Erwerb notleidender Darlehensforderungen keine gewerbliche Tätigkeit

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veröffentlicht am 28. März 2024 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich in seiner aktuellen Entscheidung vom 30.11.2023 (Az. IV R 10/21) mit der in der Praxis bedeutenden und strittigen Abgrenzungsfrage auseinandergesetzt, ob der nachhaltige Ankauf von notleidenden Darlehensforderungen die steuerliche Grenze der Vermögensverwaltung überschreitet. Im Fall eines Gewerbetriebs würde der Steuerpflichtige mit dem erzielten Gewinn nicht nur der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuer, sondern grundsätzlich zudem auch der Gewerbesteuer unterliegen.


Die steuerliche Abgrenzungsentscheidung ”Gewerblichkeit versus Vermögensverwaltung” spielt insbesondere auch beim Aufsetzen von sog. ”Darlehensfonds” im Wege geschlossener Investment-Kommanditgesellschaften eine zentrale Rolle. Eine steuerlich attraktive Fondstrukturierung für Privatanleger zielt üblicherweise auf eine vermögensverwaltende Fondstätigkeit ab. Insofern können die Grundsätze und Kriterien, die der BFH im Streitfall entwickelt hat, auch für die steuerliche Konzeption eines Darlehensfonds als Auslegungshilfe herangezogen werden.

Im Streitfall erwarb die Klägerin, die in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG firmierte, insgesamt sechs notleidende Darlehensforderungen samt Sicherheiten unter dem Nennwert (Gesamtwert ca. 2,05 Mio. Euro). Der Erwerb wurde zum größten Teil fremdfinanziert. Es wurden jedoch nur fünf Ankäufe tatsächlich vollzogen. Die Klägerin war zudem für Steuerzwecke als vermögensverwaltende, nicht gewerblich geprägte Personengesellschaft iSd § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG strukturiert.

Die Klägerin erzielte aus einem Teil der Kauf- und Ablösungsvorgänge unregelmäßig Einnahmen aus den abgetretenen Forderungen sowie zur Sicherung abgetretenen Vermögensansprüchen (Mieteinnahmen oder Auskehrungen von Grundstücksverkaufserlösen). Darüber hinaus vereinnahmte sie auch unregelmäßig Zinszahlungen auf die erworbenen Forderungen. Für die Überwachung der Zahlungen und Ansprüche aus den abgetretenen Vermögensrechten unterhielt die Klägerin weder eigene Büroräume noch hatte sie eigene Angestellte. Die Mietverhältnisse wurden weiterhin von den bereits zuvor beauftragten Hausverwaltungen verwaltet. Die Klägerin entfaltete keine Mahnungs- oder Vollstreckungstätigkeit gegenüber den jeweiligen Schuldnern der abgelösten Forderungen. Keine der abgelösten beziehungsweise erworbenen Forderungen wurde in den Folgejahren durch die Klägerin verkauft.

Im Streitjahr erzielte die Klägerin 3,29 Mio. EUR aus der Verwertung einer Sicherheit. Im Verwertungsprozess hatte sie keine aktive Rolle eingenommen. Im Jahr 2016 schrieb die Klägerin die uneinbringlichen Restforderungen aus den Ablösungsvorgängen ab.

Die Klägerin erklärte ausschließlich vermögensverwaltende Einkünfte (aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Kapitalvermögen). Demgegenüber behandelte das Finanzamt die Einkünfte der Klägerin als gewerbliche Einkünfte und unterwarf sie der Gewerbesteuer.

In der Revision bestätigte der BFH die Entscheidung des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg (Az. 6 K 6322/17), dass die Klägerin keine originär gewerbliche Tätigkeit ausgeübt hat. Für das Vorliegen eines Gewerbebetriebs fordert der Gesetzgeber insbesondere sowohl eine nachhaltige als auch eine Tätigkeit, bei der Rahmen einer privaten Vermögensverwaltung überschritten wird.

