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veröffentlicht am 16. November 2022 | Lesedauer ca. 5 Minuten
Start-ups decken ihren Kapitalbedarf häufig in mehreren Finanzierungsrunden. Im Zuge dessen werden zumeist sogenannte Preferred Shares mit Liquidationspräferenzen ausgegeben. Das führt dazu, dass die bei einem Exit erzielten Erlöse oft disproportional und in einer bestimmten Reihenfolge auf Common Shareholders (zumeist Gründer) und Preferred Shareholders (zumeist Investoren) aufgeteilt werden. Gründer und Investoren sollten sich dessen stets bewusst sein, um die eigene Position zu optimieren und wirksame Incentives für alle Beteiligten zu schaffen. Im Rahmen von Finanzierungsrunden hilft die zutreffende Berücksichtigung solcher Sonderrechte bei der Beteiligungsbewertung fundierte Entscheidungen zu treffen.
Laut dem Deutschen Startup Monitor (DSM) 2022 des Bundesverbands Deutsche Startups e.V. zählen neben staatlichen Fördermitteln Business Angels, Venture Capital (VC) und strategische Investoren (z.B. Unternehmen, Family Offices) zu den bevorzugten Finanzierungsquellen von Start-ups. Dabei erfolgt die Investition in das Start-up häufig über Finanzierungsrunden, in denen sogenannte Preferred Shares mit Liquidationspräferenzen (LP) ausgegeben werden. Anteile mit Liquidationspräferenzen werden im Exit vorrangig gemäß dem Grundsatz „Last In, First Out“ bedient und können sogar überproportional am Exit-Erlös partizipieren. Grundsätzlich wird zwischen anrechenbaren und nicht-anrechenbaren Liquidationspräferenzen unterschieden.
Anrechenbare (Non-Participating LP) und nicht-anrechenbare Liquidationspräferenzen (Participating LP) unterscheiden sich in der Frage, ob der Erlös aus der vorrangigen Verteilung auf darüberhinausgehende Erlösverteilungen angerechnet wird.
Häufig werden neben Liquidationspräferenzen auch sog. Ratchets vereinbart. Diese führen dazu, dass Investoren in Finanzierungsrunden mit niedrigerer Bewertung („Downrounds“) durch zusätzliche Anteile vor Wertverlusten geschützt werden. Gerade in Krisenzeiten wie der Corona Pandemie oder dem Krieg in der Ukraine steigt das Risiko von Downrounds und Ratchets gewinnen an Bedeutung.
Im Start-up Umfeld werden häufig Unternehmenswerte kommuniziert, bei denen der Anteilspreis aus der letzten Finanzierungsrunde auf alle Anteile hochgerechnet wird. Da es sich dabei i.d.R. um einen Anteilspreis für Preferred Shares handelt, führt die Hochrechnung zu einer systematischen Wertüberschätzung. Implizit wird davon ausgegangen, dass die Kapitalstruktur des Start-ups aus identischen Preferred Shares besteht. Start-ups, die gemeinhin auf Basis der kommunizierten Unternehmenswerte als "Unicorns" (Bewertung über einer Milliarde USD) bezeichnet werden, sind daher mitunter keine echten Unicorns. Gornall/Strebulaev haben ermittelt, dass die kommunizierten post-money Unternehmenswerte von Unicorns in den USA im Durchschnitt 48 Prozent oberhalb des eigentlichen Unternehmenswerts liegen. 14 von 135 Unicorns sind um mehr als 100 Prozent überbewertet. Die durchschnittliche Überbewertung von Common Shares beträgt 56 Prozent (Vgl. Gornall, W./Strebulaev, I. (2019): Squaring Venture Capital Valuation with Reality, online verfügbar auf SSRN). Quelle: CB InsightsDie Mitgliedschaft im „Unicorn-Club“ bringt viele Vorteile mit sich. So führt die mediale Berichterstattung zu einem höheren Bekanntheitsgrad, der wiederum zu mehr Kunden, Vorteilen bei der Personalgewinnung oder Zugang zu weiteren Investoren führen kann. Allein die Mitgliedschaft des Start-ups im „Unicorn-Club“ kann also werterhöhende Effekte haben. Daher haben weder Start-up noch Investoren ein Interesse daran die kommunizierten Werte richtigzustellen.
