriken ausrüsten. Auch der Bezug von Ausstattungskomponenten für die Fahrzeugfertigung sind denkbar, wie bspw. der Bezug von Fahrzeugsitzbezügen aus Äthiopien.
Folglich könnten Investitionen und Handel durch einen gesamtafrikanischen Markt für afrikanische Unternehmen auch für deutsche Investoren attraktiver werden. Allerdings ist denkbar, dass bestehende Zollbestimmungen zwischen den einzelnen afrikanischen Staaten und der Europäischen Union trotz der AfCFTA zunächst noch bestehen bleiben. Wann und in wie weit ein einheitlicher afrikanischer Außenzoll umgesetzt wird, bleibt abzuwarten und ist abhängig von dem konkreten Umsetzungswillen der einzelnen afrikanischen Staaten.
Die derzeitige Corona-Situation macht deutlich, wie wichtig es sein kann, wirtschaftlich zusammen zu rücken und wie schwierig es sein kann, auf Prozesse zuzugreifen, wenn plötzlich die Ländergrenzen geschlossen werden und der in- und ausländische Flugverkehr deutlich eingeschränkt oder gar gestoppt wird.
Mit der Einrichtung der panafrikanischen Freihandelszone werden die Weichen gestellt, um den Handel auf dem afrikanischen Kontinent anzukurbeln, die bestehenden Hemmnisse abzubauen, die nationalen Handelsgesetze zu reformieren und zu vereinheitlichen. Die stellt die Länder vor enormen Herausforderungen. Es ist davon auszugehen, dass die Effekte in den einzelnen Ländern zunächst unterschiedlich stark ausfallen werden.
Vor dem Hintergrund der noch zu bewältigenden Probleme bleibt es abzuwarten, in wie weit es gelingt, dass sich die Wirtschaft auf dem afrikanischen Kontinent dynamischer entwickelt als bisher. Verhandlungen über die konkreten weiteren Schritte zwischen den einzelnen Wirtschaftsministern sollen kontinuierlich stattfinden.
Um künftig weltweit wettbewerbsfähiger zu werden und sich langfristig auch in den Welthandel zu integrieren, ist für den afrikanischen Kontinent der Zeitpunkt günstig, sich mit dem Start der Freihandelshone, neu und wettbewerbsfähiger aufzustellen.
Nicola Lohrey
Rechtsanwältin, Avocat à la Cour
Geschäftsführende Partnerin
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