Early Tax Birds 16/2024: Ist der Grundfreibetrag 2023 und 2024 verfassungswidrig?

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​Ausgabe 16/2024 (9. – 15. September 2024)
​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 16. September 2024 | Lesedauer ca. 5 Minuten

​Liebe Leserinnen und Leser,​

diese Woche ist eine ganz besondere Woche: Das Bundesministerium der Finanzen (seltsamerweise nicht: „für Finanzen“) feiert sein 75jähriges Bestehen – herzlichen Glückwunsch an dieser Stelle im Namen aller Steuerpflichtigen. Am 24. Mai 1949 ist das Grundgesetz in Kraft getreten, und sogleich am 20. September 1949 wurde das Bundesministerium der Finanzen eingerichtet. Schon zum 1. August 1949 hatte das Finanzgericht Münster (übrigens das größte aller deutschen Finanzgerichte) seine Tätigkeit aufgenommen und wurde dafür sogar unlängst mit einer Festschrift geehrt, während der Bundesfinanzhof erst zum 1. Oktober 1950 in Dienst gestellt wurde. Beständigkeit haben wir also immerhin im Steuerrecht insoweit, als es die zentralen Institutionen in Verwaltung und Rechtsprechung betrifft, auch wenn das angesichts der schwer verdaulichen Steuergesetze nur ein schwacher Trost sein mag...

Im Übrigen gilt wie immer: Wenn Ihnen unser Newsletter gefällt, abonnieren Sie ihn und em​pfehlen​​ Sie ihn weiter. Wenn er Ihnen nicht gefällt, sagen Sie es besser nur uns. Wir freuen uns über jede Kritik, Anregung und natürlich auch über Lob an earlytaxbirds@roedl.com.

Beste Grüße
Prof. Dr. Florian Haase und das Redaktionsteam

  
 
Aktu​elle Gesetzgebung​​
  

GEsetzesentwürfe erreichen den Bundestag

Die während der parlamentarischen Sommerpause aufgelaufenen steuerlichen Gesetzesentwürfe haben in den ersten Beratungen den Bundestag erreicht. Insgesamt hat die Bundesregierung des Jahressteuergesetz 2024, das ​​Steuerfortentwicklungsgesetz und ein Gesetz zur Erhöhung des steuerlichen Existenzminimums​ eingebracht. Zu allen drei Gesetzgebungsverfahren steht die Stellungnahme des Bundesrates noch aus.​​ 

E-Rechnung: E-Mail-Postfach reicht aus

Für den Empfang einer E-Rechnung reicht künftig die Bereitstellung eines E-Mail-Postfachs aus. Das erklärte die Bundesregierung in ihrer Antwort (20/12742) auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion (20/12563). Allerdings können die beteiligten Unternehmen auch andere elektronische Übermittlungswege vereinbaren. Dies ist insofern klarstellend, als zwischenzeitlich diskutiert wurde, ob nach der neuen Definition einer Rechnung in § 14 UStG ab dem 1. Januar 2025 der Empfang auch die Verarbeitungsmöglichkeit beim Rechnungsempfänger mit umfassen muss, was weitere Abstimmung mit Kunden umfasst hätte, damit diese auch eine für ihren Vorsteuerabzug ordnungsgemäße Rechnung in ihrem System haben. Denn eine elektronische Rechnung ist eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird und eine elektronische Verarbeitung ermöglicht. ​
 

Neues aus der Finanzverwaltung 

  
Gewinnermittlung nach Durchschnitt​​ssätzen gem. § 13a ABs. 3 EstG

Das BMF hat am 11. Septemer 2024​ Vordrucke der Anlage 13a sowie Vordrucke für die Sonder- und Ergänzungsrechnung für Mitunternehmerschaften und die dazugehörigen Anleitungen für das Jahr 2024 bekannt gegeben. Für die Übermittlung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz wurden die entsprechenden Formulare auch im Internet unter www.elster.de​ veröffentlicht.
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Neuigkeiten von der EU, der OECD und der UNO