Mittels der sogenannten Backsolve Method kann basierend auf dem Preis eines in einer Finanzierungsrunde ausgegebenen Preferred Share ein realistischer Wert des Unternehmens sowie der Wert weiterer Anteilsklassen (z.B. Common Shares) ermittelt werden. Die Backsolve Method baut darauf auf, dass sich angesichts der vorhandenen Liquidationspräferenzen und abhängig vom Exit-Erlös verschiedene Bereiche ergeben, in denen unterschiedliche Partizipationsregeln herrschen. Grafisch lässt sich das mit einer sog. Wasserfallanalyse veranschaulichen. Ihr kann man entnehmen kann, wie hoch der Erlös pro Anteilsklasse in Abhängigkeit vom gesamten Exit-Erlös ist.
Im Folgenden ist eine Wasserfallanalyse für den einfachen Fall mit zwei unterschiedlichen Anteilsklassen (Common Shares und Series A Shares) dargestellt, wobei für die Series A Shares eine einfache, anrechenbare Liquidationspräferenz vereinbart wurde.Die Series A Shareholder erhalten in diesem Beispiel zunächst gemäß dem Grundsatz „Last In, First Out“ ihr eingesetztes Kapital zurück. Ein darüberhinausgehender Exit-Erlös geht anschließend an die Common Shareholder („Catch-up”) bis schließlich bei einem entsprechend hohen Exit-Erlös alle Anteilseigner pro rata bedient werden. Im Rahmen der Backsolve Method wird der Payoff der verschiedenen Anteilsklassen im Exit mit Finanzoptionen repliziert. Eigenkapital wird dabei als Option auf den Unternehmenswert interpretiert. Der Wert eines Preferred Shares (hier Series A Share) lässt sich mit einer Kombination aus verschiedenen Optionen darstellen. Anschließend wird zur Ermittlung des Unternehmenswerts ein Optionspreismodell (z.B. Black-Scholes-Modell) eingesetzt. Da mit Ausnahme des Unternehmenswerts (Preis des Underlying) alle Inputparameter der Optionsbewertungen bekannt sind, kann er ermittelt werden, indem man das Optionspreismodell nach dem Unternehmenswert auflöst (Backsolving). Anschließend kann der Wert eines Common Share ebenfalls über Optionsbewertungen ermittelt werden.
Die Inputs für die Backsolve Method werden in der Regel folgendermaßen hergeleitet:
Bei der Bewertung von Start-ups stößt man auf viele Unsicherheiten. Daher ist es grundsätzlich sinnvoll – zusätzlich zu den Werten, die aus herkömmlichen Bewertungs-Metriken (DCF, Multiples, VC Methode) abgeleitet werden – mit der Backsolve Method einen weiteren Datenpunkt zu generieren, um eine Bandbreite an plausiblen Werten zu ermitteln. Außerdem kann die Backsolve Method bei der Bewertung von Mitarbeiteroptionen, der Ermittlung von Abfindungen oder für steuerliche Zwecke zum Einsatz kommen. Bei der Wertableitung aus Finanzierungsrunden bzw. basierend auf Marktpreisen ist zu beachten, dass kein sog. Discount for Lack of Marketability (DLOM) auf den abgeleiteten Unternehmenswert angewendet werden darf, weil der bereits im zugrundliegenden Marktpreis enthalten ist. Auch andere Abschläge sollten entsprechend kritisch geprüft werden.Neben der Backsolve Method gibt es noch weitere, vereinfachte Methoden zur Bewertung komplexer Eigenkapitalstrukturen wie die Current Value Method (CVM) oder die Probability Weighted Expected Returns Method (PWERM).
Investoren und Gründer sollten sich der Auswirkungen von Sonderrechten wie z.B. Liquidationspräferenzen bewusst sein, um die eigene Position zu optimieren und wirksame Incentives zur Wertsteigerung für alle Beteiligten (Investor, Gründer, Mitarbeiter über anteilsbasierte Vergütungsprogramme) zu schaffen. Die Berücksichtigung von Sonderrechten bei der Bewertung bestehender Beteiligungen und potenzieller Investitionen ermöglicht Investoren die Performance ihres Investments zu tracken. Außerdem hilft die Berücksichtigung von Sonderrechten dabei, fundierte Investition-/Desinvestitionsentscheidungen zu treffen, v.a. auch hinsichtlich der Teilnahme an Finanzierungsrunden. Gerade in Zeiten steigender Zinssätze und rückläufiger Start-up Bewertungen gewinnen Liquidationspräferenzen und andere VC-typische Vertragsklauseln wie z.B. Ratchets an Relevanz.
Nina Schneider
Wirtschaftsprüferin, CFA
Associate Partner
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Armin Hagel
Transactions Valuation Restructuring
Manager
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