Das Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz ist im Ziel. Wirklich?

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​​​​veröffentlicht am 27. März 2025


Das am 1. März 2025 in Kraft getretene Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) ist ein bedeutendes Reformpaket der scheidenden Bundesregierung. Es zielt darauf ab, die ambulante medizinische Versorgung in Deutschland nachhaltig zu verbessern. Angesichts des demografischen Wandels, des zunehmenden Fachkräftemangels und regionaler Versorgungsunterschiede soll das Gesetz gezielte Maßnahmen ergreifen, um die hausärztliche Patientenversorgung effizienter, digitaler und bedarfsgerechter zu gestalten. In diesem Artikel beleuchten wir die zentralen Inhalte des GVSG, seine Auswirkungen auf Patienten und Leistungserbringer sowie die Herausforderungen bei der Umsetzung.

Auf den letzten Metern der Legislaturperiode stimmte die Regierung der zuvor im Gesundheitsausschuss stark verschlankten und mit reichlich Kompromissen versehenen Textfassung des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes zu und brachten es damit ins Ziel. Am 14. Februar 2025 billigte der Bundesrat ohne Hinzuziehen des Vermittlungsausschusses das Gesetz. Die wesentlichen Kernthemen des Gesetzes möchten wir im Folgenden kurz und kompakt darstellen:


Aufhebung der Budgetierung in der hausärztlichen Versorgung

Bisher mussten Praxen mit finanziellen Einbußen rechnen, sobald eine Hausärztin oder ein Hausarzt mehr Patientinnen oder Patienten im Quartal behandelte, als das Budget vorgab. Die Behandlungen wurden nicht mehr komplett von den Krankenkassen erstattet. Diese Honorarobergrenzen fallen nunmehr weg. Dies bedeutet für Hausarztpraxen, dass die Mehrarbeit der Hausärztinnen und Hausärzte einschließlich Hausbesuchen zukünftig ohne Kürzungen vergütet werden, auch wenn das Budget bereits aufgebraucht ist und ohne das andere Arztgruppen finanzielle Einschnitte befürchten müssen. 

Jedoch wird die Entbudgetierung auf lange Sicht für Mehrkosten im oberen dreistelligen Millionenbereich bei den gesetzlichen Krankenversicherungen sorgen und zu dauerhaften Belastungen der Beitragszahler. Zudem erfordert die Aufhebung der Budgetierung Anpassungen im Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM). Der Bewertungsausschuss, bestehend aus Vertretern der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und des GKV-Spitzenverbandes sind für die Umsetzung verantwortlich. Angesicht möglicher Verhandlungen mit den Krankenkassen, können diese Anpassungen zu einem großen Zeitaufwand auf beiden Seiten führen.


Einführung von Versorgungs- und Vorhaltepauschalen

Für Patientinnen und Patienten, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, mit chronischen Erkrankungen ohne hohen Betreuungsbedarf können Praxen nun eine bis zu vier Quartale umfassende Versorgungspauschale, eine sogenannte „Chronikerpauschale”, abrechnen. Dadurch entfällt die bisherige Notwendigkeit, diese Patientinnen und Patienten jedes Quartal aus Abrechnungsgründen einzubestellen, was das System von überflüssigen Terminen und Wartezeiten entlastet und freie Kapazitäten bei der Terminvergabe schaffen soll. 

Weiterhin erhalten Praxen, die maßgeblich die hausärztliche Versorgung aufrechterhalten künftig eine zusätzliche Vergütung in Form einer Vorhaltepauschale. Diese Honorierung berücksichtigt besondere Leistungen wie bedarfsgerechte Praxisöffnungszeiten oder ein bedarfsgerechtes Angebot von Haus- und Heimbesuchen. Sie ersetzt die bisherige Vergütung der Gebührenordnungsposition 03040 „Zusatzpauschale zu den Gebührenordnungspositionen 03000 und 03030 für die Wahrnehmung des hausärztlichen Versorgungsauftrags gemäß § 73 Abs. 1 SGB V”. Kinder- und Jugendärzte sind von den Regelungen der Vorhaltepauschale ausgenommen.

