Haftungsrisiken bei Lieferantenkrediten nach der Anfechtungsreform

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​​​​zuletzt aktualisiert am 4. Mai 2021 | Lesedauer ca. 4 Minuten

 

Durch das Reformgesetz ist das Risiko der Insolvenzanfechtung von Zahlungen auf Lieferanten­kredite gesunken – schließt jedoch ein Haftungsrisiko nicht aus. Die höchstrichterliche Recht­sprechung zur Vorsatzanfechtung nach § 133 Insolvenz­ordnung (InsO) ist in den letzten Jahren ausgeufert. Die Gewährung von Raten­zahlungsvereinbarungen oder Stundungen gegenüber Abnehmern („Lieferanten­kredit”) in einer – oft auch nur vorübergehend – finanziell angespannten Lage des Abnehmers geriet mehr und mehr zu einem unkalkulierbaren Risiko für den Lieferanten.

Wenig thematisiert wird in dem Zusammenhang die auf der Hand liegende Verantwortlichkeit des Geschäftsleiters des Lieferanten gegenüber der von ihm vertretenen Gesellschaft bei erfolgreicher Anfechtung durch den Insolvenzverwalter.

Das Haftungsrisiko sowie die Änderungen durch das Reformgesetz werden nachfolgend skizziert.
 

 

Die Reform und der wesentliche Stein des Anstoßes an der Vorgängerregelung 

Nach zähem Ringen haben Bundestag und Bundesrat das „Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz” verabschiedet. Das Gesetz ist am 5. April 2017 in Kraft getreten. Nach Art. 103j EGInsO gilt das neue Recht für alle nach dem Zeitpunkt eröffneten Insolvenzverfahren.   

 

Herzstück der Reform ist die Neuregelung der Vorsatzanfechtung (§ 133 InsO). Die Vorgängerregelung war insbesondere im Hinblick auf die Anfechtung von Zahlungen auf Lieferantenkredite in Verruf gekommen. Der exemplarische Musterfall lief dabei regelmäßig nach folgendem Schema ab:

 

Der Abnehmer eines Lieferanten zahlt seine Rechnungen für bezogene Lieferungen teilweise pünktlich, teilweise aber erst verspätet und nach entsprechender Zahlungserinnerung und Mahnung. In der Situation meldet sich der Abnehmer bei dem Lieferanten und bittet darum, die aktuell ausstehenden Zahlungen in mehreren Raten vornehmen zu dürfen, da es momentan „eng sei”. Man könne derzeit nicht alles sofort zahlen, da man seinerseits auf Kundenzahlungen warte (etc.).

  

Wurde in der Situation eine Ratenzahlungsvereinbarung abgeschlossen, die dann von dem Abnehmer mehr oder weniger pünktlich und spätere Lieferungen ebenfalls mehr oder weniger pünktlich und vollständig bezahlt wurden, dann konnte der Lieferant im Falle einer späteren Insolvenz des Abnehmers mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass sich früher oder später der Insolvenzverwalter bei ihm melden wird.

 

Im Gepäck hatte der Insolvenzverwalter dann das Begehren, mind. die Zahlungen zurückzuerhalten, die der Lieferant – wohlgemerkt für vollständig und einwandfrei erbrachte Leistungen – spätestens seit der Bitte nach Ratenzahlung von dem Abnehmer noch erhalten hat. Das könnte – je nach Abnehmer – in existenz­bedrohende Größenordnungen gehen.

 

Oft genug konnte der Insolvenzverwalter die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 I InsO a.F. vor Gericht allein dadurch belegen, dass er das vorbeschriebene Zahlungsverhalten des Insolvenz­schuldners bei dem Anfechtungsgegner erläuterte und darüber hinaus einige ältere Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners gegenüber Dritten darlegen konnte, die bis zum Ende unbezahlt geblieben sind. Allein aus dem schleppenden Zahlungsverhalten des Abnehmers gegenüber dem Lieferanten wurde sodann in der Zusammenschau mit der Stundungsbitte und der darin enthaltenen Aussage, man könne derzeit nicht alle fälligen Verbindlichkeiten bezahlen, vermutet, dass der Lieferant die erforderliche Kenntnis von Zahlungs­unfähigkeit und Gläubiger­benachteiligung des Abnehmers hatte. Die Anfechtung hatte Erfolg.

 

Zentraler Inhalt der Gesetzesreform in Bezug auf den Lieferantenkredit

Die Anfechtungen sollten mit der Gesetzesreform eingegrenzt werden. Ein zentraler Baustein der Gesetzes­reform sind die Änderungen des § 133 InsO und des Bargeschäfts in § 142 InsO, die an der Stelle nur auszugsweise – nämlich soweit sie für den Lieferantenkredit wesentlich sind – dargestellt werden sollen:
  • Zunächst wird der Anfechtungszeitraum für Deckungshandlungen (Bezahlung von erbrachten Lieferungen und Leistungen) von 10 auf 4 Jahre reduziert.
  • Hat der Lieferant dem Schuldner Zahlungserleichterungen oder einen Zahlungsaufschub gewährt (Lieferantenkredit), wird nach der neuen Rechtslage nicht mehr vermutet, dass der Lieferant Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit seines Abnehmers hatte, sondern, dass er im Gegenteil eine etwaige Zahlungs­unfähigkeit seines Kunden gerade nicht kannte.
  • Bargeschäfte bzw. bargeschäftsähnliche Vorgänge sind nur noch anfechtbar, wenn der Lieferant erkannt hat, dass sein Schuldner unlauter gehandelt hat.

