Early Tax Birds 9/2024: Steuerfortentwicklungsgesetz vom Kabinett beschlossen & Neues zu ViDA

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​Ausgabe 9/2024 (22. – 28. Juli 2024)
​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 29. Juli 2024 | Lesedauer ca. 5 Minuten

​Liebe Leserinnen und Leser,


​​erinnern Sie sich noch: Vor zwei Wochen hinterfragten wir, ob es schon einmal ein Jahressteuergesetz 2.0 gab. Nun ist es wieder verschwunden! Aufgegangen ist es ​im Steuerfortentwicklungsgesetz, welches mit leicht ergänztem Inhalt gegenüber dem JStG 2024 II vergangenen Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossen wurde. Nicht verschwunden sind indes die Mitteilungspflichten für innerstaatliche Steuergestaltungen, die weiterhin genauso enthalten sind wie erste Maßnahmen der Wachstumsinitiative. Sie sehen, Steuergesetzgebung kann heutzutage sehr schnelllebig sein. Dabei leider jedoch immer nur im Kleinen, während für den großen Wurf wohl derzeit sowohl der Mut als auch das politische Kapital fehlen. Dennoch sollte die Hoffnung nach einer wahren Steuerreform (noch) nicht aufgegeben werden, und falls eine solche ansteht, lesen Sie es natürlich zuerst hier!


Im Übrigen heißt es wie stets: Wenn Ihnen unser Newsletter gefällt, sagen Sie es gerne w​eiter​ – wenn er Ihnen nicht gefällt, sagen Sie es besser nur uns. Über Anregungen und Kritik freuen wir uns. Schreiben Sie dazu gerne eine E-Mail an: earlytaxbirds@roedl.com​.


Beste Grüße
Philip Nürnberg und das Redaktionsteam
  

​​Aktuelle Gesetzgebung​​

STEUERFORTENTWICKLUNGSGESETZ vom Bundeskabinett beschlossen 

Am 24. Juli 2024 hat das Bundeskabinett den Regierungsentwurf eines Steuerfortentwicklungsgesetzes (SteFeG) beschlossen. Dieser geht aus dem bisherigen Referentenentwurf eines zweiten 
Jahressteuergesetzes 2024 (JStG 2024 II) hervor. Die bisher geplanten Maßnahmen wurden unverändert übernommen und bereits um einige Vorhaben aus der angekündigten Wachstumsinitiative ergänzt. Folgende Neuerungen wurden dabei aufgenommen:

  • Degressive AfA für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nach § 7 Abs. 2 EStG soll bis Ende 2028 verlängert werden. Der degressive Abschreibungssatz soll für nach dem 31. Dezember 2024 und vor dem 1. Januar 2029 angeschaffte oder hergestellte Wirtschaftsgüter das Zweieinhalbfache der linearen AfA, maximal 25 Prozent betragen.
  • Eine Nutzung des GWG-Sammelposten nach § 6 Abs. 2a EStG soll ab dem Jahr 2025 für Wirtschaftsgüter mit Anschaffungs- oder Herstellungskosten von 801 bis 5.000 Euro möglich sein. Statt über fünf Jahre soll der Aufwand zudem künftig über drei Jahre verteilt werden.
  • Die bestehende Pflicht, wonach es erforderlich ist, geringwertige Wirtschaftsgüter nach § 6 Abs. 2 EStG in ein besonderes, laufend zu führendes Verzeichnis aufzunehmen, soll ersatzlos gestrichen werden.
  • Als weitere Wirtschaftsförderung soll die maximale Bemessungsgrundlage der Forschungszulage für nach dem 31. Dezember 2024 entstehende förderfähige Aufwendungen von 10 Mio. EUR auf 12 Mio. EUR angehoben werden.

Die Stellungnahme des Bundesrats zum Gesetzesentwurf wird für den 27. September 2024 erwartet. Insbesondere erscheint derzeit fraglich, ob die Länder bereit sind, die für sie aus dem Gesetzesvorhaben resultierenden Steuerausfälle mitzutragen. 

Regierungsentwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums 2024 VOm BUNDESKABINETT BESCHLOSSEN 

Am 24. Juli 2024 hat das Bundeskabinett ebenfalls den Regierungsentwurf eines Gesetzes zur steuerlichen Freistellung des Existenzminimums 2024​ beschlossen. Ziel ist die rückwirkende Erhöhung des Grundfreibetrags in der Einkommensteuer zum 1. Januar 2024 auf 11.784 EUR und des Kinderfreibetrags auf 6.612 EUR. Da es sich um eine Änderung für ein laufendes Kalenderjahr mit einigen Monaten Rückwirkung handelt, ist es erforderlich, eine besondere Umsetzung in der Lohnsteuer zu wählen. Dafür soll der geänderte Einkommensteuertarif erstmals auf den laufenden Arbeitslohn angewendet werden, der für einen nach dem 30. November 2024 endenden Lohnzahlungszeitraum gezahlt wird. Gleiches soll bei sonstigen Bezüge gelten. In der Folge sind keine Änderungen der Lohnsteuerberechnungen für Januar 2024 bis November 2024 erforderlich. Bei einer Umsetzung können sich Arbeitnehmer somit im Dezember 2024 auf ein etwas höheres Nettogehalt freuen. Die Stellungnahme des Bundesrats zum gesamten Gesetzgebungsverfahren wird für den 27. September 2024 erwartet. 
 