Im Hinblick auf das Merkmal der Nachhaltigkeit hat der Senat diese bei der Klägerin bestätigt. Eine Tätigkeit ist regelmäßig nachhaltig, wenn sie auf Wiederholung angelegt ist, also eine Wiederholungsabsicht besteht, weitere Geschäfte durchzuführen. Mit dem Erwerb von sechs selbständigen, notleidenden Darlehensforderungen von verschiedenen Altgläubigern, von denen fünf letztendlich tatsächlich vollzogen wurden, ist von einer nachhaltigen Tätigkeit der Klägerin auszugehen. Im Rahmen der Beurteilung der Nachhaltigkeitsanforderung ist für die Praxis interessant, dass der BFH bei einem Forderungskäufer, wie die Klägerin, grundsätzlich auf die Beschaffungsseite (nicht auf die Absatz- bzw. Verwertungsseite) abstellt. Die maßgebliche Tätigkeit ist nämlich grundsätzlich der Ankauf von (ggf. gesicherten) Forderungen, nicht hingegen das Ob und Wie ihrer Einziehung bzw. der Verwertung der bestellten Sicherheiten. Dabei stellt der BFH klar, dass der Erwerb mehrerer Forderungen in einem einzigen Vertrag grundsätzlich nicht nachhaltig ist.

Demgegenüber hat die Klägerin mit ihrer Tätigkeit nicht die Grenze der privaten Vermögensverwaltung überschritten. Der BFH stellt zunächst klar, dass diese Beurteilung nur einzelfallabhängig anhand des Gesamtbilds der Verhältnisse unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung getroffen werden kann. In der Rechtsprechung wird eine private Vermögensverwaltung (gemäß § 14 S. 3 AO) letztendlich nur in negativer Abgrenzung zum Gesamtbild bzw. der Verkehrsanschauung eines Gewerbebetriebs bestimmt. Dabei wird sich an den Tätigkeiten von Produzenten, Dienstleistern und Händlern orientiert.

Unter Berücksichtigung dieser Abgrenzungsgrundsätze übte die Klägerin im Streitjahr keine originär gewerbliche Tätigkeit aus. Dies begründet der Senat mit folgenden Argumenten:

Zunächst trat die Klägerin nicht als Händlerin auf. Das ”Bild des Handels” ist durch den marktmäßigen, händlertypischen Umschlag von Vermögenswerten (primäre Ausnutzung der Substanz von Sachwerten durch deren Umschichtung, insbesondere Veräußerung) geprägt. Ein solches Verhalten übte die Klägerin nicht aus, da sie die erworbenen, notleidenden Darlehensforderungen nicht weiterveräußert (also entgeltlich weiter verwertet) hat. Sie beabsichtigte vornehmlich eine Anspruchsrealisierung, d.h. eine Fruchtziehung. In diesem Zusammenhang erteilte der BFH der Ansicht des Finanzamts eine Absage, dass sowohl die Einlösung einer Darlehensforderung (z.B. im Wege der Verrechnung) als auch die Veräußerung von Sicherheiten für eine substanzverwertende, gewerbliche Tätigkeit gesprochen hätten. Eine Verwertung von Sicherungsrechten stellte keine Veräußerungstätigkeit dar.

Darüber hinaus hat der BFH eine gewerbliche Dienstleistungstätigkeit der Klägerin verneint. Sie war nicht für Andere tätig geworden, sie hatte sich nach dem Erwerb der notleidenden Darlehensforderungen weder aktiv um deren Realisierung bemüht, sie hatte für die Überwachung ihrer Zahlungsansprüche keine eigenen Mitarbeiter beschäftigt oder eigene Büroräume unterhalten und schließlich hatte die Klägerin auch das komplette Ausfallrisiko ihres Forderungsbestands getragen.

Für die Beurteilung des Merkmals einer Gewerblichkeit sind zudem weder der Einsatz umfangreicher Finanzmittel noch eine erfolgte Fremdfinanzierung der Darlehensforderungen geeignete Abgrenzungskriterien. Gleiches gilt hinsichtlich des Umstands, dass die Klägerin im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit möglicherweise auf die Kenntnisse und Expertise eines Dritten zurückgreifen konnte. Allein die Nutzung fremder (Markt-)Kenntnisse, Erfahrungen und Expertisen sowie die Inanspruchnahme fremder Dienste begründen noch kein hinreichendes Indiz für einen Gewerbebetrieb.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass der nachhaltige Ankauf notleidender Darlehensforderungen nicht ohne Weiteres zu einer originär gewerblichen Tätigkeit des Forderungskäufers führt. Es kommt stets auf das Gesamtbild der Verhältnisse des Einzelfalls unter Berücksichtigung der Verkehrsanschauung an, ob die Grenze der privaten Vermögensverwaltung überschritten ist. Der BFH hat in seiner aktuellen Entscheidung für diese Beurteilung praxisrelevante Auslegungshinweise gegeben.​

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Frank Dißmann

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