Die Kündigung des Heimvertrages durch den Heimträger

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​​​​​​​veröffentlicht am 31. Juli 2024

Wenn es bei der Betreuung eines (aggressiven) Heimbewohners zu Problemen kommt, stellt sich die Frage, ob ein Heimvertrag auch durch den Heimträger gekündigt werden kann.

In welchen Fällen eine Kündigung möglich ist, ergibt sich auf dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG). Dort sind folgende Gründe (nicht abschließend) beschrieben:

Betriebsänderungen (§ 12 Absatz 1 Satz 3 Nr. 1)

Stellt ein Unternehmen seinen Betrieb vollständig oder wesentlich ein oder verändert den Betrieb in seiner Art, kann ein wichtiger Grund für eine Kündigung gegeben sein. Betriebseinstellungen, -einschränkungen oder -veränderungen können eine Kündigung aber nur dann rechtfertigen, wenn die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses eine unzumutbare Härte bedeuten würde.

Das ist zum Beispiel dann der Fall, wenn der Unternehmer den Vertrag mit dem Bewohner nur unwirtschaftlich unter Verlust oder ernsthafter Gefährdung des Bestands der Einrichtung fortsetzen kann.

So hat das Hanseatische OLG Hamburg mit Urteil vom 20.09.2016 – 14 U 172/16 die Kündigung eines Heimvertrages als wirksam angesehen.

Das Gericht stellte fest, dass die Fortsetzung des Heimvertrages für den Unternehmer, der eine Seniorenresidenz mit nur 28 Plätzen betrieben hatte eine unzumutbare Härte dargestellt hätte. Der Unternehmer hatte in den letzten 5 Jahren bei dem Betrieb der Einrichtung Verluste erlitten, die sich voraussichtlich aufgrund notwendiger Baumaßnahmen ohne die Betriebseinstellung noch vergrößert hätten.


Bedarfsänderung (§ 12 Absatz 1 Satz 3 Nr. 2)

Der Unternehmer ist weiterhin zur Kündigung des Vertrages berechtigt, wenn sich der Pflege- oder Betreuungsbedarf des Verbrauchers ändert und dieser eine vom Unternehmer angebotene Leistungsanpassung nach § 8 Abs. 1 WBVG nicht annimmt oder der Unternehmer eine Anpassung der Leistung aufgrund eines Ausschlusses nach § 8 Abs. 4 WBVG nicht anbietet.

Zusätzlich muss den Unternehmer die Fortsetzung des Vertragsverhältnissses unzumutbar sein, hier muss eine Interessensabwägung durchgeführt werden. Bei dieser Interessensabwägung sind nicht nur die Interessen des Unternehmers und des Verbrauchers, sondern auch die Interessen Dritter (Mitarbeiter/andere Bewohner) miteinzubeziehen.

Gröbliche Pflichtverletzung des Verbrauchers (§ 12 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3)

Eine Kündigung aus wichtigem Grund ist möglich, wenn der Verbraucher seine vertraglichen Pflichten schuldhaft so gröblich verletzt, dass dem Unternehmer die Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zugemutet werden kann.
 
Die Gerichte haben hier sehr hohe Hürden gesetzt.

So hat das OLG Köln mit Urteil vom 11.05.2020 – I-16 U 87/19 folgendes ausgeführt:

1. Ein Träger einer Wohn- und Betreuungseinrichtung kann einen Wohn- und Betreuungsvertrag mit einem Bewohner aus wichtigem Grund kündigen, wenn dieser seine vertraglichen Pflichten schuldhaft so gröblich verletzt hat, dass dem Träger die Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zugemutet werden kann.


2. Für den Träger der Wohn- und Betreuungseinrichtung kann eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht unzumutbar sein, wenn ihm die Verhaltensauffälligkeiten des Bewohners – wie die intelligenzbedingte Verhaltensstörung, aggressive Verhaltensweisen bei Impulsdurchbrüchen und die fehlende Steuerungsfähigkeit – bei Abschluss des Betreuungsvertrages bekannt waren.


Das Schleswig-Holsteinische OLG hat mit Urteil vom 07.10.2014 – 5 W 37/14 folgendes ausgeführt:

1. ​Trotz des Umstandes, dass zwischen fristloser Kündigung des Heimvertrages und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ein Zeitraum von mehr als 3 Monaten liegt, kann ein Verfügungsgrund vorliegen, wenn in der Zwischenzeit aufgrund von Verhandlungen die begründete Hoffnung besteht, dass die fristlose Kündigung tatsächlich nicht vollzogen wird.

