Vertragsmanagement und -prüfung klinischer Studien: Praxiserfahrungen

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​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 15. April 2024; Autorin: Franziska Witt

​​​​Klinische Prüfungen sind für Entwicklung und Zulassung von Arzneimitteln elementar und stellen für Kliniken einen wichtigen Teil ihrer Tätigkeit dar. Die diesbezüglich zu schließenden Studienverträge sollten – in der Theorie ​ daher schnellstmöglich abgeschlossen werden, um mit der Durchführung der (Medikamenten-)Studien so schnell w​ie möglich beginnen zu können.

Doch in der Praxis verzögert sich der Start solcher Studien immer wieder aufgrund zumeist gleicher Probleme innerhalb der Vertragsprüfungen in den Verhandlungsrunden.

Da die Kliniken oftmals eng mit Hochschulen/Universitäten und Großforschungseinrichtungen zusammenarbeiten, sollte auch diesen Einrichtungen daher bekannt sein, worauf sie im Rahmen der vorzunehmenden Vertragsprüfungen achten und worauf sie letztlich sogar bestehen sollten.

Zunächst sollten Kliniken bei klinischen Studien unbedingt eine elementare Neuerung beachten. Denn seit dem 31.01.2023 gilt nunmehr die Verordnung (EU) 536/2014 und ein Rückgriff auf die bisher geltende Richtlinie 2011/20/EG scheidet aus, da die Übergangsregelungen nun nicht mehr anwendbar sind und die neue Verordnung mit all ihren Regelungen bei rechtlichen Prüfungen unbedingt beachtet werden muss.
 
Die nun geltende Verordnung ersetzt also die Richtlinie 2001/20/EG, die bislang zusammen mit dem Gesetz über den Verkehr mit Arzneimitteln (AMG) und der Verordnung über die Anwendung der Guten Klinischen Praxis bei Durchführung von klinischen Prüfungen mit Arzneimitteln zur Anwendung am Menschen (GCP-Verordnung- GCP-V) für klinische Studien Anwendung fand. Durch die Einführung der neuen EU-Verordnung sollen Genehmigungen und die Durchführung klinischer Prüfungen mit Humanarzneimitteln innerhalb der Europäischen Union harmonisiert werden.


1.    Vorbereitung der Vertragsprüfung

Bevor mit dem ersten „Review“, also der ersten inhaltlichen Prüfung des Vertrages, begonnen werden kann, sollte zunächst die Durchsicht der ebenfalls übersandten Unterlagen erfolgen. Diesbezüglich sollten das Prüfprotokoll, die Budgetplanung (sofern nicht innerhalb des Vertrages aufgenommen), die Zustimmung der Ethikkommission (je nach betroffenem Mitgliedstaat, s.h. Art. 4 der EU- VO), die Drittmittel- und Studienanzeige, Patienteninformationen, Einwilligungserklärungen und Versicherungsnachweise (sofern für die vorliegende Studie Versicherungen abgeschlossen wurden, was sich dem Vertrag entnehmen lässt) vorliegen.

Weitere Anlagen, die dem Vertrag beizufügen sind, sofern noch nicht geschehen, sind die Musterverzichtserklärung nach § 42 Nr.2 ArbnErfG sowie eine gesonderte Vereinbarung der gemeinsamen Verantwortlichkeit nach Art. 26 DSGVO („Joint-Controller-Agreement“) oder im Einzelfall eine Vereinbarung zur Auftragsdatenverarbeitung. Teilweise sind auch Leihverträge beizufügen, wenn Equipment zur Durchführung der Studie überlassen werden soll.

2.    Ablauf der Vertragsprüfung

Die Vertragsprüfung läuft grundsätzlich in Form mehrerer „Reviews” ab, bei denen der Vertrag abwechselnd vom Prüfzentrum und dem Sponsor rechtlich geprüft wird. Innerhalb dieser Prüfungen sollte stets darauf geachtet werden, dass von beiden Parteien Kommentare und Einfügungen oder Löschungen im Überarbeitungsmodus („Track Changes”) vorgenommen werden, um so eine transparente Arbeitsweise sicherzustellen.

3.    Wichtige (Knack-)Punkte im Rahmen der Prüfung

Es gibt einige relevante Punkte bei der Prüfung klinischer Studien, die stets zu beachten sind und bei denen es sich unter Umständen sogar um „Deal Breaker” handeln kann oder sogar muss. Folgende Punkte sind in rechtlicher Hinsicht relevant, um den Vertrag insbesondere für die Prüfzentren rechtssicher zu gestalten:

  • Budget

    Der wohl relevanteste Punkt ist das Budget der Studie. Hier sollte immer darauf geachtet werden, dass mindestens eine Start-Up-Fee, eine Archivierungsgebühr und eine Overheadpauschale festgelegt sind. Diese sind erforderlich, da auf eine Vollkostenkalkulation hinzuwirken ist, welche einen angemessenen und marktüblichen Gewinnzuschlag umfassen sollte. Gerade bei Kliniken, die durch öffentliche Mittel finanziert werden, ist für den Bereich der wirtschaftlichen Auftragsforschung die Wirtschaftlichkeit des Vorhabens zwingend erforderlich, um die Studie beihilferechtskonform zu gestalten und insbesondere eine Quersubventionierung durch zu niedrige Angebotspreise zu vermeiden. Zudem ist die Studie auch in Hinblick auf die Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auskömmlich zu gestalten.
  • Prüfarzt/ Prüfärztin

