Neuer Steuer-Selbstschutz: Leitlinien des Finanzamts in Italien

PrintMailRate-it

​​​​​​​​ veröffentlicht am 10. Dezember 2024 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Die gesetzvertretende Rechtsverordnung [Italien: „Decreto Legislativo“] Nr. 219/2023 bringt durch die Einführung der Artikel 10-quater und 10-quinquies des Bestimmungen zur Rechtslage des Steuerzahlers bedeutende Neuerungen für den Steuer-Selbstschutz, ein Verfahren, das es der Finanzverwaltung ermöglicht, ein Steuerverfahren im Falle von Rechtsmängel oder Formfehler ganz oder teilweise zu annullieren.




Das Rundschreiben Nr. 21/E vom 7. November 2024 des Finanzamtes stellt einen bedeutenden Schritt in der Regulierung dieser Institution dar, da es die Verfahren, Zuständigkeiten und Anwendungsmodalitäten dieses grundlegenden Instruments für die Verwaltung von Steuerstreitigkeiten präzisiert. 

Obligatorischer Selbstschutz

Eine der wichtigsten Neuerungen besteht in der formalen und inhaltlichen Unterscheidung zwischen obligatorischem und fakultativem Selbstschutz, wobei genau dargestellt wird, in welchen Situationen die Verwaltung von Amts wegen eingreifen muss und in welchen Situationen ein Eingreifen im Ermessen bleibt.
Der obligatorische Selbstschutz, der in Artikel 10-quater geregelt ist, verpflichtet die Steuerbehörden zur vollständigen oder teilweisen Annullierung von Besteuerungsakten, die mit offensichtlichen und unbestreitbaren Mängeln behaftet sind. Diese Neuerung zielt darauf ab, Steuerstreitigkeiten zu reduzieren und eine schnellere und gerechtere Bearbeitung von Streitfällen zu gewährleisten.

Zu den besonderen Fällen des obligatorischen Selbstschutzes gehören:
  • Fehler in Bezug auf die Person: wenn der Akt an eine andere Person als den Schuldner gerichtet ist;
  • Rechenfehler: arithmetische Ungenauigkeiten, die leicht zu erkennen sind;
  • Falsche Anwendung der Steuer: z.B. Anwendung einer Steuer, ohne dass die Voraussetzungen dafür erfüllt sind;
  • Nichtberücksichtigung von erfolgten Zahlungen: Nichtanerkennung von ordnungsgemäß geleisteten Zahlungen;
  • Schreibfehler des Steuerpflichtigen: Offensichtliche Ungenauigkeiten in den übermittelten Daten, die jedoch von der Verwaltung korrigiert werden können;
  • Nachträglich ergänzte Dokumentation: Fälle, in denen der Steuerpflichtige die Versäumnisse innerhalb der vorgeschriebenen Fristen berichtigt hat.

Diese Aufzählung von Fällen hat laut Rundschreiben zwingenden Charakter und ist restriktiv auszulegen; dadurch wird das Eingreifen der Steuerverwaltung auf die ausdrücklich vorgesehenen Fälle beschränkt, wodurch die Klarheit der Vorschriften gewährleistet, gleichzeitig aber auch ihr Anwendungsbereich eingeschränkt wird. Das Rundschreiben unterstreicht, dass der obligatorische Selbstschutz auch im Laufe eines Verfahrens ausgeübt werden kann, sofern kein rechtskräftiges Urteil zugunsten der Steuerbehörden ergangen ist. Darüber hinaus ist die Aktivierung des Selbstschutzes innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft des Akts zulässig, was eine größere zeitliche Flexibilität bei rechtlichen Einschritten begünstigt.

Fakultativer Selbstschutz

Der fakultative Selbstschutz, die in Artikel 10quinquies geregelt ist, stellt eine der wichtigsten Neuerungen dar. Diese Modalität ermöglicht es der Verwaltung, Steuerakte zu annullieren, wenn keine offensichtlichen Mängel vorliegen. Es handelt sich um eine Ermessensbefugnis, die auch ohne Antrag des Steuerpflichtigen ausgeübt werden kann.

