Nachhaltigkeit in der Immobilienbranche: Aktuelle Entwicklungen und rechtliche Aspekte

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veröffentlicht am 11. Juni 2021 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Schlagworte wie „Green Lease”, „Green Building”, „Blue Building” und „Nachhalti­gkeit” im Allgemeinen prägen bereits seit langer Zeit den Immobilienmarkt. Jedoch gewinnt in allen Branchen das Thema an Bedeutung. So zeigt auch eine aktuelle Studie von Capgemini [1], dass Nachhaltigkeit für Unternehmen längst kein „Nice-to-have” mehr ist – Investoren erwarten sie ebenso wie die Verbraucher. Generell gewinnt das Thema Energie & Umweltschutz an Bedeutung, das zeigen aktuelle Diskussionen und Bewegungen in der Öffentlichkeit. Auch das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 30. April 2021 zum Klimaschutz ein eindeutiges Signal gesetzt und die Änderung des Klimaschutzgesetzes mit dem Ziel der Treibhausgasneu­tralität bis 2045 auf den Weg gebracht.


Auch innerhalb des Lebenszyklus einer Immobilie gewinnen die Aspekte der Nachhaltigkeit immer mehr an Bedeutung – besonders für die Betriebsphase einer Immobilie und den damit verbundenen Facility Services. Da ca. 80 Prozent der Lebenszykluskosten in der Betriebsphase entstehen, erscheint es nachvollziehbar, auch die Phase unter umweltbezogenen, ökonomischen und ökologischen Aspekten noch mehr in den Fokus zu rücken.

Nachhaltigkeitszertifikate unterschiedlicher Zertifizierungssysteme, bspw. „DGNB”, „LEED” und „BREEAM”, existieren derzeit in Deutschland und geben neben dem Energieausweis Aussage darüber, wie umwelt­freundlich ein Gebäude errichtet, betrieben und entsorgt wird. Neben dem Umweltgedanken hat das Bestehen eines entsprechenden Zertifikats auch Auswirkungen auf den Verkehrswert einer Immobilie, Vermarktungs­vorteile oder bspw. auf das vermittelte Image für den jeweiligen Eigentümer, Immobilienbetreiber oder Unternehmen.

  

Nachhaltigkeit in der Immobilienbranche?

Es verwundert umso weniger, dass rechtliche Aspekte der Nachhaltigkeit bei der Gestaltung von Verträgen im gesamten Lebenszyklus einer Immobilie an Bedeutung gewinnen. Neben den mietrechtlichen und baurecht­lichen Fragestellungen von nachhaltigen Immobilien und den damit verbundenen Verträgen fließen Nach­haltigkeitsaspekte deswegen vermehrt in den Bereich des Immobilienbetriebs ein. Neue Schlagworte wie „Green Facility Management” oder „Green Property Management” können plakativ benannt werden. Punkte, wie Kostensenkung während der Betriebsphase, die Berücksichtigung ökologischer Aspekte (Energiemanage­ment, Entsorgungs­management, u.a.), ökonomische (Nutzer­kosten­management) und sozialkulturelle Aspekte (Nutzerzufriedenheit, Rechtskonformität, u.a.) seien zudem nur beispielhaft genannt.


Was tut sich in der Immobilienwirtschaft?

Es lohnt sich auch ein Blick auf die durch den Branchenverband GEFMA e.V. aufgestellten Systematiken zu werfen. Zur Definition der Nachhaltigkeit in der Immobilienwirtschaft gibt es die Richtlinie GEFMA 160 sowie das darauf aufbauende (Zertifikats-)­Zertifizierungs­verfahren, das systematisch zahlreiche Kennzahlen erhebt, analysiert, bewertet und transparent macht. Die Methodik zur Abschätzung der CO2-Emissionen im Gebäudebetrieb zeigt die Richtlinie GEFMA 162 „Carbon Management für Facility Services” auf. Das zugehörige Tool CarbonFM stellt zur CO2-Abschätzung dafür die benötigten Benchmarks bereit. Die so definierten Themen der Nachhaltigkeit fliesen in die unterschiedlich thematischen Arbeitskreise des Verbands ein, u.a. in den Arbeitskreis „Ausschreibung und Vergabe im FM”, und ergeben damit eine vollständige Abbildung der nachhaltigen Bewirtschaftungsprozesse.

Rege werden in der Branche nachhaltige Bewirtschaftungsprozesse diskutiert sowie Fragen der Implemen­tierung von Nachhaltigkeitsstrategien zur Steigerung bspw. des Mietniveaus, zur Umwelt- und Ressourcen­schonung sowie die Sicherstellung eines langfristigen wirtschaftlichen Erfolgs.    

Abb. 1: Relevanz der Nachhaltigkeit für verschiedene Phasen einer Immobilie
(zur Vergrößerung anklicken)


Begriffsdefinition Nachhaltigkeit?