Dem Gesetz nach sollen die Regelungen über die neuen Pauschalen so ausgestaltet werden, dass sie weder zu Mehrausgaben noch zu Minderausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung führen. Die BARMER argumentiert aber, dass Praxen die Möglichkeit bei einer Dauermedikation Folgerezepte auszustellen, bereits heute schon zur Verfügung steht. Von dieser Regelung jedoch kaum Gebrauch gemacht wird. Zudem fehle ein klar definierter Kriterienkatalog sowie an konkreten Vorgaben in der Ausgestaltung, wie z. B. die gleichzeitige Abrechnung mit anderen Pauschalen.


Erweiterung der Notfallverhütung

Mit der Verabschiedung des GVSG wurde in § 24a des Sozialgesetzbuches V eine bedeutende Änderung zur Verbesserung der Versorgung von Frauen beschlossen, die Opfer sexueller Gewalt geworden sind. Künftig übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen die Kosten für Notfallkontrazeptiva, wie die „Pille danach”, unabhängig vom Alter der Betroffenen, wenn Hinweise auf eine Straftat gegen die sexuelle Selbstbestimmung vorliegen. Dies ermöglicht allen betroffenen Frauen den Zugang zu notwendigen Verhütungsmitteln über ihren Hausarzt oder ihre Hausärztin. Für die Kostenübernahme ist eine ärztliche Verordnung notwendig, mit der Betroffene die Notfallkontrazeptiva direkt in der Apotheke beziehen können.

Vor der Gesetzesänderung hatten Anspruch auf eine Kostenübernahme von empfängnisverhütenden Mitteln einschließlich der Notfallverhütung durch die Krankenkassen lediglich gesetzlich versicherte Frauen bis zum vollendeten 22. Lebensjahr. Ältere Frauen mussten die Kosten für die „Pille danach” selbst tragen, auch wenn Sie Opfer einer Vergewaltigung wurden. Dies führte zu einer unausgeglichenen Belastung der Betroffenen und hat den Zugang zu einer notwendigen Notfallverhütung möglicherweise erschwert. Diese Versorgungslücke wurde durch die Neuregelung nunmehr geschlossen.


Fristverlängerung für Verbandmittel​

Die Erstattungsfähigkeit „sonstiger Produkte zur Wundbehandlung” (sPzW) wird um ein weiteres Jahr verlängert. Diese Übergangsregelung trat rückwirkend zum 2. Dezember 2024 in Kraft und ermöglicht die Verordnung dieser Produkte zulasten der Gesetzlichen Krankenversicherung bis zum 2. Dezember 2025. Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte in der Arzneimittel-Richtlinie den Begriff des Verbandmittels konkretisiert und von den „sonstigen Produkten zur Wundbehandlung” abgegrenzt. Diese sollten zukünftig nur noch dann erstattet werden, wenn ihr medizinischer Nutzen nachgewiesen werden kann. Da der G-BA nicht ausreichend darlegen konnte, wie Hersteller den nötigen Nachweis des therapeutischen Nutzens erbringen sollen, wurde die Frist verlängert. Dies soll Versorgungslücken vermeiden und damit die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit chronischen Wunden sicherstellen. Zusätzlich soll Herstellern mehr Zeit verschafft werden, um die erforderlichen Nachweise zu geben.

Die Umsetzung des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz steht vor mehreren Herausforderungen, die sowohl strukturelle als auch finanzielle Aspekte des deutschen Gesundheitssystems betreffen. Trotz der positiven Ansätze, die das Gesetz mitbringt, äußerte auch der Bundesrat in seiner begleitenden Stellungnahme zum Beschluss Kritik. Grundsätzlich wird die Abschaffung der Budgets bei der hausärztlichen Versorgung begrüßt, jedoch verschlechtere die Neuregelung die Versorgung, da bestehende Regelungen nicht beachtet würden. Sie fordert von der Bundesregierung schnellstmöglich Abhilfe zu schaffen.

AUTORIN

Saskia Kapale

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