Neuigkeiten aus Europa und der OECD

Update: EU-Proposal ViDA – VAT in the Digital Age

Das Europäische Parlament billigt den Vorschlag der Europäischen Kommission in geänderter Fassung über mehrwertsteuerliche Vorschriften und Vereinbarungen über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im digitalen Zeitalter (ViDA) und den Fernabsatz importierter Waren. Am 24. Juli 2024 veröffentlichte das Europäische Parlament im Amtsblatt der Europäischen Union eine entsprechende legislative Entschließung, mit der einige der Vorschläge der Europäischen Kommission angenommen wurden. ​


Konsultation über Mehrwertsteuerbefreiungsbescheinigung

Die EU-Kommission hat am 23. Juli 2024 ein Konsultationsverfahren über einen Richtlinienvorschlag eröffnet, der die MwSt-Richtlinie 2006/112/EG abändern und mit dem eine elektronische Befreiungsbescheinigung eingeführt werden soll. Mit der gegenwärtig nur in Papierform erhältlichen Bescheinigung wird bestätigt, dass ein Umsatz für eine der spezifischen Steuerbefreiungen gemäß Art. 151 Abs. 1, Unterabsatz 1 der Richtlinie in Frage kommt. Die Konsultation läuft bis zum 13. September 2024, eine Teilnahme ist hier möglich. Die EU-Kommission hat zudem angekündigt, Durchführungsrechtsakte mit den technischen Einzelheiten und Spezifikationen zum elektronischen Format der Bescheinigung und deren elektronische Bearbeitung zu erlassen.

Steuerliche Vertragsverletzungsverfahren gegen Belgien und die Niederlande

Die EU-Kommission hat am 25. Juli 2024 das Register über anhängige und künftige Vertragsverletzungsverfahren aktualisiert. Teil dieses Registers sind auch Verfahren im steuerlichen Bereich wegen einer potenziellen Unionsrechtswidrigkeit nationaler Regelungen. In der aktuellen Pressemittelung zum Register wird mitgeteilt, dass die Kommission gegen Belgien ein Vertragsverletzungsverfahren anstrengen wird, weil der Staat diskriminierende Bedingungen für die Steuerbefreiung von Zinserträgen aus Spareinlagen zu beseitigen hat. Zudem wird mitgeteilt, dass die Kommission als Vorstufe zu einem Vertragsverletzungsverfahren eine Verwarnung an die Niederlande ausgesprochen hat mit der Auflage, diskriminierende Bedingungen in der Besteuerung von Investmentfonds zu beseitigen. 

​​Aktuelle Rechtsprechung​​​

Urteil der Woche: Berücksichtigung von Verlusten nach § 17 Abs. 4 EStG und § 20 Abs. 2 EStG

Unser Urteil der Woche ist die Entscheidung des ​BFH vom 20. Februar 2024 (IX R 12/23)  und befasst sich mit der Qualifizierung von Verlusten aus Darlehen an eine GmbH als Einkünfte aus Gewerbebetriebs oder als Einkünfte aus Kapitalvermögen. Der Kläger war Mehrheitsgesellschafter einer GmbH. Der Kläger hatte sich im Jahr 2013 darüber hinaus gegenüber einer Bank, unter anderem für das Kontokorrentkonto der GmbH, selbstschuldnerisch zur Absicherung verschiedener Verbindlichkeiten der GmbH verbürgt und im Jahr 2015 zwei Darlehensverträge mit der GmbH geschlossen. Im Jahr 2016 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. In zeitlichem Zusammenhang mit dem Insolvenzantrag kündigte die Bank das Kontokorrentverhältnis und stellte den auf dem Konto befindlichen Negativsaldo fällig. Im Streitjahr machte der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung einen Verlust nach § 17 EStG geltend. Der erklärte Verlust setzte sich aus dem Verlust des Stammkapitals an der GmbH sowie dem Ausfall der Rückzahlungsansprüche aus den Darlehen zusammen. Das Finanzamt berücksichtigte jedoch nur das anteilige Stammkapital der GmbH als Verlust nach § 17 EStG.

 
Der gegen den Einkommensteuerbescheid eingelegte Einspruch blieb ohne Erfolg und führte nach erfolgtem Verböserungshinweis zu einer Heraufsetzung der Einkommensteuer. Das Finanzamt erkannte daraufhin keinen Verlust aus § 17 EStG mehr an. Die hiergegen erhobene Klage hatte zunächst zu einer Änderung dahingehend geführt, dass bei den Einkünften des Klägers gemäß § 17 Abs. 4 EStG ein Verlust in Höhe der GmbH-Beteiligung sowie bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ein Verlust aus dem Ausfall von Darlehensforderungen berücksichtigt wurden. Mit der vom Finanzgericht zugelassenen Revision rügt das Finanzamt die Verletzung materiellen Rechts, da nach Auffassung des Finanzamtes die Auflösungsverluste nicht im Streitjahr, sondern erst bei Abschluss des Insolvenzverfahrens zu berücksichtigen seien.
 
