Die personalistisch geprägte GmbH im Lichte des neuen Beschlussmängelrechts des HGB

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​​​​​​​​​​​​​​​​​​veröffentlicht am 10. September 2024 | Lesedauer ca. 5 Minuten

 

​In einem vorherigen Artikel​ hat die Kollegin Bettina Weinaug​ ​bereits das neue Beschlussmängelrecht der Personengesellschaften beleuchtet. Laut der Gesetzesbegründung zum MoPeG wird das neue Beschlussmängelrecht in den §§ 110 ff. HGB neben den Personengesellschaften auch auf das Beschlussmängelrecht der GmbH ausstrahlen. Denn das GmbH-Gesetz kennt kein eigenes Beschlussmängelrecht, weswegen bisher die §§ 241 ff. AktG, also Normen aus dem Aktienrecht, auf die GmbH angewendet wurden, um die Lücke zu schließen. Nunmehr steht ein neues Regelungssystem für das Beschlussmängelrecht der GmbH zur Verfügung und es stellt sich die Frage, ob die Regelungen aus dem HGB nicht passender für personalistisch geprägte GmbHs sind, die einer Personengesellschaft wie einer OHG oder KG viel näher stehen als an eine Aktiengesellschaft. 

Der Großteil der GmbHs in Deutschland ist personalistisch geprägt. Das bedeutet, sie werden wie eine Personengesellschaft, also beispielsweise eine OHG oder KG, genutzt. Dies zeigt sich daran, dass die meisten GmbHs, wie bei einer Personengesellschaft üblich, eine geringe Anzahl an Gesellschaftern aufweist und mindestens einer dieser Gesellschafter Geschäftsführer ist. In der Regel ist die Bindung der Gesellschafter zur Gesellschaft (z.B. als Gründer) enger als die Stellung als Aktionär einer Aktiengesellschaft. Gerade deshalb ist ein Wechsel der Gesellschafter wie bei einer Personengesellschaft seltener. In aller Regel bedarf ein Beitritt eines neuen Gesellschafters oder der Verkauf der Geschäftsanteile die Zustimmung der anderen Gesellschafter. Dies ist ganz anders als bei einer Aktiengesellschaft, die regelmäßig mehr Gesellschafter aufweist und die Gesellschaftsanteile (Aktien) frei gehandelt werden können, ohne dass es etwaiger Zustimmung bedarf. 

Die Änderungen im HGB sind vor diesem Hintergrund für GmbH-Gesellschafter interessant, weil sich die Frage stellt, welche Regelungen gelten, wenn kein Beschlussmängelrecht in der Satzung geregelt wird und deswegen auf die gesetzlichen Regelungen zurückgegriffen werden muss. Insoweit wird in folgendem Beitrag untersucht, welches der Regelungssysteme besser zu einer GmbH passt.

Die Regelungssysteme im Vergleich 

Die Ähnlichkeiten​ der Regelungssysteme​

Bevor auf die Unterschiede der Regelungssysteme eingegangen wird, ist zunächst klarzustellen, dass sich die Regelungssysteme in der konkreten Rechtsanwendung wenig unterscheiden. Dies ist insbesondere deswegen der Fall, weil die Regelungen des Aktiengesetzes von der Rechtsprechung und Literatur modifiziert und teilweise, wenn sie nicht auf die GmbH passen, nicht angewendet werden. Dies ist insoweit erforderlich, weil die Regelungen im Aktiengesetz viel unflexibler und ein starreres Regelungssystem aufweisen, als es die GmbH benötigt. Eine so starke Modifikation wie im Aktiengesetz ist bei den Regelungen im HGB nicht erforderlich, weil sich die Gesellschaftsstrukturen viel ähnlicher sind. 

Im Einzelnen ergeben sich insbesondere durch die Modifikation der Rechtsprechung und Literatur folgende Gemeinsamkeiten: 

Den §§ 241 ff. AktG liegt wie den neuen §§ 110 ff. HGB das Anfechtungsmodell zugrunde, das zwischen nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen unterscheidet. Nichtige Beschlüsse kommen dabei lediglich bei besonders schwerwiegenden Mängeln infrage und bilden daher die Ausnahme. Damit ein anfechtbarer Beschluss letztlich nichtig wird, muss erst eine sog. Anfechtungsklage erhoben werden. Demgegenüber sind nichtige Beschlüsse von Anfang an unwirksam.

Im Aktiengesetz führen bestimmte und abschließend aufgezählte Mängel zur Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses. Anderweitige Verletzungen des Gesetzes oder der Satzung ermöglichen nur dessen Anfechtung. Dabei wird die Anfechtbarkeit nur durch Verfahrensfehler begründet, die die Interessen Einzelner oder aller Teilnahme- und Abstimmungsberechtigten beeinträchtigen. 