Bereits der Begriff der „Nachhaltigkeit” kann juristisch und im Volksmund zu Problemen und falschen Vorstellungen oder Frustration führen. Ob Gemüse, Hotels oder Konsumgüter, alles sollte heute „nachhaltig” sein. Der Begriff darf und sollte nicht im Sinne einer Marketing-Floskel falsch verwendet werden, sondern er sollte möglichst konkret mit Fakten und messbaren Parametern angereichert werden, um einen tatsächlichen und erkennbaren Mehrwert zu erzeugen.


Nachhaltigkeit bei der Vertragsgestaltung

Nicht zuletzt sind die Umstände auch in der Vertragsgestaltung zu berücksichtigen. Denn es handelt sich bei „Nachhaltigkeit” oder bspw. „Green Building” um juristisch nicht definierte Begriffe. Eine verlässliche Definition bspw. zu „grünen” Miet-, Bau- oder FM-Verträgen fehlt. Allgemein können solche Vertragstypen dann als „grün” bzw. „nachhaltig” bezeichnet werden, wenn sie besondere Regelungen zu einem umweltfreundlichen Zustand bzw. entsprechende Nutzung und Betrieb sicherstellen. Die Spanne denkbarer Regelungen ist sehr umfangreich. Sie reichen neben der inhaltlichen Komponente von rein unverbindlichen Absichtserklärungen, wie „die Immobilie umweltfreundlich zu betreiben und zu nutzen” bis hin zu sehr verbindlichen und eindeutigen Vertragsvereinbarungen mit Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung der Verpflichtungen („sanktionsbewehrte Nachhaltigkeitspflichten”) oder auch Bonuszahlungen bei Erreichen gewisser Einsparungen.


Was kann man vertraglich vereinbaren?

Es gibt sehr weit gefächerte Regelungsaspekte in einem nachhaltigen bzw. grünen FM-Vertrag. Die Aspekte sind stets im Abgleich und Zusammenhang mit der jeweiligen Leistungsbeschreibung und den jeweiligen Besonderheiten einer Immobilie zu sehen. Regelungsaspekte sind regelmäßig bspw.:

  • Offenlegung von Verbrauchs- und Nutzungsdaten (Reporting/Monitoring);
  • Organisation, Verfahrensabläufe (bspw. Implementierung eines sog. Nachhaltigkeitsausschusses);
  • laufende Optimierung (bspw. Nebenkosten);
  • bedarfsgerechte bzw. ressourcenschonende Beauftragung;
  • Ermittlung und Überwachung der CO2-Bilanz;
  • Ausrichtung des Vertrags bzw. der Leistungen an (künftigen) Zertifizierungssystemen;
  • Einbindung und Verpflichtung von Mietern/Nutzern zur Nachhaltigkeit;
  • Rechtsfolgen bei Nichteinhaltung oder Bonuszahlungen bei Erfolgen.

 
In bestehenden FM-Verträgen existieren derzeit keine gängigen Standards, was im Hinblick auf grüne FM-Verträge zu regeln ist. Es gibt zwar bereits einige Initiativen, wie Standardregelungen formuliert werden könnten, sie haben sich jedoch noch nicht signifikant in der Praxis etabliert bzw. in der Vertragspraxis durchgesetzt.


Neue juristische Herausforderungen

Juristische Fragen und Problemstellungen, die in dem Kontext auftauchen, werden zunehmend in der juristischen Literatur diskutiert. So sind rechtliche Fragestellungen zu beantworten, wie:

  • Welche Rechtsnatur hat ein Gebäudezertifikat?
  • Welche Rechtsnatur hat der Auditorenvertrag?
  • Wer haftet, wenn ein Zertifikat falsch ist – die Zertifizierungsstelle, der Auditor oder beide?
  • Was müssen rechtskonforme und durchsetzbare vertragliche Vereinbarungen enthalten?
  • Gibt es gesetzliche Vorgaben/Mindeststandards an einen Zertifizierungsprozess?
  • Wie können vertragliche Vereinbarungen gesteuert bzw. kontrolliert werden?


Solche und andere juristische Fragestellungen, z.B. auch welche Regelungen ggf. im Sinne von Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam sind, gewinnen mehr und mehr an Bedeutung – auch weil verschiedenste Personen involviert sein können (Zertifizierungsstelle, Auditor, Eigentümer, Nutzer, Mieter, Betreiber, Immo­bilien­käufer, Investor, Baufirma, Architekt) und zueinander in unterschiedlichen vertraglichen Beziehungen und Verantwortlichkeiten stehen. Da stellt sich schnell die Frage, wer einen Fehler zu verantworten hat, wenn sich z.B. herausstellt, dass der Nachhaltigkeitsaspekt in einer Phase des Immobilienzyklus falsch umgesetzt bzw. nicht erfüllt wurde.


 



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Klaus Forster, LL.M.

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