Nach Auffassung des BFH hat das Finanzgericht mit rechtsfehlerhafter Begründung den Ausfall der Darlehensrückzahlungsansprüche des Klägers den Einkünften aus Kapitalvermögen zugeordnet. Es sei nicht auszuschließen, dass dieser Verlust ganz oder zumindest teilweise den Einkünften aus Gewerbebetrieb gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 EStG zuzuordnen war, sodass das Urteil aufzuheben und an die Vorinstanz zurückzuverweisen war. Ergänzend hat der BFH darauf hingewiesen, dass mit Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts zum 1. November 2008 durch das MoMiG die Grundlagen zu den nachträglich zu berücksichtigenden Anschaffungskosten aus der bisherigen Rechtsprechung weggefallen sind. Der Gesetzgeber reagierte darauf mit einer Anpassung im Jahressteuergesetz 2019​. Er führte in § 17 EStG mit Abs. 2a eine Definition der Anschaffungskosten von Anteilen an Kapitalgesellschaften im Sinne von § 17 EStG in Anlehnung an § 255 HGB ein. Der in diesem Kontext eingefügte § 17 Abs. 2a Satz 3 Nr. 2 EStG regelt, unter welchen Voraussetzungen auch nach der Aufhebung des Eigenkapitalersatzrechts Darlehensverluste als nachträgliche Anschaffungskosten bei den Einkünften im Sinne von § 17 EStG zu berücksichtigen sind. Dabei ist jedoch zu beachten, dass nach § 52 Abs. 25a Satz 1 EStG diese Regelung erstmals für Veräußerungen im Sinne von nach dem 31. Juli 2019 anzuwenden ist. Auf Antrag des Steuerpflichtigen ist diese jedoch auch für Veräußerungen vor diesem Datum anzuwenden.

Der Kläger hatte keinen Antrag nach § 52 Abs. 25a Satz 2 EStG gestellt. Infolgedessen findet die bis dahin gültige Rechtslage, mithin auch die Grundsätze zur Berücksichtigung von nachträglichen Anschaffungskosten aus eigenkapitalersetzenden Finanzierungshilfen nach der bisherigen Rechtsprechung, Anwendung. Aus dem Urteil sind zudem weitere Hinweise zur gebotenenFeststellung  durch das Finanzgericht zu entnehmen. Zunächst müsse festgestellt werden, wann der Eintritt der Krise der GmbH erfolgte. Sollte die Krise vor der Gewährung der streitgegenständlichen Darlehen eingetreten sein, wären diese als krisenbedingte Darlehen mit ihrem Nennbetrag als nachträgliche Anschaffungskosten bei den Einkünften aus § 17 EStG zu berücksichtigen. Aus dieser Feststellung ergeben sich zwei Alternativen:
  • Sofern die Krise erst nach der Darlehensgewährung eingetreten sein sollte, hätte die Vorinstanz auch zu ermitteln, inwiefern die Darlehen für die Krise bestimmt gewesen wären und somit eine Berücksichtigung als nachträgliche Anschaffungskosten als krisenbestimmte Darlehen zu erfolgen hätte.
  • ​Sollte das Darlehen vor Eintritt der Krise gewährt worden und die Darlehen nicht krisenbestimmt gewesen sein, müsste es den Wert der Rückzahlungsansprüche der Darlehen in dem Zeitpunkt, in dem der Kläger sie mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis nicht abgezogen hatte(stehengelassenes Darlehen), ermitteln. Mit diesem Wert wäre der Ausfall als nachträgliche Anschaffungskosten im Rahmen des § 17 EStG zu berücksichtigen.

Es bleibt abzuwarten, welche Feststellungen im Tatsächlichen das Finanzgericht im Nachgang treffen wird und welchen Einfluss dies auf die Entscheidung im Streitfall hat. Sollte der Fall anschließend wieder den Weg zum BFH finden, lesen Sie hier über den weiteren Ausgang. 



 Weitere veröffentlichte Entscheidungen des BFH​

​Akten​zeichen​ ​​Entscheidungs-​
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​Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 26a EStG für eine nebenberufliche ehrenamtliche Tätigkeit als Aufsichtsrat einer kommunalen GmbH
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​Zur umsatzsteuerrechtlichen Behandlung von Zusatzvergütungen für in der Vergangenheit überlassene Urheberrechte
​IV R 19/21
​24. April 2024
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4. Juli 2024
Verfahrensrecht: Keine Beschwerde gegen einen PKH-Ablehnungsbeschluss, gegen einen Verweisungsbeschluss und gegen die Ablehnung einer Protokollberichtigung 
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