Nachhaltigkeitsberichterstattung im Krankenhaus – Best Practice bei der doppelten Wesentlichkeitsanalyse gemäß den ESRS

PrintMailRate-it

​​​​​​veröffentlicht am 28. November 2024


Von der Nachhaltigkeitsberichtserstattung nach der Corporate Sustainability Reporting Directive bzw. den European Sustainability Reporting Standards sind auch diverse Krankenhäuser betroffen. Eine zentrale Rolle hierbei spielt die doppelte Wesentlichkeitsanalyse. Sie hilft, relevante Themen zu identifizieren und zielgerichtet zu berichten. Der Best-Practice-Ansatz von Rödl & Partner umfasst fünf Schritte und soll durch eine systematische Vorgehensweise sicherstellen, dass nur die relevanten Themen berücksichtigt werden und die Berichterstattung transparent sowie effektiv bleibt. Erfahren Sie mehr über die Umsetzung und Vorteile in unserem ausführlichen Artikel.
 
In Krankenhäusern gewinnt das Thema Nachhaltigkeit zunehmend an Bedeutung, insbesondere durch die Verpflichtungen aus der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und den European Sustainability Reporting Standards (ESRS). Die Grundlage für die Nachhaltigkeitsberichterstattung bildet dabei die sogenannte doppelte Wesentlichkeitsanalyse, welche sicherstellen soll, dass nur tatsächlich relevante bzw. wesentliche Informationen in Bezug auf Auswirkungen, Risiken und Chancen offengelegt werden.


Ziel der doppelten Wesentlichkeitsanalyse

Im Zuge der ESRS-konformen doppelten Wesentlichkeitsanalyse sollen sämtliche unternehmensspezifische nachhaltigkeitsbezogene Auswirkungen, Risiken und Chancen, auch als IROs (Impacts, Risks, Opportunities) bezeichnet, identifiziert und bewertet werden. Damit richtet sich die Analyse auf Nachhaltigkeitsthemen, die sowohl für das Unternehmen als auch für dessen Stakeholder von Bedeutung sind. Die Vielzahl an Berichtspflichten und Datenpunkten nach ESRS macht die doppelte Wesentlichkeitsanalyse notwendig, um den Nachhaltigkeitsbericht auf diejenigen Informationen und Themen zu fokussieren, welche sich für das jeweilige Unternehmen als wesentlich darstellen. Insofern bildet die doppelte Wesentlichkeitsanalyse den entscheidenden Ausgangspunkt für die Berichterstattung nach ESRS.

Mit den ESRS wird das Prinzip der doppelten Wesentlichkeit zum Standard und weicht damit deutlich von bisherigen Nachhaltigkeitsstandards (GRI, SASB, DNK etc.) ab. Dabei werden Nachhaltigkeitsthemen aus zwei zentralen Perspektiven betrachtet, die Impact Materiality und die Financial Materiality. Die Impact Materiality (Inside-Out) umfasst die kurz-, mittel- und langfristigen Auswirkungen der eigenen Geschäftstätigkeit auf Umwelt und Gesellschaft und Abhängigkeiten von natürlichen, personellen und sozialen Ressourcen. In einem Krankenhaus können diese Auswirkungen positiv und negativ sein und sich auf Bereiche wie die Patientenversorgung, das Personal, Lieferanten sowie die Umwelt auswirken. Beispielsweise könnten die Emissionen und der Ressourcenverbrauch der Gebäude oder die Entsorgung medizinischer Abfälle negative ökologische Folgen haben, während Aspekte wie Arbeitszeit und Arbeitsschutz sich positiv auf die Beschäftigten auf deren private Bedürfnisse auswirken. Die Financial Materiality (Outside-In) untersucht hingegen, wie sich Nachhaltigkeitsthemen auf die finanzielle Lage des Krankenhauses auswirken. Dabei stehen nachhaltigkeitsbezogene Risiken und Chancen im Vordergrund, welche die Finanzen kurz-, mittel- oder langfristig beeinflussen können. Ein klassisches Risiko für ein Krankenhaus wäre z.B. steigende Energiekosten infolge gesetzlicher Anforderungen zum Klimaschutz bzw. steigende CO2-Kosten für fossile Energieträger, welche wiederum mittel- bis langfristig die Betriebskosten des Krankenhauses erhöhen und damit die finanzielle Stabilität beeinträchtigen.