 

Die bleibenden Haftungsrisiken des Lieferanten

Die Gesetzesreform hat einige Unsicherheiten beseitigt; der Lieferantenkredit bleibt aber auch nach wie vor risikoreich.

  

Zwar wird nunmehr vermutet, dass der Lieferant im Falle einer einfachen (!) Zahlungserleichterung die Zahlungs­unfähigkeit seines Abnehmers nicht kannte (sonst hätte er die Erleichterung nicht gebilligt), womit ein zentrales Tatbestandsmerkmal der Vorsatzanfechtung entfällt.

  

Das hindert den Insolvenzverwalter aber nicht, die Zahlungsunfähigkeit des Kunden und deren Kenntnis durch den Lieferanten zum Zeitpunkt der streitgegenständlichen Zahlungen auf andere Art und Weise – z.B. durch die Hinzuziehung anderer Indizien – zu belegen. Die Anfechtung von bei einem Liefe­rantenkredi erhaltenen Zahlungen wird also auch nach der Gesetzesreform ein verbreitetes Thema bleiben.

 

In den Anfechtungsprozessen wird es künftig verstärkt um den sog. Bargeschäftseinwand gehen. Die Neu­regelung des § 142 InsO schließt nämlich künftig die Vorsatzanfechtung in weit größerem Umfang aus, als es nach der derzeitigen Rechtsprechung des BGH zum bargeschäftsähnlichen Vorgang der Fall gewesen ist. Künftig ist eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, nur noch anfechtbar, wenn der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte. Entscheidend wird künftig sein, wie der unmittelbare Zusammenhang (weiterhin?) definiert wird und was unter „unlauter” im Sinne der Neuregelung zu verstehen sein wird.

 

Die bleibenden Haftungsrisiken des Geschäftsleiters des Lieferanten

Auch der Geschäftsleiter des Lieferanten ist damit nicht aus seinem persönlichen Folge-Haftungsrisiko entlassen.

  

Der Geschäftsleiter – hier am Beispiel des GmbH-Geschäftsführers – haftet gegenüber der von ihm vertretenen Gesellschaft (hier: nach § 43 II GmbHG), wenn er seine ihm obliegenden Geschäfts­leiter­pflichten verletzt. Pflichtwidrig in dem Sinne handelt ein Geschäftsführer i.d.R., wenn er Vorleistungen der Gesellschaft ohne hinreichende Sicherung veranlasst. Einen Hauptfall bildet die ungesicherte Darlehens­vergabe.
 

In gleichem Maße gehört dazu aber auch die (fortgesetzte) Gewährung eines Lieferantenkredites zu einem Zeitpunkt, zu dem der Erhalt weiterer Zahlungen des Abnehmers in dessen Insolvenz anfechtbar wäre.

  

Da aber auch die Beendigung der Vertragsbeziehung zu dem Kunden für den Lieferanten wirtschaftlich nachteilhaft sein kann – z.B. wenn sich der Kunde wirtschaftlich erholt, seinen künftigen Bedarf aber bei einem Konkurrenzunternehmen eindeckt und bezahlt – muss der Geschäftsleiter bei seiner Entscheidungs­findung die Anforderungen der sog. „business judgement rule” beachten.  
 

Danach liegt eine Pflichtverletzung nicht vor, wenn der Geschäftsleiter bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage einer angemessenen Informationsbasis zum Wohle des Unternehmens zu handeln.

  

Die hierfür erforderliche sorgfältige Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen zwingt zu einer eingehenden Auseinandersetzung mit der gesetzlichen Neuregelung des Anfechtungsrechts und den Chancen und Risiken des Lieferantenkredites nach der Gesetzesreform. Der Geschäftsführer muss wissen, ab wann das Risiko des Lieferantenkredites nach der Neuregelung nicht mehr vertretbar wird.

 

Der Geschäftsführer muss diese Grundsätze aber nicht nur bei eigenen Entscheidungen zur Gewährung eines Lieferantenkredites berücksichtigen. Er ist zudem gehalten, das Debitorenmanagement der Gesell­schaft so zu organisieren, dass kritische Fälle rechtzeitig erkannt werden – z.B. weil die Grenzen des Bargeschäftes nicht mehr eingehalten werden können.

  

Die prozessualen Besonderheiten der Geschäftsführerhaftung

Sollte es in Folge eines „gescheiterten” Lieferantenkredites und erfolgreicher Anfechtungsklagen durch den Insolvenzverwalter zu einem Organhaftungsprozess des Lieferanten gegen seinen Geschäftsführer auf Regress der erfolgreich angefochtenen Zahlungen kommen, so sollte er sich gut vorbereitet haben.

 

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der Geschäftsführer nicht pflichtwidrig gehandelt hat, liegt nämlich bei ihm selbst. Er muss in einem Prozess also darlegen und notfalls beweisen, dass er seinen Sorgfaltspflichten nachgekommen ist bzw. dass der Schaden auch bei pflichtgemäßem Verhalten einge­treten wäre.

 

Insofern empfiehlt sich auch aus eigenem Interesse eine sorgfältige Dokumentation aller Entscheidungs­vorgänge und eine sorgfältige Auseinandersetzung mit der gesetzlichen Neuregelung – nötigenfalls auch unter Einschaltung rechtskundiger Hilfe von Beraterseite.

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Dr. Thies Boelsen

Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht

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