  
Zeichnungskonferenz und Neuigkeiten zu PIllar II

Dem Vernehmen nach soll in der kommenden Woche eine Zeichnungskonferenz hinsichtlich der Subject to Tax Rule (STTR) im Rahmen von Pillar II bei der OECD in Paris stattfinden. Zudem ist laut Wirtschaftsmedien zu erwarten, dass die OECD zeitnah weitere Leitlinien zu Pillar II im Rahmen des Inclusive Framework on BEPS bereitstellt. Dazu zählen die Behandlung von Verlusten, die Definition von erfassten Steuern, die Koordinierung der STTR und der Undertaxed Payments Rule (UTPR) sowie Aussagen zu Streitbeilegungsmechanismen. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass die OECD die Entwicklung eines gemeinsames Berichtsformulars und eines weiteren Multilateralen Instruments beabsichtigt. Diese sollen die Umsetzung und Verwaltung der GloBE-Regeln erleichtern.

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​​Aktuelle Rechtsprechung​​​

  
Werterhöhung von anteilen an einer Kapitalgesellschaft als Schenkung

In unserem Urteil der Woche (II R 22/21) ​hatte der BFH sich mit der Frage zu befassen, unter welchen Voraussetzungen die Werterhöhung an Anteilen einer Kapitalgesellschaft als Schenkung qualifiziert. Der Kläger und weitere Familienmitglieder waren zu gleichen Teilen Erben der D. Zum Nachlass gehörte ein Geschäftsanteil an der T GmbH. Die Geschäftsanteile entsprachen einer Beteiligungsquote von ca. 33 %. Die übrigen Geschäftsanteile hielt die H KG, an der neben einer Komplementärin ohne vermögensmäßige Beteiligung der Kläger und seine zwei Brüder, welche ebenfalls Erben der D waren, als Kommanditisten beteiligt waren.

Die Miterben veräußerten gemeinschaftlich den durch Erbanfall erworbenen Anteil von der T GmbH für 300.000 EUR an diese. Für die Bestimmung des Kaufpreises legten die Miterben zwei Unternehmensbewertungen zugrunde, aufgrund derer sich die Miterben auf einen Unternehmenswert der T GmbH von 1.000.000 EUR einigen konnten. Das örtlich zuständige Finanzamt stellte den Wert des veräußerten Geschäftsanteils auf den 10. Oktober 2013 mit 1.819.176 EUR fest.

Aufgrund der Differenz von 819.176 EUR ging das Finanzamt von Schenkungen i.S.d. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG der nicht an der H KG beteiligten Miterben zugunsten der Kommanditisten der H KG aus und erließ Bescheide über Schenkungsteuer gegen den Kläger und seine Brüder. Die Steuerbegünstigung nach §§ 13a, 13b ErbStG gewährte es nicht. Der Kläger legte erfolglos Einsprüche gegen die Schenkungsteuerbescheide ein und auch das Finanzgericht entsprach nicht der Auffassung des Klägers.  

Der BFH bestätigte nun die Auffassung des Finanzgerichts, dass anders als der schenkungsteuerrechtliche Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG keine Freigebigkeit verlangt und im vorliegenden Sachverhalt eine steuerliche Schenkung nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG vorliegt. Dies liegt auch darin begründet, dass es Ziel des Gesetzgeber ist, insbesondere durch die fingierte Schenkung nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG solche Werterhöhungen von Anteilen an Kapitalgesellschaften mit Schenkungsteuer zu belasten, die aufgrund von verdeckten Einlagen in die Gesellschaft entstehen. Dennoch hat das Finanzgericht rechtsfehlerhaft angenommen, dass die Werterhöhung der Anteile an der T GmbH i.S.d. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG "denklogisch" mit dem Wert des teilweise unentgeltlich auf die Gesellschaft übertragenen Geschäftsanteils korrespondiert. Hierbei handelt es sich lediglich um eine Obergrenze für die Werterhöhung i.S.d. § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG. Es ist in jedem Einzelfall festzustellen, ob die Leistung an die Gesellschaft tatsächlich zu einer Werterhöhung von Anteilen an der Kapitalgesellschaft geführt hat.