Das Rundschreiben stellt klar, dass dieser Selbstschutz in folgenden Situationen gilt:
  • Nicht offensichtliche Rechtswidrigkeit des Rechtsakts: Fälle, in denen der Fehler zwar existiert, aber nicht sofort offensichtlich ist;
  • Zweckmäßigkeit der Verwaltung: wenn die Verwaltung beurteilt, ob das Eingreifen zur Verringerung von Rechtsstreitigkeiten und für eine gute Verwaltung nützlich ist.

Diese Möglichkeit kann auch nach Ablauf der Jahresfrist ab Rechtskraft des Akts ausgeübt werden, sofern noch kein Urteil zugunsten der Steuerbehörden ergangen ist und der Akt nicht Gegenstand einer erleichterten Erledigung war. Durch diese Neuerung wird die Verwaltung in die Lage versetzt, auch bei komplexen Sachverhalten einzugreifen, was die Transparenz und Effizienz fördert. Das Rundschreiben präzisiert die Art und Weise, wie Steuerpflichtige Anträge auf Selbstschutz stellen können, und führt eine Reihe von Neuerungen ein, die das Verfahren vereinfachen und digitalisieren sollen:
  • Modalitäten der Einreichung;
  • Nutzung der Telematikdienste des Finanzamts;
  • Übermittlung mittels zertifizierter E-Mail PEC (Posta Elettronica Certificata);
  • Manuelle Abgabe bei den zuständigen Ämtern;
  • Inhalt des Antrags (zusammengefasst);
  • Identifizierung des Steuerpflichtigen und der betreffenden Steuerakte;
  • Detaillierte Beschreibung der festgestellten Mängel unter Angabe der anwendbaren Vorschriften;
  • Beifügung von beweiskräftigen Unterlagen;
  • Fristen für die Antwort;
  • Die Verwaltung muss ihre Entscheidung innerhalb von 90 Tagen nach Eingang des Antrags treffen;
  • Das Ausbleiben einer Antwort bedeutet nicht, dass der Bescheid akzeptiert wird, sondern der Steuerpflichtige kann eine förmliche Entscheidung beantragen.

Haftung und Schutz des Verwaltungspersonals​

Eine weitere wichtige, weniger offensichtliche, aber vielleicht wichtigere Neuerung mit größerer innovativer Wirkung als in der Vergangenheit, die mit dem Rundschreiben eingeführt wurde, betrifft die verwaltungsrechtliche und buchhalterische Haftung von Steuerbeamten. In dem Rundschreiben wird festgelegt, dass die Haftung nur auf Fälle von Vorsatz beschränkt ist, wobei grobe Fahrlässigkeit ausgeschlossen ist. Diese Änderung ermutigt die Ämter zum Selbstschutz, ohne persönliche Konsequenzen befürchten zu müssen, und fördert ein proaktiveres und flexibleres Management von Fehlersituationen.

Schlussfolgerungen

Für die Steuerzahler stellt das Rundschreiben Nr. 21/E eine Möglichkeit dar, rechtswidrige Steuerhandlungen wirksamer und schneller anzufechten. Die Unterscheidung zwischen obligatorischem und fakultativem Selbstschutz bietet ein klareres Bild der Handlungsmöglichkeiten; darüber hinaus dürften die neuen Verfahrensmodalitäten einen bedeutenden Schritt in Richtung einer gerechteren und effizienteren Verwaltung der Beziehung zwischen Steuerbehörde und Steuerpflichtigem darstellen.

AUS DEM NEWSLETTER

Kontakt

Contact Person Picture

Stefano Damagino

Dottore Commercialista, Revisore Legale

Associate Partner

+39 02 6328 841

Anfrage senden

WIR BERATEN SIE GERN!

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu