Gewährung eines bewertungsrechtlichen Abschlags wegen Abbruchverpflichtung für Gebäude auf fremden Grund und Boden

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​Mit Urteil vom 16.01.2019 (Az. II R 19/16, veröffentlicht am 06.06.2019) hatte der BFH über die Gewährung eines bewertungsrechtlichen Abschlages wegen einer vertraglich vereinbarten Abbruchverpflichtung eines bestehenden Gebäudes auf fremden Grund und Boden zu entscheiden. 

Ein Ehepaar hatte eine Parzelle in einer Siedlung mit Wohnbebauung gepachtet (Pachtzeitraum ab 2004 bis 2018) und das darauf liegende Gebäude übernommen, welches nach den Vorgaben des Verpächters zum Ende der Pachtdauer abzureißen war. Das Gebäude wurde erst im Rahmen der bauplanungsrechtlichen Erfassung in den Jahren 2006/2007 erfasst und in 2011 für Zwecke der Grundsteuer berücksichtigt. Die damit verbundene Inaugenscheinnahme des Finanzamtes hatte zur Folge, dass die Pächter aufgefordert wurden eine Erklärung zur Feststellung des Einheitswertes abzugeben. Dieser Aufforderung kamen sie nicht nach, erst nach Schätzung des Finanzamtes wurde im Rahmen des Einspruchsverfahrens eine Erklärung abgegeben, bei der sie die vertraglich vereinbarte Abrissverpflichtung wertmindernd berücksichtigen wollten. Das Finanzamt lehnte den Antrag für den Abschlag ab, bei der daraufhin eingereichten Klage (Urteil vom 23.09.2015; Az. 3 K 3097/14) vor dem Finanzgericht kam dieses zu folgendem Ergebnis:  

Ein Abschlag für eine Abbruchverpflichtung nach § 94 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 (HS) des Bewertungsgesetzes (BewG) sei nicht zu gewähren, da vorauszusehen sei, dass das Gebäude trotz Abbruchverpflichtung nicht abgebrochen werde. Seine Auffassung stützte es darauf, dass das Pachtverhältnis lange andauerte und regelmäßig verlängert wurde. Es sei darüber hinaus nicht allein der Pachtvertrag maßgebend, sondern auch das Verhalten der Verpächter gegenüber der Vorpächterin und das Verhalten der Siedlergemeinschaft insgesamt. 

Ein Abschlag ist gemäß § 94 Abs. 3 Satz 3 HS 2 BewG zu verweigern, wenn vorauszusehen ist, dass das Gebäude trotz Verpflichtung nicht abgebrochen werde. Für die Voraussehbarkeit des Nichtabbruchs sind die Verhältnisse maßgeblich, die zum Feststellungszeitpunkt bestehen.  

Nach Auffassung der Pächter seien § 94 Abs. 3 Satz 3 BewG und § 96 Abs. 1 Satz 1 HS 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) verletzt, weshalb sie gegen das FG Urteil Revision einlegten. 

Der BFH bestätigte in seinem Urteil die Ansicht der Pächter und Kläger. Der Nichtabbruch des Gebäudes zum Feststellungszeitpunkt sei nicht voraussehbar gewesen.  

In der Urteilsbegründung nannte der BFH konkrete Voraussetzungen für die Gewährung eines Abschlags nach § 94 Abs. 3 S.3 BewG:  

Die Abbruchverpflichtung müsse zum Feststellungszeitpunkt eindeutig und unbedingt bestehen. Diese Verpflichtung könne sich beispielsweise aus einer gesonderten vertraglichen Vereinbarung ergeben. Demnach müsse eine solche Vereinbarung so formuliert sein, dass der Mieter oder Pächter bei Beendigung des Miet- oder Pachtverhältnisses keine andere Wahl hätte, als das Gebäude abzubrechen. Sollte dem Mieter oder Verpächter durch eine solche Vereinbarung selbst überlassen werden, ob dieser das Gebäude abbreche oder nicht, wäre die Vereinbarung nicht eindeutig. Folglich wäre in einem solchen Fall kein Abschlag nach § 94 Abs. 3 S.3 BewG zu gewähren. 

Ferner bestehe eine Abbruchverpflichtung, wenn der Mieter oder Pächter sie nach den vertraglichen Vereinbarungen nicht einseitig abwenden könne. Dies wäre unter anderem der Fall, wenn dem Vermieter oder Verpächter freistehe, das Gebäude nach Beendigung des Miet- oder Pachtverhältnisses anstatt des Abbruchs gegen eine Entschädigung zu übernehmen. Da der Mieter oder Pächter auf diese Entscheidung nicht einwirken könne, wäre ein Abschlag nach § 94 Abs. 3 S.3 BewG auch in diesem Fall zu gewähren.  

Für die Voraussehbarkeit eines Nichtabbruchs müsse es weiterhin konkrete Anhaltspunkte geben; eine gewisse Wahrscheinlichkeit oder die bloße Möglichkeit eines Nichtabbruchs seien nicht ausreichend. Maßgebend sei auf das Verhalten der Vertragsbeteiligten abzustellen.  

Darüber hinaus seien Verhaltensweisen der jeweiligen Rechtsvorgänger oder Beteiligten vergleichbarer Miet- oder Pachtverhältnisse einzubeziehen. Ein Nichtabbruch sei vorauszusehen, wenn das Miet- oder Pachtverhältnis trotz wiederholter Kündigungsmöglichkeit stillschweigend über einen Zeitraum von 25 Jahren verlängert werde. Auch eine ausdrückliche Verlängerung des Miet- oder Pachtvertrages ohne grundsätzliche Änderungen der Vertragsbedingungen könne für einen Nichtabbruch sprechen.  

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Abschlag bei einer Abbruchverpflichtung grundsätzlich zu gewähren ist. Für eine Voraussehbarkeit des Nichtabbruchs und somit der Nichtgewährung des Abschlags sind konkrete Anhaltspunkte darzulegen. Die Voraussehbarkeit des Nichtabbruchs ist von Amts wegen zu erforschen, §§ 88 Abs. 1, 90 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO), § 76 Abs. 1 und 2 FGO. Sollte sich der Sachverhalt so nicht aufklären lassen, ist nach den Regeln über die Feststellungslast (objektive Beweislast) zu entscheiden. Der Steuerpflichtige trägt die Beweislast für eine bestehende Abbruchverpflichtung. Im Gegenzug ist das Finanzamt verpflichtet die Voraussehbarkeit eines Nichtabbruchs zu beweisen.

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Meike Munderloh

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