Die Haftung des Stiftungsvorstandes und weiterer Organmitglieder im Lichte der Stiftungsrechtsreform

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veröffentlicht am 29. Juni 2023

 

Am 01.07.2023 tritt die Novellierung des BGB zur bundesweiten Vereinheitlichung des Stiftungsrechts in Kraft. Hervorzuheben sind insb. folgende Neuregelungen und Gestaltungsmöglichkeiten.


Grundlagen der Haftung der Stiftungsorgane

Organe der Stiftung sind verpflichtet, unter Berücksichtigung des Stifterwillens stets zum Wohle der Stiftung zu handeln, anderenfalls können sie gegenüber der Stiftung haften. Der Sorgfaltsmaßstab für das ordnungsgemäße Handeln von Organmitgliedern wird nun erstmals in Form der aus dem Aktiengesetz bekannten „Business Judgement Rule” im BGB konkretisiert: Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Mitglied des Organs bei der Geschäftsführung unter Beachtung der gesetzlichen und satzungsgemäßen Vorgaben vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Stiftung zu handeln.

 

Sofern dieser Sorgfaltsgrundsatz eingehalten wird, kann nicht mehr von einer Pflichtverletzung gesprochen werden. Weiterführende Aussagen hinsichtlich der Unzulässigkeit bestimmter Anlagestrategien wie eine Aktienquote oder Grad der Diversifikation der Anlage finden sich im neuen Stiftungsrecht nicht. Es wird mithin nur darauf abgestellt, dass sich die betrauten Organe gem. § 84a BGB n.F. eine fundierte und zeitgemäße (z.B. im Hinblick auf das Ende der Niedrigzinsphase) Informationsgrundlage aufbauen und diese selbstständig auswerten, um die richtigen satzungs- bzw. geschäftsordnungskonformen (und ggf. auch anlagerichtlinienkonformen) Entscheidungen für die Vermögensanlage zu treffen. Diese Entscheidungen dürfen darüber hinaus im Hinblick auf den Fortbestand der Stiftung auch keine unangemessene Risikobehaftung aufweisen.

 

Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung des gesetzlich geregelten Sorgfaltsmaßstabes obliegt wohl wie bisher dem Stiftungsvorstand.

 

Die Erarbeitung einer ausreichenden Informationsgrundlage für Organbeschlüsse trägt also entscheidend zu einer Verringerung des Haftungsrisikos der Organmitglieder bei. Leider wird diese einfache Möglichkeit zur Risikoverringerung in der Praxis oftmals nicht genutzt.

 

Regelung des Verschuldensmassstabs in der Satzung

Grundsätzlich haften Organmitglieder von Stiftungen nach Auftragsrecht für alle vorsätzlich oder fahrlässig verursachten Pflichtverletzungen, § 276 BGB als allgemeiner Verschuldensmaßstab. Die Beweislast für fehlendes Verschulden trägt das Organmitglied. Der neu geregelte § 84a Abs. 1 S. 3 BGB lässt es ausdrücklich zu, dass von der gesetzlichen Grundregelung abgewichen werden kann. Hierdurch kann insbesondere auch die Haftung für Pflichtverletzungen von Organmitgliedern beschränkt werden. Z.B. kann die Haftung der entgeltlich beschäftigten Organmitglieder analog zu § 31a BGB auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit reduziert werden. Solche Überlegungen können gerade bei Familienstiftungen von Interesse sein.

 

Auch die Verweisung auf die Regelung des § 31a BGB bleibt im neuen Recht erhalten, welcher die Haftung ehrenamtlicher Organmitglieder auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit verringert. Nun ist es auch möglich durch die Satzung die Anwendbarkeit des § 31a BGB zu beschränken oder auszuschließen. Da der entstandene Vermögensschaden bei Stiftungen im Vergleich zu Vereinen nicht über Beitragszahlungen wiederhergestellt werden kann, wollte der Gesetzgeber Stiftungen die Option einräumen, die Haftungserleichterungen des § 31a BGB abzubedingen, sodass insb. bei größeren Vermögensschäden nicht die Existenz der Stiftung gefährdet ist.