Vor Beginn des Analyseprozesses ist es jedoch empfehlenswert sich ein fundiertes Verständnis der ESRS-spezifischen Anforderungen und Begrifflichkeiten zur doppelten Wesentlichkeitsanalyse anzueignen. Beispielsweise unterscheiden die ESRS zwischen wesentlichen Nachhaltigkeitsaspekten und wesentlichen IROs. Ein Nachhaltigkeitsaspekt gilt dann als wesentlich, wenn die zugehörigen Auswirkungen, Risiken und Chancen als wesentlich bewertet wurden. Folglich sollen Unternehmen nicht, wie bislang von anderen Rahmenwerken vorgesehen, pauschal über generische nachhaltigkeitsbezogenen Themen wie „Klimawandel” oder „Gesundheit und Sicherheit” berichten, sondern unternehmensindividuelle IROs bewerten und den entsprechenden Nachhaltigkeitsaspekten zuordnen (z.B. die Risiken für das Personal im Labor, durch den Kontakt mit besorgniserregenden Stoffen).

Darüber hinaus ist die enge Verknüpfung zwischen Impact Materiality und Financial Materiality zu berücksichtigen, da die Impact-Perspektive oft finanzielle Risiken und Chancen nach sich zieht.

Um wesentliche Themen für die Nachhaltigkeitsberichterstattung im Sinne der ESRS zu identifizieren, empfiehlt sich ein strukturierter Analyseprozess. Ein systematischer Ansatz hilft dabei, relevante Themen gezielt herauszuarbeiten und die Anforderungen der doppelten Wesentlichkeit umfassend zu erfüllen. Die folgenden fünf Schritte stellen unseren Best-Practice dar, um wesentliche Themen und zugehörige IROs präzise zu ermitteln und fundiert zu bewerten.


1. Festlegung des Scopes

Im ersten Schritt der doppelten Wesentlichkeitsanalyse sollte eine systematische Analyse des Unternehmenskontexts durchgeführt werden. Hierbei sollten übergeordnete Unternehmensaspekte sowie Markt- und Branchentrends, regulatorische Vorgaben, die unternehmenseigenen Aktivitäten, Produkte, Dienstleistungen und Standorte im Hinblick auf die gesamte Wertschöpfungskette betrachtet werden. Themen wie der Fachkräftemangel, die kommende Krankenhausreform oder die systembedingte Unterfinanzierung finden somit in diesem Schritt Berücksichtigung und werden in den Kontext der Nachhaltigkeitsthemen gerückt. Weiterhin wird im Zuge des Scopings der Umfang und die Art der Einbeziehung von Fachexperten und Stakeholder näher definiert, entsprechende Vertreter der Stakeholdergruppen (Krankenhausintern und ggf. -extern) identifiziert und diese den einzelnen Themenbereichen zugeordnet. Als Vertreter einer Stakeholdergruppe können bspw. die HR-Abteilung oder der Betriebsrat für die eigene Belegschaft oder die Verantwortlichen des Beschwerdemanagements und Patientenvertretung für sämtliche Patienten und deren Angehörigen fungieren.


2. Erstellung der Longlist

Anhand der zehn themenspezifischen ESRS-Standards und deren verschiedenen Unterthemen, wird auf Basis der in Schritt 1 bereits identifizierten Themen eine erste Liste potenziell relevanter Themen (Longlist) erstellt. Diese könnte Themen wie den Wasserverbrauch, besorgniserregende Stoffe, Abfälle und die Arbeitsbedingungen umfassen. Darüber hinaus sollten unternehmensspezifische Angaben einbezogen werden, welche ergänzend zu den ESRS formuliert werden können.