    In fast jedem übermittelten Vertragsentwurf finden sich Verpflichtungen des Prüfarztes/der Prüfärztin. Diese/r ist aber nicht Vertragspartei und kann somit nicht durch den zwischen Prüfzentrum und Sponsor geschlossenen Vertrag verpflichtet/ermächtigt werden. Derartig verpflichtende Klauseln laufen daher letztlich ins Leere und sollten somit unbedingt vermieden werden. Vielmehr sollte der Wortlaut des Vertrages derart angepasst werden, dass das Prüfzentrum verpflichtet wird, sodann den Prüfarzt/ die Prüfärztin zu verpflichten (da nur in diesem Verhältnis eine vertragliche Beziehung besteht).
  • Arbeitnehmererfindungen/intellectual property

    Da es innerhalb klinischer Studien oftmals zu Arbeitnehmererfindungen kommen kann, muss das Prüfzentrum sich dahingehend zwingend durch eine Klausel absichern, die regelt, dass der Sponsor das Prüfzentrum mindestens in der Höhe entschädigt, die die vom Prüfzentrum an ihre/n Angestellte/n zu zahlende Arbeitnehmervergütung umfasst, § 42 Nr. 2 ArbnErfG. Diesbezüglich sollte dem Vertrag aber auch eine Musterverzichtserklärung (§ 42 Nr. 2 ArbnErfG) beigefügt werden, mittels der leitende Prüfärzte und weitere potenzielle Arbeitnehmererfinder auf ihre negative Publikationsfreiheit verzichten.
  • Datenschutz

    Vertraglich wird auch der Umgang mit Patientendaten geregelt. Dies erfordert eine gesonderte Vereinbarung zur gemeinsamen Verantwortlichkeit nach Art. 26 DSGVO („Joint Controller Agreement“). Da diese Regelungen einen erheblichen Umfang aufweisen sollten und nicht auszuschließen ist, dass das Datenschutzrecht sich während der Durchführung der Studie ändert, sollte die Vereinbarung bestenfalls als Anlage aufgenommen werden. In Einzelfällen kann aber auch eine Auftragsdatenverarbeitung in Betracht kommen (Art. 28 DSGVO).

    Besonderes Augenmerk sollte zudem auf die digitale Übertragung von Daten gelegt werden. In Zukunft wird es immer häufiger dazu kommen, dass eine Übertragung von Dokumenten digital erfolgt. Das erleichtert und beschleunigt die Arbeit, birgt aber auch einige Risiken. Denn der Prozess der Datenübertragung sollte immer eindeutig im Vertrag erläutert werden, um so eine Haftung des Prüfzentrums zu verhindern, wenn bspw. veraltete oder falsche Unterlagen genutzt werden. Daher sollten die Verantwortlichkeiten und Umsetzungsfristen sowie die Haftung für Nicht-Nutzung der aktuellsten Unterlagen klar geregelt sein.

    Zudem sollten die Vertragsparteien sich bei der (zu erwartenden) Datenübertragung in Drittstaaten verpflichten, die Datenschutzbestimmungen nach europäischem Standard einzuhalten.
  • Haftung

    Bei rechtlicher Prüfung der Haftungsklausel ist besondere Vorsicht geboten. Hier sollte zugunsten des Prüfzentrums ein Haftungsausschluss für einfache Fahrlässigkeit vereinbart werden. Wobei natürlich die Verbote der Haftungserleichterungen für Leben, Körper und Gesundheit zu beachten sind (§ 309 Nr. 7 BGB).
  • Kündigung

    Oftmals bestehen Sponsoren darauf, dass nur ihnen als Letztverantwortliche ein ordentliches Kündigungsrecht zusteht. Man sollte natürlich dennoch versuchen, ein ordentliches Kündigungsrecht für beide Parteien aufzunehmen. Wenn dies nicht gelingt, sollten aber zumindest Gründe für eine außerordentliche Kündigung aufgenommen werden, etwa Änderungen des Studienprotokolls, (konkrete) Sicherheitsrisiken für die Probanden, fehlende Verfügbarkeiten des Prüfproduktes etc. Im Falle einer Kündigung sollte das Prüfzentrum außerdem anteilig für die bis dato erbrachten Leistungen vergütet werden.
  • Anwendbares Recht

    Da Verträge oftmals bilingual ausgestaltet und Übersetzungen oftmals nicht ganz korrekt sind, empfiehlt es sich, den Vorrang des deutschen Rechts festzulegen.
  • Monitoring/Audit

    Bei klinischen Studien haben nicht nur Behörden ein Inspektionsrecht. Oftmals bestehen auch Sponsoren auf ein Recht zum regelmäßigen Audit/Monitoring. Ein solches Recht kann zwar vorgesehen werden. Allerdings sollte dem Sponsor dann auferlegt werden, dass er die Ausübung seines Inspektionsrechts mit angemessener Vorlaufzeit schriftlich ankündigen muss. Hinsichtlich etwaiger Mehrkosten eines solchen Audits sollte mit Blick auf die notwendige Auskömmlichkeit der Studie geregelt werden, dass der Sponsor diese Mehrkosten trägt.
 

4.    Fazit

​​​Letztlich können Vertragsprüfungen aus den genannten Gründen meist einen erheblichen zeitlichen und inhaltlichen Umfang einnehmen. Dennoch muss aber stets darauf geachtet werden, dass die Rechte und Pflichten für beide Vertragsparteien ausgewogen gestaltet werden, da dies zu Beginn der Vertragsverhandlungen oftmals gerade nicht der Fall ist.​

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Jan-Claas Hille

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Prüfer für Interne Revisionssysteme (DIIR)

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