Der Koalitionsvertrag – Auswirkungen auf Leistungserbringer im Gesundheitswesen: Apotheker

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​​​​​​​​veröffentlicht am 11. April 2025


„Den Apothekerberuf entwickeln wir zu einem Heilberuf weiter.“ Nähere Ausführungen dazu, wie und in welcher Form das geschehen soll, enthält der Koalitionsvertrag nicht. Auch ist der Begriff des „Heilberufs“ im deutschen Recht nicht definiert, wenngleich er im Grundgesetz und anderen Vorschriften verwendet wird. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts umfasst er neben der ärztlichen auch die nichtärztliche Tätigkeit auf dem Gebiet der Heilkunde; dazu gehören alle Tätigkeiten zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen.

Bereits heute erbringen Apotheker heilberufliche Leistungen – so schon, wenn sie für Erkrankungen rezeptfreie Arzneimittel empfehlen, aber auch, wenn sie Blutdruckmessungen, die Bestimmung von Laborwerten o. ä. anbieten. Nach § 20c Infektionsschutzgesetz (IfSG) dürfen Apotheker bereits heute Erwachsene gegen Grippe (Influenza) impfen, ferner Personen, die das 12. Lebensjahr vollendet haben, gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 (COVID-19).

Die Details der Umsetzung des Koalitionsvertrages bleiben auch hier abzuwarten. Neben einer Ergänzung der Approbationsordnung für Apotheker (AAppO) mit dem Ziel, das für die künftig erlaubten heilberuflichen Tätigkeiten erforderliche (medizinische) Wissen bereits im Studium zu erlangen, erscheint es auch denkbar, Apothekern kurzfristig weitere Dienstleistungen zu eröffnen; so hatte der scheidende Gesundheitsminister bereits vorgesehen, dass Apotheker künftig behandlungsbedürftige Patienten „detektieren“ sollten.

Die avisierten Maßnahmen ermöglichen Apothekern nicht nur ein breiteres Spektrum im (vielfach kostenlos angebotenen) Wettbewerb um Kunden. Vielmehr schaffen sie den Rahmen für kostenpflichtige Dienstleistungen. Ausdrücklich nennt der Koalitionsvertrag „Präventionsleistungen“. Je nach Ausgestaltung der gesetzlichen Vorgaben werden Apotheker, die medizinische Behandlungen (wozu schon Diagnostik gehört) künftig entgeltlich anbieten, zu beachten haben, dass diese im Rahmen der gesetzlichen – gegebenenfalls entsprechend anzupassenden – Regelungen nach Möglichkeit umsatz- und gewerbesteuerfrei erbracht werden. Es wird hilfreich sein, das im Vorfeld mit dem Steuerberater zu klären! Und: Es bedarf der Klärung, ob für solche Tätigkeiten hinreichender Haftpflichtversicherungsschutz besteht.

Nicht zu erwarten sind Auflockerungen des sogenannten Fremdbesitzverbots. Gegenwärtig darf ein Apotheker neben einer Apotheke bis zu drei weitere Apotheken als sog. Filialapotheken betreiben (§ 1 Abs. 2 Apothekengesetz). Der Betrieb einer Apotheke soll daher auch künftig Apothekern vorbehalten bleiben. Das von der Rechtsprechung geprägte Bild vom „Apotheker in seiner Apotheke“ soll offensichtlich in der bisherigen Form erhalten bleiben. Apotheken-GmbHs o. ä. Konstruktionen, die gegebenenfalls investorengesteuert sein könnten, wird eine Absage erteilt.

Die Koalitionspartner bekräftigen im Übrigen, „die Abgabe und den Austausch von Arzneimitteln“ zu erleichtern; insoweit sind Änderungen der Apothekenbetriebsordnung sowie des § 129 SGB V zu erwarten, die Apothekern hier einen größeren Spielraum gewähren.

Das (seit 2013 unveränderte) Fixum von gegenwärtig 8,35 Euro je Packung (§ 3 Abs. 1 Satz 1 Arzneimittelpreisverordung – AMPreisV) soll „einmalig“ auf 9,50 Euro erhöht werden. Mit Hervorhebung der Einmaligkeit scheinen gleichzeitig Forderungen der Berufsverbände abgelehnt, eine regelmäßige Anpassung, beispielsweise an die Inflationsrate, vorzusehen. „In Abhängigkeit vom Versorgungsgrad kann es insbesondere für ländliche Apotheken in einem Korridor bis zu 11 Euro betragen.“ Die Details bleiben der Umsetzung vorbehalten, insbesondere auch die Ermittlung des einem künftigen Preis zugrunde liegenden Versorgungsgrades. Allerdings wollen sich Gesetz- bzw. Verordnungsgeber aus diesem Feld vollständig zurückziehen; künftig soll die Vergütung nämlich zwischen Apothekern und dem GKV-Spitzenverband ausgehandelt werden.

Jedenfalls aber ist zu konstatieren, dass die Regierungskoalition offensichtlich zumindest die schwierige wirtschaftliche Lage von Apotheken (insbesondere) im ländlichen Bereich im Fokus hat.

Retaxierungen (im Koalitionsvertrag bezeichnet als „Nullretaxationen“) – letztlich die Weigerung der Krankenkassen, bereits abgegebene Arzneimittel zu bezahlen –, die auf „formalen Gründen“ beruhen, sollen abgeschafft werden. Mit der Umsetzung dieser Vereinbarung dürfte auch eine Rechtsprechung konterkariert sein, nach der ein Vergütungsanspruch vollständig entfällt, wenn das Substitutionsgebot des § 129 Abs. 1 Satz 3 SGB V für rabattierte Arzneimittel verletzt wird und stattdessen ein anderweitiges (teureres) Präparat abgegeben wird. Es ist zu erwarten, dass ein Regress in solchen Fällen künftig (zu Recht) lediglich die Differenzkosten zwischen diesen Arzneimitteln erfasst.

Das Skonti-Verbot“ soll aufgehoben werden. Damit wird offensichtlich an ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 8. Februar 2024 – I ZR 91/23) angeknüpft, wonach dem pharmazeutischen Großhandel die Gewährung von Skonti oder sonstigen Preisnachlässen, die zur Unterschreitung des sich aus § 2 Abs. 1 Satz 1 AMPreisV ergebenden Mindestpreises führen, untersagt wurde. In der Literatur wurden die Auswirkungen dieser Entscheidung auf eine durchschnittliche Apotheke auf 20.000 Euro bis 30.000 Euro jährlich eingeschätzt. Aus Sicht der Apotheken bleibt demnach zu hoffen, dass die der Entscheidung zugrunde liegende Fassung der Arzneimittelpreisverordung schnell geändert wird.





AUTOR

Prof. Dr. Martin Rehborn
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Norman Lenger-Bauchowitz, LL.M.

Mediator & Rechtsanwalt, Wirtschaftsmediator, Fachanwalt für Steuerrecht, Fachberater für Restrukturierung & Unternehmensplanung (DStV e.V.)

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