Auch wenn der BFH keine Werterhöhung der Anteile an der T GmbH feststellt, da er zur Ermittlung einer möglichen Werterhöhung an das Finanzgericht zurückverweist, führt dieser bei einer möglichen Werterhöhung aus, dass eine Begünstigung nach §§ 13a, 13b ErbStG auszuschließen sei. Dies begründet der BFH damit, dass der Zuwendungsgegenstand im Rahmen des § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG kein Anteil an einer Kapitalgesellschaft i.S.d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG ist, sondern allein die Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft. Diese gehören nach Auffassung des BFH jedoch nicht zum begünstigten Vermögen nach § 13b Abs. 1 ErbStG.

Ungeachtet der Entscheidung des BFH ist zu beachten, dass in dem Sachverhalt nach Auffassung des BFH ein offensichtliches Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegt. In der Auslegung des Urteils wäre daher auch denkbar, dass bei einer geringeren Differenz und einer ausgeglicheneren Leistung und Gegenleistung der BFH die Steuerbarkeit nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG möglicherweise verneint hätte. Im Zusammenhang mit dem Urteil ist auch das anhängige Verfahren vor dem BFH (II R 19/24) abzuwarten. Hierbei muss der BFH in einem ähnlich gelagerten Sachverhalt entscheiden. Aufgrund dessen kann eine weitere Konkretisierung der Grundsätze zur Steuerbarkeit nach § 7 Abs. 8 Satz 1 ErbStG erwartet werden.

Mögliche Verfassungswidrigkeit des grundfreibetrags 

In einem Verfahren vor dem Schleswig-Holsteinischen Finanzgericht vom 28. Juni 2024​ stritten die Beteiligten über die Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrags gemäß § 32a Abs. 1 EStG in den Jahren 2023 und 2024. Streitig war, ob die Anpassung des Grundfreibetrags einerseits der Inflation und damit der Frage des Existenzminimums Rechnung trüge und andererseits, ob sie nicht deutlich unter dem durch das neue Bürgergeld definierten sozialrechtlichen Existenzminimums läge. Fraglich war insoweit auch, ob ein nicht hinnehmbarer Verstoß gegen Art. 3 GG gegeben ist, da steuerzahlende Bürger schlechter gestellt würden als Bezieher von Bürgergeld. Zwar ist das Finanzgericht Schleswig-Holstein von einer Verfasungswidrigkeit nicht überzeugt, hat jedoch dennoch die Revision zugelassen  und die Sache dem BFH (Az. III R 26/24) vorgelegt. Es ist zu empfehlen, Einkommensteuerbescheide 2023 bis auf Weiteres offen zu halten. 

 Weitere veröffentlichte Entscheidungen des BFH

​Akten​zeichen​ ​​Entscheidungs-​
datum
​​Stichwort
​ I B 52/22
​5. Juni 2024

Unerreichbarkeit eines Auslandszeugen 
22. Mai 2024
Vorteilseignung einer vGA aufgrund ersparten Aufwands
II R 23/21
10. April 2024
​Inhaltsgleich mit dem Urteil zur Werterhöhung von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft als Schenkung
VIII B 74/23
27. August 2024
Ablehung eines Terminverlegungsantrags
 ​VIII R 13/20
18. Juni 2024
​Pauschalbesteuerung der Erträge aus thesaurierenden "schwarzen" Fonds
​ VIII R 20/22
22. Mai 2024
​Überprüfung eines rechtsgrundlosen Kapitalertragsteuereinbehalts

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