Early Tax Birds 11/2024: BFH zur steuerlichen Berücksichtigung eines Darlehensverzichtes

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​Ausgabe 11/2024 (5. – 11. August 2024)
​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 12. August 2024 | Lesedauer ca. 5 Minuten

​Liebe Leserinnen und Leser,


​​zumindest hier in Hamburg scheint sich der Sommer so langsam doch noch zu zeigen. Damit verbunden nimmt auch die Besetzung in den Büros ab, und somit werden auch (etwas) weniger Steuer-News produziert. Dennoch müssen wir uns nicht vor einem steuerlichen Sommerloch fürchten, da zumindest der BFH kontinuierlich Urteile produziert. Außerdem scheinen auch in der Finanzverwaltung nicht alle Kolleginnen und Kollegen im Urlaub zu verweilen, da in der vergangenen Woche doch einige spannende Themen über den Ticker gingen. Und auch die BStBK ist noch nicht gänzlich im Sommerurlaub. Jedenfalls veröffentlichte diese jüngst grundlegend überarbeitete Hinweise für steuerliche innerbetriebliche Kontrollsysteme, welche wir Ihnen, zwar nicht ganz passend an dieser Stelle, aber dennoch auch nicht gänzlich fern, in der Rubrik der Neuigkeiten aus der Finanzverwaltung präsentieren. 


So oder so sind wir selbstverständlich auch im Sommer für Sie unterwegs und halten die im Büro Zurückgebliebenen und auch am Strand auf den Rechner Blickenden über die im wahrsten Sinne des Wortes heißesten Steuer-News des Landes auf dem Laufenden. Lesen Sie also gerne in unsere aktuelle Ausgabe hinein. 


Im Übrigen heißt es wie stets: Wenn Ihnen unser Newsletter gefällt, sagen Sie es gerne w​eiter​ – wenn er Ihnen nicht gefällt, sagen Sie es besser nur uns. Über Anregungen und Kritik freuen wir uns. Schreiben Sie dazu gerne eine E-Mail an: earlytaxbirds@roedl.com​.


Beste Grüße
Philip Nürnberg und das Redaktionsteam

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Neues aus der Finanzverwal​tung

Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer bei beschränkt Steuerpflichtigen gemäss § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buchst. b i.V.m. Satz 7 EStG

Mit Schreiben vom 5. August 2024​ hat das BMF bekanntgegeben, dass einem Antrag auf Veranlagung zur Einkommensteuer gem. § 50 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 Buch. b i. V. m. Satz 7 EStG auch dann stattzugeben ist, wenn es sich bei der antragstellenden Person um einen Staatsangehörigen eines EU-Mitgliedstaates oder eines EWR-Staates handelt und diese Person in der Schweizerischen Eidgenossenschaft ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat. Das BMF schließt sich damit dem EuGH-Urteil vom 30. Mai 2024, C-627/22​ an. Das Schreiben ist in allen offenen Fällen anzuwenden. 

Vordrucke für Feststellungserklärungen zur Hinzurechnungsbesteuerung 

Das BMF hat am 8. August 2024 erneut Bezug auf die Vordruckmuster für die Feststellungserklärungen zur Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung nach den §§ 7 ff. AStG und der Zurechnungsbesteuerung für Fam​ilienstiftungen nach § 15 AStG genommen. Hierbei wurde zusammenfassend zu den nun geltenden Fristen und Anwendungsregelungen Stellung bezogen. Die Vordruckmuster liegen sowohl für die alte Fassung für Feststellungsjahre, die Wirtschaftsjahre der Zwischengesellschaften betreffen, die vor dem 1. Januar 2022 beginnen, sowie für die neu geltende Fassung für Feststellungsjahre, die Wirtschaftsjahre der Zwischengesellschaften betreffen, die nach  dem 31. Dezember 2021 beginnen, vor. Sie finden die Vordruckmuster hier​​. 

​Die Frist für die Abgabe der Feststellungserklärungen und Anzeigen nach § 18 Abs. 3 AStG zur Anwendung der Hinzurechnungsbesteuerung in der Neuregelung für das Feststellungsjahr 2022 wurde bereits mit BMF-Schreiben vom 18. Juni 2024 bis zum 31. Oktober 2024 verlängert. Bitte beachten Sie, dass die Fristverlängerung nur für die Neuregelung für das Feststellungsjahr 2022 gilt, jedoch nicht für die Abgabe der Feststellungserklärung für die Altregelung für das Wirtschaftsjahr 2021 mit Feststellungsjahr 2022. Zudem wurde die Frist für die Abgabe der Feststellungserklärungen und Anzeigen nach § 18 Abs. 4 AStG zur Anwendung der Zurechnungsbesteuerung für ausländische Familienstiftungen für das Feststellungsjahr 2022 mit BMF-Schreiben vom 11. September 2023 bis zum 31. Juli 2024 verlängert.