 3. IRO-Identifikation  

In Schritt 3 ermitteln unternehmensinterne oder ggf. auch externe Experten die spezifischen Auswirkungen, Risiken und Chancen zu den in der Longlist aufgeführten Themen, welche entlang der gesamten Wertschöpfungskette auftreten können. Im Krankenhauskontext könnten hierbei potenzielle Risiken wie Lieferengpässe für medizinische Ausrüstung oder die hohe psychische und physische Belastung des Personals aufgrund steigender Patientenzahlen identifiziert werden. Die IROs sollten dabei nach positiven und negativen sowie tatsächlichen und potenziellen Einflüssen differenziert werden. Themen ohne zugeordnete IROs können von der Longlist gestrichen werden.

4. Wesentlichkeitsbewertung 

Anhand der in den ESRS definierten Bewertungsskalen wie Ausmaß, Umfang, Irreversibilität und Eintrittswahrscheinlichkeit erfolgt anschließend die Bewertung der identifizierten IROs.  Das Krankenhaus hat dabei jeden identifizierten IRO einzeln zu bewerten. Je nach Ausprägung (potenziell/tatsächlich; positiv/negativ) sind verschiedene Bewertungsskalen zu bewerten. Anschließend muss durch das Krankenhaus ein sog. Schwellenwert oder mehrere Schwellenwerte definiert werden, ab welchem ein bewerteter IRO wesentlich ist. Die Bewertungsskalen und Schwellenwerte sollten klar definiert sein, um eine objektive Beurteilung zu ermöglichen. Themen, die nah an dem Schwellenwert bzw. den Schwellenwerten liegen, sollten zudem erneut durch die internen oder ggf. durch externe Experten überprüft werden, um die Relevanz für die Berichterstattung sicherzustellen. Oftmals bietet es sich hier bereits an, die Geschäftsleitung einzubinden, um eine weitere Validierungsebene einzubauen.

 
5. Zusammenstellung wesentlicher Themen

Im letzten Schritt werden die wesentlichen IROs den relevanten Themen zugeordnet und die Bewertungen aggregiert. Auch wenn die ESRS kein festes Format vorschreiben, bietet eine tabellarische Darstellung oft eine gute Übersicht. Diese finalen Themen werden inhaltlich und grafisch aufbereitet und durch die Geschäftsführung geprüft und freigegeben.


Ausblick

Die Einführung einer ESRS-konformen Nachhaltigkeitsberichterstattung und die damit verbundene doppelte Wesentlichkeitsanalyse erfordern einen erheblichen Aufwand und eine sorgfältige Planung. Erfahrungen zeigen, dass die Komplexität und Dringlichkeit dieses Prozesses oft unterschätzt werden, sodass die Vorbereitungen zu spät beginnen. Auch wenn die Berichtspflicht für große Unternehmen erst ab 2025 in Kraft tritt, ist eine frühzeitige Beschäftigung mit den Anforderungen sowie die Einrichtung der notwendigen Ressourcen sowie eine entsprechende Zeitplanung ratsam. So bleibt Raum, um auf mögliche Schwierigkeiten reagieren und den Berichterstattungsprozess rechtzeitig anpassen können.


Falls Sie Fragen zu den Themen rund um die Wesentlichkeitsanalyse oder der Nachhaltigkeitsberichtserstattung haben, stehen wir Ihnen mit unserem interdisziplinären Team gerne zur Verfügung.​​


AUTOR

Björn Rösch

FOLGEN SIE UNS!

Linkedin Banner

Kontakt

Contact Person Picture

Patrick Horst

Wirtschaftsprüfer, Sustainability Auditor IDW

Associate Partner

+49 911 9193 3596

Anfrage senden

WIR BERATEN SIE GERN!

Befehle des Menübands überspringen
Zum Hauptinhalt wechseln
Deutschland Weltweit Search Menu