Neue grenzüberschreitende Meldepflichten in der EU

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zuletzt aktualisiert am 3. Februar 2021 | Lesedauer ca. 3 Minuten


Die deutsche Abgabenordnung wurde um die Vorschriften §§ 138d bis 138i erweitert. Dahinter verbirgt sich die Umsetzung einer EU-Richtlinie und die Einführung einer Meldepflicht für potenziell aggressive grenzüberschreitende Steuergestaltungen. Seit dem Inkrafttreten der Neuregelungen zum 1. Juli 2020 hat das erhebliche Auswir­kun­gen auf die Tax Compliance, weshalb es in PMI-Projekten nun eine hohe Relevanz erlangt hat.



Hintergrund

Nach einem Unternehmenserwerb oder einer konzerninternen Umstrukturierung geht die Arbeit für Steuerbe­rater und Steuerabteilungen erst richtig los. In der sog. Post Deal- oder PMI-Phase muss dafür gesorgt werden, dass das neu erworbene Unternehmen in steuerlicher Hinsicht „richtig” in die Gruppenstruktur des Erwerbers eingepasst wird bzw. die schon vorbereitete und umgesetzte Strukturmaßnahme zum Abschluss gebracht wird. Das Ende einer Umstrukturierung in steuerlicher Hinsicht bildet zunächst die Steuererklärung – so war das bisher.

Durch die Panama Papers und infolge der Kreativität der Steuerpflichtigen, Erträge an den beteiligten Finanzbehörden vorbei einer ordnungsgemäßen Besteuerung zu entziehen, hat die EU ein neues Kapitel in der Aufdeckung von vermeintlichen Steuerschlupflöchern aufgeschlagen. Mit der Umsetzung der EU-Richtlinie 2019/822 über meldepflichtige grenzüberschreitende Gestaltungen (kurz auch als „DAC 6” bezeichnet) wollen die beteiligten Staaten Steuertransparenz für „aggressive Steuerplanung” schaffen.


Einführung einer Meldepflicht

Die EU sieht in der Richtlinie die Einführung einer Meldepflicht für bestimmte „potenziell aggressive” grenzüberschreitende Steuergestaltungen vor, die bestimmte zuvor festgelegte Kriterien (Kennzeichen oder hallmarks) erfüllen. Über die Meldung wollen die beteiligten Finanzbehörden Transparenz schaffen und so Gewinnverlagerungen verringern, die zur Erosion des Besteuerungssubstrats führen. Unerwünschte Gesetzeslücken und damit verbundene Gestaltungsmöglichkeiten sollen deutlich erkennbar werden und die Finanzbehörden in die Lage versetzen, die Lücken zu schließen.

Die Meldepflicht trifft dabei nicht nur den Steuerpflichtigen selbst, sondern auch den sog. Intermediär, also denjenigen, der die Gestaltung konzipiert, vermarktet, zur Umsetzung bereitstellt oder die Umsetzung verwaltet. Damit sind insbesondere auch die Steuerberater als Intermediäre von der Meldepflicht betroffen.


Zeitaspekt

Grundsätzlich wäre das nicht weiter problematisch, da Steuerpflichtige bzw. auch deren Berater ohnehin mit Abgabe der Steuererklärung die steuerlichen Verhältnisse offenlegen. Pikant und schwierig ist die Meldepflicht aufgrund des Zeitaspekts. Nicht erst mit Abgabe der Steuererklärung für einen Veranlagungszeitraum, in dem die Steuergestaltung realisiert wurde, sondern bereits innerhalb von 30 Tagen nach Eintritt des meldepflichtigen Ereignisses hat die Meldung zu erfolgen.

Die volle Rechtskraft hat die Richtlinie für Gestaltungen ab dem 1. Juli 2020 entfaltet. Allerdings war eine rückwirkende Komponente enthalten: Alle Gestaltungen im Zeitraum zwischen Inkrafttreten der Richtlinie am 25. Juni 2018 und dem 30. Juni 2020 waren ebenfalls meldepflichtig; sie unterlagen nicht der 30-Tage-Regel, sondern mussten gesammelt bis zum 31. August 2020 gemeldet werden.


Umsetzungsstand in der EU

Die Richtlinie wurde in fast allen Mitgliedsstaaten der EU umgesetzt und die entsprechenden nationalen Vorschriften sind in Kraft getreten. Einzig in Zypern ist bislang lediglich ein Gesetzesentwurf vorhanden. Aufgrund der Corona-Pandemie haben viele EU-Mitgliedsstaaten eine Verlängerung der Meldefrist beschlossen. Nur Deutschland, Österreich und Finnland haben eine solche Corona-bedingte Verlängerung nicht vorgenommen. Im Hinblick auf ein besseres Verständnis der Gesetzestexte werden mit Spannung die Schreiben der Finanzverwaltungen in den einzelnen Ländern erwartet. Bislang gab es in Deutschland im Juli 2020 nur einen Entwurf eines solchen BMF-Schreibens.


Bedeutung für PMI

Da die meisten Umstrukturierungen in weltweit agierenden Konzernen – ebenso wie viele Unternehmenser­werbe – einen grenzüberschreitenden Kontext haben, muss für alle Maßnahmen sorgfältig geprüft und dokumentiert werden, ob die Kennzeichen der Richtlinie erfüllt sind und daher eine Meldepflicht ausgelöst wird. Es sei nur exemplarisch an notwendige Finanzierungsmaßnahmen bei derartigen Umstrukturierungen zu denken, wenn zunächst notwendige Fremdfinanzierung in Eigenfinanzierung umgewandelt wird oder umgekehrt. Bereits das würde eines der „hallmarks” erfüllen. Eine Meldung ist nur dann entbehrlich, wenn nicht einer der Vorteile der Gestaltung auch ein Steuervorteil ist. (sog. „main benefit test”).


Fazit

Es ist daher künftig sicherzustellen, dass Unternehmen und Berater die Meldepflicht bei ihren PMI-Struk­turmaßnahmen eng überwachen. Die Entscheidung, ob eine Meldung erfolgen muss, ist rechtzeitig zu treffen und erfordert auch die Übermittlung einer Reihe von Unterlagen an die Finanzbehörden. Um keine Pflichten im mitbetroffenen EU-Staat zu versäumen, sollte stets auch das ausländische Gesetz zur Meldepflicht im Blick behalten werden. Daher ist zu gewährleisten, dass die steuerlichen Berater bzw. die Steuerabteilung Teil eines PMI-Projektes ist, da derzeit keine abschließende Aussage darüber getroffen werden kann, welche Maßnahmen tatsächlich die Meldepflicht auslösen.

Bei Verletzung der Meldepflichten drohen erhebliche Strafzahlungen (Geldbußen bis 25.000 Euro pro betroffenem Meldefall), die eine vermeintlich steuerneutrale Maßnahme erheblich verteuern können.

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