Die Unterscheidung zwischen nichtigen und anfechtbaren Beschlüssen gestaltet sich in den neuen §§ 110 ff. HGB ähnlich. Jedoch bedarf der § 110 HGB, der die nichtigen Beschlüsse regelt, weniger Anpassungen, weil er keine strikte Aufzählung der Nichtigkeitsgründe enthält, sondern viel weiter gefasst ist als die Norm im Aktiengesetz und damit flexibler angewendet werden kann. Dies liegt darin begründet, dass die Aktiengesellschaft wegen der größeren Anzahl an Gesellschafter und deren häufigeren Wechselns ein viel klareres und differenziertes Regelungssystem erfordert, der den Herausforderungen einer Aktiengesellschaft gerecht werden kann. Zudem wurde eine genauso detaillierte Regelung wie im AktG auch deswegen im HGB nicht als notwendig erachtet, weil die Gestaltungsfreiheit im Personengesellschaftsrecht weiter reicht als im Aktienrecht. Jedoch kommt im Falle der Bestimmung der nichtigen Beschlüsse die Norm aus dem HGB auch nicht ohne eine gewisse Anpassung aus, weil sie bei ihrer konkreten Anwendung keine Verfahrensfehler bei der Beschlussfassung erfassen würde, wodurch Verfahrensfehler im Rahmen der Beschlussfassung generell, egal wie gravierend, nur zur Anfechtbarkeit und nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses führen würden. 

Weiter ergeben sich bei der Geltendmachung der Anfechtungsklage kaum Unterschiede zwischen den Regelungssystemen. Der Vorteil der Normen aus dem HGB ist, dass viele der im Aktiengesetz nicht geregelten Grundsätze nun ausdrücklich in einer Rechtsnorm im HGB geregelt wurden. Beispielsweise ist jetzt die Anfechtungsbefugnis jedes Gesellschafters im HGB geregelt. Die Norm, die im Aktiengesetz die Anfechtungsbefugnis bestimmt, wurde auf die GmbH nicht angewendet, weil die Regelung nicht passend für die GmbH erachtet wurde. Denn die Norm im Aktiengesetz enthält Einschränkungen, die aufgrund der regelmäßig geringeren Anzahl an Gesellschaftern in der GmbH und der damit einhergehenden geringeren Missbrauchsgefahr der Gesellschafterstellung als nicht erforderlich für die GmbH erachtet wurde. 

Die Unterschiede der Regelungssysteme

Der größte Unterschied der Regelungssysteme besteht im Rahmen der Anfechtungsfrist. Die Normen aus dem HGB regeln nun ausdrücklich, dass die Anfechtungsfrist drei Monate beträgt und mit Bekanntgabe des Beschlusses an den jeweiligen Gesellschafter beginnt. 

Im Aktiengesetz waren diese Fragen umstritten. Denn das Aktienrecht normiert eine deutlich kürzere Frist von einem Monat, was teilweise für zu kurz erachtet wurde und den Beginn der Frist mit der Beschlussfassung, was teilweise für zu früh erachtet wurde. 

HGB das passendere Regelungssystem für die GmbH 

Nunmehr stellt sich die Frage des passenderen Regelungssystems für die GmbH. Ein eigenes Beschlussmängelrecht im GmbH-Gesetz ist nicht normiert und bisher auch nicht in Aussicht.

Wie dargestellt sind die Unterschiede, insbesondere durch die Anpassungen durch die Literatur und Rechtsprechung nicht sonderlich groß. Der große Vorteil für die GmbH-Gesellschafter ist allerdings, dass die Normen aus dem HGB auf viel weniger Anpassungen auf die GmbH angewiesen sind als die Regelungen aus dem Aktiengesetz. Dies begründet sich vor allem darin, dass die personalistisch geprägte GmbH einer Personengesellschaft viel näher steht als eine Aktiengesellschaft. Insoweit bieten die Normen eine klarere Regelung, die sich durch weniger Modifikationen auszeichnet und daher mehr Rechtsklarheit sowie mehr Rechtssicherheit schafft. Im Übrigen bietet die Anwendung der Normen aus dem HGB den Vorteil, dass im Rahmen einer GmbH & Co KG die GmbH genauso wie die KG behandelt wird.

Wie sich die konkrete „Ausstrahlungswirkung”​ der Regelungen aus dem HGB auf die GmbH in der Praxis vor allem durch die Rechtsprechung der Gerichte darstellen wird, wird sich noch zeigen. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die §§ 110 ff. HGB eine bessere Alternative zu den bisher geltenden §§ 241 ff. AktG bieten, die aber auch auf ein paar Modifikationen ange​wiesen sind. Insoweit könnte die bisherige Rechtsprechung angepasst und weiter angewendet werden. Eine Anwendung der Normen aus dem HGB wäre daher wünschenswert. Um etwaigen Unsicherheiten entgegenzuwirken können GmbH-Gesellschafter erwägen, die Anwendung der HGB-Normen explizit in ihre Satzung aufzunehmen.

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