 

Gestaltung mithilfe von Ressortaufteilungen

Besteht ein Organ aus mehreren Mitgliedern, ist eine Aufteilung der Aufgaben des Vorstands auf einzelne Ressorts wie z.B. Vermögensverwaltung oder Mittelbeschaffung möglich. Diese Ressorts können dann einzelnen Vorstandsmitgliedern zur eigenverantwortlichen Erledigung zugewiesen werden. Pflichtverletzungen innerhalb eines Ressorts treffen grundsätzlich nur die jeweils zuständigen Vorstandsmitglieder. Zu beachten ist, dass aufgrund des sog. Grundsatzes der Gesamtverantwortung dennoch eine Überwachungspflicht bei sämtlichen Vorstandmitgliedern verbleibt. Diese sind verpflichtet einzugreifen, wenn sie Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit oder für ein Fehlverhalten eines Vorstandsmitgliedes in dem ihm zugewiesenen Ressort haben. Dies setzt voraus, dass innerhalb des Vorstands ein Berichtswesen über die einzelnen Ressorts besteht. In der Praxis ist zu beobachten, dass diese Überwachung der anderen Organmitglieder aus persönlicher Verbundenheit oder falsch verstandener Zurückhaltung nicht zureichend stattfindet. Dies stellt ein erhebliches Haftungsrisiko für alle Vorstandsmitglieder dar.

 

Nutzung von Anlagerichtlinien zur weiteren Reduzierung von Haftungsrisiken

Anlagerichtlinien können nach der Gesetzesbegründung zur Stiftungsrechtsnovelle „eine wichtige Grundlage für transparente und nachvollziehbare Anlageentscheidungen der Stiftungsorgane” sein. Die dort festgehaltenen Maßstäbe dienen neben der Haftungsreduzierung der Stiftungsvorstände insbesondere auch dem reibungslosen Fortbestand der Stiftung, da Anlageentscheidungen hierdurch auf einer einheitlichen Basis aufbauen können (Strukturierungsgedanke). Die Dokumentation und Konkretisierung der Risikopräferenzen der Stiftung führt zu einem geringeren Risiko von Pflichtverstößen durch Stiftungsvorstände und damit auch zu einer Vermeidung der im Zweifel auch durch Stiftungsbehörden herbeigeführten Geltendmachung von Ansprüchen.

 

Derartige Richtlinien können z.B. durch den Stifter in der Satzung oder durch einen Stifterbrief bei Errichtung vorgegeben werden. Zur Sicherstellung eines ausreichend dynamischen Konzeptes für Vermögensanlagen, welches auf Veränderungen am Kapitalmarkt wie neuen Rahmenbedingungen oder Entstehung neuer Anlage-Alternativen reagieren kann, empfiehlt es sich, anstatt einer engen statischen Anlagerichtlinie eher grundsätzliche Vorgaben wie beispielsweise allgemeine Risikopräferenzen in der Satzung aufzunehmen. Alternativ kann auch über eine Ermächtigung der Stiftungsorgane selbst nachgedacht werden, sodass die Vorstandsmitglieder eigenständig mit der Stiftungssatzung vereinbarte Maßstäbe entwickeln können, welche sie sodann im Innenverhältnis binden.

 

Fazit

Durch die Stiftungsreform wird die Haftung ausdrücklich näher geregelt. Wir empfehlen auch weiterhin die sich daraus ergebenden Verpflichtungen hinsichtlich der Dokumentation von Organentscheidungen entsprechend zu berücksichtigen. Nur wenn hier ordentlich gearbeitet und dargelegt wird, auf welcher Basis Entscheidungen gefällt werden, ist eine unnötige Haftung zu vermeiden.

 

AUTOREN

​Julia Panke-Rahlenbeck​Jan Hoyer Jungclaussen

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Jan-Claas Hille

Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Prüfer für Interne Revisionssysteme (DIIR)

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