„Gewerbesteueroasen“​ im Fokus der Finanzverwaltung

Der Wirtschaftspresse der jüngeren Zeit ist zu entnehmen, dass die sog. Gewerbesteueroasen (gemeint sind Gemeinden mit einem niedrigen Gewerbesteuerhebesatz) in den Fokus der Finanzverwaltung gerückt seien. Mehr noch: Der Fahndungsdruck sei hoch, die ersten Steuerstrafverfahren seien eingeleitet worden. Ein Beispiel ist die „Wirtschaftswoche“ Nr. 32 vom 2. August 2024 unter dem Aufmacher „Operation Oase“: Danach ermitteln Fahnder bundesweit, „ob Unternehmen tatsächlich in Monheim, Grünwald oder Zossen tätig sind – oder schlicht Steuern hinterziehen“. Vom Kölner Oberstaatsanwalt Lutz Niemann erfährt man dort zudem: „Wir führen eine handvoll Ermittlungsverfahren mit Bezug zu Gewerbesteueroasen.“ Und schließlich mit steuerlich materiell-rechtlichem Gehalt: „Eine Firma müsse in der Oase operativ tätig sein. Ermittler sprechen deshalb auch immer wieder davon, dass eine Firma dort ihr Tagesgeschäft versehen müsse.“ Anderenfalls sei eine Sitzverlegung in eine Gemeinde mit einem niedrigen Hebesatz „inakzeptabel“ und dann auch „rasch ein Fall von Steuerhinterziehung, weil die Steuern eigentlich einer anderen Kommune zustünden“. 

Das Thema ist allerdings bei Lichte betrachtet ein Papiertiger: Abgesehen von Extremfällen, in denen der Unternehmer der Finanzverwaltung gewerbesteuerliche Betriebsstätten verschweigt, sollte der Vorwurf der Steuerhinterziehung ausnahmslos zu entkräften sein. Der Gesetzgeber hat sich im Bereich der Gewerbesteuer für einen Wettbewerb zwischen den Gemeinden über den Hebesatz entschieden, und diesen Wettbewerb dürfen Steuerpflichtige für sich nutzen: sei es über eine Sitzverlegung in eine Niedrigsteuergemeinde, sei es über die Aufteilung des Gewerbebetriebs in mehrere Betriebsstätten, von denen eine oder mehrere in Niedrigsteuergemeinden belegen sind. Dass in einer Niedrigsteuergemeinde bei einer Zuordnung der Wirtschaftsgüter zu einem Unternehmen ggf. viel Geld verdient wird, ändert daran nichts. Der Steuergesetzgeber hat sich für eine Aufteilung des Gewerbeertrags nach Lohnsummen entschieden. Wenn auch Sie zu Unrecht in den Fokus der Finanzverwaltung rücken: Sprechen Sie Rödl & Partner gerne an.

BStBk veröffentlicht Hinweise für steuerliches innerbetriebliches Kontrollsystem​

Bekanntlich verfügen Unternehmen in der Regel über ein steuerliches innerbetriebliches Kontrollsystem (IKS). Problematischer wird es indes bei der Frage, ob dieses immer ausreichend dokumentiert und systematisiert ist. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund spannend, dass ein gut dokumentiertes Steuer-IKS viele Vorteile in der Praxis bietet. So verschafft es mehr Rechtssicherheit bei der Erfüllung der steuerlichen Pflichten oder minimiert das Risiko für unerwartet hohe Steuernachforderungen. Die aktuellen Hinweise zu einem solchen Steuer-IKS hat die BStBK nun auf ihrer Website veröffentlicht. 

