Die Erweiterung der Elektronischen Patientenakte als Chance für den europäischen Gesundheitsdatenraum?

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​​​​​​veröffentlicht am 29.02.2024 /Autorinnen: Pauline Rauch und Franziska Witt

Ab 2025 soll für gesetzlich Versicherte automatisch die elektronische Patientenakte eingeführt werden, sofern der Versicherte nicht widerspricht. Diese Regelung ersetzt die bisher geltende freiwillige Einrichtung einer solchen elektronischen Akte. Neben Vorteilen für die digitale Kommunikation zwischen Leistungserbringern und einer verbesserten Notfallversorgung finden sich Vorbehalte hinsichtlich der genauen Umsetzung.

Hintergrund:

Seit dem 1.1.2021 können sich alle gesetzlich Versicherten in Deutschland freiwillig die elektronische Patientenakte (ePA) einrichten lassen („Opt-in” Lösung). In dieser sind sämtliche Gesundheitsdaten wie zum Beispiel Patientenzusammenfassungen, Befunde, elektronische Rezepte, Laborergebnisse und Entlassungsberichte enthalten. Ab 2025 soll die Einrichtung der ePA für alle gesetzlich Versicherten in Deutschland automatisch durch die Krankenkassen erfolgen.

Dieser Artikel soll Ihnen einen Überblick geben, welche Änderungen diesbezüglich ab 2025 durch das deutsche Digitalgesetz und die EU-Verordnung zum Europäischen Gesundheitsdatenraum (EHDS) zu erwarten sind.

Neben der Regelung für die ePA ist auch ein neues Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG) vorgesehen, was den Austausch zu Forschungszwecken ermöglichen soll und über das wir in der nächsten Ausgabe unseres Newsletters berichten werden. Ziel der Gesetze ist es, durch die erleichterte Informationsbeschaffung die medizinische Behandlung – auch im europäischen Austausch – zu verbessern.

Was wird sich ändern?:

Ab 2025 soll das neue Gesetz zur Beschleunigung der Digitalisierung im Gesundheitswesen (Digital-Gesetz) in Kraft treten, wonach gesetzlich versicherten Patienten automatisch die ePA eingerichtet werden soll. Die freiwillige Einrichtung entfällt durch die automatische Vornahme durch die Krankenkasse. Nur bei ausdrücklichem Widerspruch kann die Einrichtung der ePA unterbleiben (sog. „Opt-out” Lösung).

Neben dem Widerspruchsrecht sollen Patienten in Deutschland die Möglichkeit haben, die teilweise Löschungen zu beantragen oder Zugriffsrechte zu beschränken. Dies dürfte auch erforderlich sein, um die ePA mit dem Datenschutz zu vereinbaren. Nur so kann gewährleistet werden, dass bspw. ein Zahnarzt sensible Informationen nicht einsehen kann, die ein Psychologe über psychische Erkrankungen eingestellt hat. Auf das Widerspruchsrecht ist in solchen Fällen explizit hinzuweisen.

Hat der Versicherte widersprochen, soll der Zugriff auch in Notfallsituationen nicht möglich sein. Ob diese Regelungen im deutschen Digitalgesetz jedoch auch auf EU- Ebene Bestand haben werden oder ob die EHDS-VO diese aushebeln wird, bleibt abzuwarten.

Die Vorteile einer ePA liegen zunächst auf der Hand:

Durch die digitale Vernetzung zwischen Ärzten, Krankenhäusern und Apotheken kann die Arbeit für die Leistungserbringer vereinfacht werden. Die Zeit, die für die Informationsbeschaffung (Anfordern von Befunden etc.) anfällt, kann durch die ePA für die konkrete Behandlung genutzt und Leistungserbringer in der Folge erheblich entlastet werden. Dies auch dadurch, dass Mehrfachuntersuchungen, z.B. bei einem Arztwechsel, vermieden werden können. Daneben minimieren sich für Leistungserbringer Behandlungsrisiken, da sie insgesamt nachvollziehen können, wie bisher behandelt wurde, wo Risiken liegen könnten, zusätzliche Vorsorge sinnvoll ist und ob unerwünschte Wechselwirkungen drohen könnten.

Dies ist besonders in solchen Fällen sinnvoll, in denen ein medizinischer Notfall eintritt und akuter Behandlungsbedarf besteht, der Patient sich aber nicht äußern kann. Die EHDS-VO würde bei einem solchen akuten Handlungsbedarf im ganzen EU-Raum den Zugriff auf Informationen über sämtliche Gesundheitsdaten eines Patienten ermöglichen und so die Erfolgschancen der Behandlung erhöhen.

Durch die verschlüsselte Ablage der Daten sind diese vor unberechtigtem Zugriff geschützt. Für den Versicherten selbst, der auf die ePA über eine App Zugriff haben soll, bietet sich die Möglichkeit, besser über die Inhalte der eigenen Krankenakte informiert zu sein.

Neben der Befürwortung steht dem Vorschlag auch Kritik entgegen. So könne der Aussagewert der ePA durch die Widerspruchslösung begrenzt sein, da der Patient über den Umfang der Aufnahme von Gesundheitsdaten entscheiden könnte. Eine Absicherung für Ärzte auf Vollständigkeit bei akutem Handlungsbedarf kann nicht garantiert werden. Zudem sei eine Einschränkung der ärztlichen Schweigepflicht zu befürchten.

Dennoch führt aus datenschutzrechtlicher Sicht kein Weg an der Implementierung dieser Lösung vorbei. Denn wenn sie nicht umgesetzt wird, die ePA also automatisch für jeden Patienten zwingend eingerichtet wird, so besteht ein erhebliches Risiko, dass persönliche Gesundheitsdaten gehackt werden könnten und Patienten somit keinerlei Kontrolle über ihre persönlichen Daten haben.

Fazit:

Die ePA wird, in der nun vorgeschlagenen Form, aus obigen Gründen erhebliche Vorteile für die Gesundheits- und Sozialwirtschaft mit sich bringen. Durch die – nach jetzigem Stand – zu erwartende „Opt-out” Lösung würde jedoch ein erhöhter Anspruch an die Aufklärung durch die Leistungserbringer im jeweiligen Einzelfall gestellt werden. Denn je nach vorliegendem Sachverhalt sollte bei sensiblen Informationen/Gesundheitsdaten unbedingt darauf hingewiesen werden, dass ein Widerspruchsrecht für die jeweiligen Patienten besteht. Dies regelt das Gesetz sogar ausdrücklich in Fällen der Eintragung von HIV-Infektion, Schwangerschaftsabbrüchen oder einer psychischen Erkrankung. Unterbleibt dies, besteht ein hohes Risiko eines Verstoßes gegen das Datenschutzrecht.

Ziel ist es, den Verordnungsentwurf noch in der aktuellen Legislatur des Europäischen Parlaments, die im Mai 2024 endet, abzuschließen.


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Carina Richters

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