2. Ein fristloser Kündigungsgrund des Heimvertrages (= schuldhaft gröbliche Verletzung der vertraglichen Pflichten durch den Bewohner nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 und 3 WBVG) liegt nicht vor, wenn die Verantwortlichkeit des Bewohners für sein Handeln krankheitsbedingt ausgeschlossen ist.

In dem vom OLG Schleswig-Holstein entschiedenen Fall, hatte der Bewohner bei einem Spaziergang wiederholt und zum Teil massiv Betreuungspersonal und auch Mitbewohner angegriffen, woraufhin der Vertrag gekündigt wurde. Die Eltern des Bewohners haben eine einstweilige Verfügung gegen die fristlose Kündigung des Heimvertrages beantragt, dieser wurde vom OLG unter anderem mit der Begründung stattgegeben, dass das problematische Verhalten des Bewohners der Einrichtung bereits bei Abschluss des Heimvertrages bekannt war.

Das LG Rottweil hat in einer relativ aktuellen Entscheidung vom 08.04.2022 – 2 O 435/21 die außerordentliche Kündigung des Vertrages wegen Verhaltensauffälligkeiten des Heimbewohners als unwirksam bewertet.

Auch hier wurde trotz der erheblichen Belastung der Mitarbeiter der Klägerin sowie der in der Einrichtung mit dem Beklagten zusammenlebenden weiteren Bewohnern bei einer Interessensabwägung darauf hingewiesen, dass der Einrichtung bei Aufnahme des Bewohners die intelligenzbedingten Verhaltensauffälligkeiten bekannt waren.
 
Das Landgericht Essen hat mit Urteil vom 18.03.2013 – 1 O 181/12 festgestellt, dass der sexuelle Übergriff eines Heimbewohners gegen eine Mitbewohnerin die fristlose Kündigung des Heimvertrages rechtfertigt, auch wenn der Heimbewohner hochbetragt ist und  seine Ehefrau in derselben Einrichtung lebt.
 
Das Landgericht Oldenburg hat mit Urteil vom 28.05.2020 – 1 U 156/19 folgendes ausgeführt:
 
1. Gewisse Verhaltensauffälligkeiten eines Demenzerkrankten sind vom Heimanbieter, zumal wenn der Mieter in der Demenzabteilung lebt, hinzunehmen und berechtigen nach Maßgabe des § 12 Abs. 1 Satz 1 WBVG nicht zur Kündigung des Heimvertrags.

2. Eine Strafanzeige eines Angehörigen berechtigt jedenfalls dann nicht zur fristlosen Kündigung des Heimvertrags, wenn diese nicht willkürlich gestellt worden ist.

Das Landgericht Münster hat mit Urteil vom 12.12.2016 – 02 O 114/16 folgendes ausgeführt:

Das beharrliche Rauchen des Heimbewohners trotz Rauchverbots begründet einen wichtigen Grund nach den Regelungen des Heimvertrages, wenn der Nutzer trotz mehrfacher Abmahnung wiederholt Zigaretten im Papierkorb statt im Wasserglas entsorgt.

Handelt der Bewohner nicht schuldhaft, weil er sein Verhalten infolge einer Krankheit nicht steuern kann, so kann trotzdem eine Kündigung gerechtfertigt sein, wenn aufgrund einer gewissenhaften Abwägung der Interessen des Heimträgers und der anderen Bewohner (hier: Gefahr für Leib und Leben durch Brandgefahr) mit den Interessen des sich vertragswidrig verhaltenden Bewohners dem Interesse des Heimträgers an einer Vertragsbeendigung der Vorrang einzuräumen ist.

Fazit:

Den Urteilen ist zu entnehmen, dass die Kündigung eines Heimvertrages auch bei extremen Verhaltensweisen des Bewohners, bis hin zu tätlichen Angriffen auf das Pflegepersonal und Mitbewohner schwierig sein dürfte, wenn die Verhaltensweisen, wenn auch nur in Ansätzen, bereits bei Aufnahme des Bewohners in die Einrichtung bekannt waren.
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AUTORIN

Birgit Rehborn

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