​​Aktuelle Rechtsprechung​​​

Darlehensverzicht und Begründung der Rückzahlungsforderung

In unserem Urteil der Woche vom 18. Juni 2024 (VIII R 25/23)​ hatte der BFH zu entscheiden, ob ein Darlehensverzicht als steuerlicher Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG geltend gemacht werden kann. Dabei hatte der BFH für den § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG zu klären, wann ein vertraglicher Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers als sonstige Kapitalforderung entstanden ist. Im Streitfall gewährte die Klägerin am 1. Januar 2008 einer Ltd. ein Darlehen, welches bis Vertragsende rückzahlbar war. Mit Auflösungsvereinbarung vom 31. Dezember 2018 verzichtete die Klägerin zum 31. Dezember 2018 vollständig auf die Rückzahlung des Darlehens. Die Klägerin machte für das Streitjahr den Darlehensverzicht in voller Höhe als Verlust bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltend. Das Finanzamt erkannte den Verlust aus dem Darlehensverzicht nicht an. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG sei erstmals anwendbar auf Kapitalforderungen, die nach dem 31. Dezember 2008 begründet worden seien. Die Kapitalforderung, auf die die Klägerin verzichtet habe, sei aber mit Abschluss des Darlehensvertrags am 1. Januar 2008 begründet worden. Die Klägerin hingegen vertrat die Auffassung, dass es sich bei dem Darlehen um ein Kontokorrent handelt und es 2014 eine Überzahlung des Darlehens gab. Als Folge der Überzahlung sei 2014 die anschließend entstandene Darlehensforderung eine neue Forderung gewesen, die nach dem 31. Dezember 2008 entstanden sei. Das FG hatte der Klage stattgegeben. Das Finanzamt legte jedoch Revision gegen das FG-Urteil vom 12.06.2023 - 7 K 7115/21 ein und beantragte die Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung.


Der endgültige Ausfall einer Kapitalforderung gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG im Privatvermögen führt grundsätzlich zu einem steuerlich anzuerkennenden Verlust nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG. Allerdings ist § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG im Streitfall nicht anwendbar, da der Anwendungsbereich gem. § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG nur für private Darlehens- und Gesellschafterforderungen eröffnet ist, die nach dem 31. Dezember 2008 angeschafft oder begründet wurden. § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG knüpft mit dem Begriff der Kapitalforderung“​ an den Besteuerungstatbestand des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG an. Jedoch regelt er nur den sachlichen Anwendungsbereich des Steuertatbestands und beeinflusst nicht dessen Inhalt. Für den sachlichen Anwendungsbereich der Besteuerungsnorm kommt es auf den Zeitpunkt an, in dem der Rechtsgrund für den Anspruch entstanden ist. Dies ist der Zeitpunkt des schuldrechtlichen Vertragsschlusses, da es sich bei dem Darlehensrückzahlungsanspruch um einen vertraglichen Anspruch handelt. Zu diesem Zeitpunkt ist auch der „Erwerb“​​​ des Rückzahlungsanspruchs erfolgt. Der vertragliche Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers ist somit gem. § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG mit dem wirksamen Zustandekommen des Darlehensvertrags begründet.


Unerheblich ist, ob die Ltd. als Darlehensnehmerin das Darlehen zwischenzeitlich vollständig getilgt oder sogar übertilgt hatte. Die Ltd. hat dasselbe Darlehen nach zwischenzeitlicher Rückführung erneut in Anspruch genommen, sodass gem. § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG keine neue Kapitalforderung nach dem 31. Dezember 2008 begründet wurde. Es handelt sich zudem nicht um ein Kontokorrekt, da es im Darlehensvertrag an einer Regelung über die Verrechnung und Feststellung des laufenden Saldos in regelmäßigen Abständen gem. § 355 HGB oder einer abweichenden Vereinbarung fehlt.


Der vertragliche Rückzahlungsanspruch des Darlehensgebers als sonstige Kapitalforderung wird gemäß § 52 Abs. 28 Satz 16 EStG mit dem wirksamen Zustandekommen des Darlehensvertrags begründet. Auf die Revision des Beklagten wurde das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 12. Juni 2023 - 7 K 7115/21 aufgehoben. Das FG hat den Verzicht auf die Darlehensrückzahlung zu Unrecht als steuerbar erachtet, da das Darlehen bereits am 1. Januar 2008 begründet wurde. Der BFH hat keine Entscheidung dazu getroffen, wie die Übergangsregelung im Fall eines Kontokorrents auszulegen wäre.


 Weitere veröffentlichte Entscheidungen des BFH​

​Akten​zeichen​ ​​Entscheidungs-​
datum
​​Stichwort
I R 6/20
8. Mai 2024
​Berechnung des besitzanteiligen Anleger-Aktiengewinns nach § 8 Abs. 3 InvStG 2004
I R 37/21
8. Mai 2024
Körperschaftsteuererhöhung durch Auszahlungen an die Mitglieder infolge der Herabsetzung des genossenschaftlichen Geschäftsanteilswerts
IV R 21/21
15. Mai 2024
​Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags bei einer einzel- und einer mehrgemeindlichen Betriebsstätte - zur Bindungswirkung einer Einigung im Sinne des § 33 Abs. 2 GewStG
IV R 22/21
15. Mai 2024
Teilweise inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 15.05.2024 IV R 21/21 - Korrektur eines Zerlegungsbescheids bei nachträglich bekannt gewordener Tatsache
IV R 23/21
​15. Mai 2024
Zwang zur Einheitlichkeit der Zerlegungsentscheidung 
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