Rechtliche Rahmenbedingungen für die Beschäftigung von Expats in der Türkei

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veröffentlicht am 10. Mai 2023 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Die Türkei hat als Wachstumsland Bedarf an ausländischen qualifizierten Fach- und Führungskräften, um vielfältige zukunftsorientierte Schlüsseltechnologien erfolgreich umsetzen und den Transfer von Know-how vorantreiben zu können. Dementsprechend ist das Gesetz über internationale Arbeitskraft, in dem das Arbeitserlaubnisantrags­verfahren geregelt ist, 2016 in Kraft getreten.



1. Erfordernis einer Arbeitserlaubnis

Jede ausländische Person, die in der Türkei eine Erwerbstätigkeit ausüben möchte, bedarf grundsätzlich einer Arbeitserlaubnis. Das macht die Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit einem türkischen Arbeitgeber er­for­derlich. Daher muss zwischen dem Ausländer und dem türkischen Arbeitgeber ein befristeter Arbeits­vertrag mit dem vom Ministerium festgelegten Mindestinhalt abgeschlossen werden. Grund für die Befristung des Ar­beits­ver­trages ist die zeitliche Befristung der Arbeitserlaubnis. Bei Erstbeantragung hat die Arbeits­erlaubnis ei­ne Gültigkeit von einem Jahr. Eine Verlängerung ist möglich. Das türkische Arbeitsgesetz findet auf dieses Ar­beits­ver­hält­nis Anwendung.


Bewertungskriterien

Als zutändige Behörde legt das Ministerium Bewertungskriterien fest und trifft im Rahmen seines weiten Er­mess­ens­spielraums Einzelfallentscheidungen. Regionale und branchenspezifische Statistiken, gegenwärtige oder mögliche politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Beziehungen mit dem Ursprungsland (Ge­gen­sei­tig­keitsprinzip), berufliche, branchenspezifische, regionale und nationale Ereignisse und Bedürfnisse können bei Entscheidungsfindung zum Tragen kommen.

Gegenwärtig werden die Anträge im Rahmen nachfolgender Bewertungskriterien bewertet:

  • Für jeden ausländischen Arbeitnehmer muss der türkische Arbeitgeber mindestens fünf türkische Ar­beit­neh­mer beschäftigen („1:5-Kriterium“).
  • Das eingezahlte Stamm- bzw. Grundkapital muss mindestens 100.000 türkische Lira betragen oder die Brutto­ver­kaufs­erlöse müssen mindestens 800.000 türkische Lira betragen oder der Exportbetrag des vergangenen Jahres muss mindestens 250.000 US-Dollar betragen.
  • Das Gehalt des nicht-türkischen Arbeitsnehmers muss angemessen zu dessen Aufgaben und Fähigkeiten sein. Hierzu führt das Ministerium folgende Richtwerte an:
    • Bei leitenden Angestellten und Führungskräften muss das vereinbarte Gehalt mindestens das 6,5-fache des gesetzlichen Mindestlohns betragen,
    • Bei Niederlassungsleitern und Ingenieuren muss das vereinbarte Gehalt mindestens das 4-fache des gesetzlichen Mindestlohns betragen,
    • Bei Mechaniker und Techniker muss das vereinbarte Gehalt mindestens das 3-fache des gesetzlichen Mindestlohns betragen.

 
Der Mindestbruttolohn beträgt gegenwärtig 10.008 türkische Lira und wird grundsätzlich alljährlich neu fest­ge­legt.


Ausnahmetatbestände

Das Gesetz sieht für qualifizierte Fachkräfte bzw. Arbeitskräfte von qualifizierten Investoren Ausnahmetat­be­stän­de vor, die es der Behörde ermöglichen, von der Anwendung oben genannter Bewertungskriterien ab­zu­seh­en.

Bildungsgrad, Berufserfahrung, besonderes Fachwissen, Bedeutung der Investition für die Wirtschaft, Region oder Branche sind wesentliche Kriterien, die Berücksichtigung finden.


2. Antragsverfahren

Das Arbeitserlaubnisantragsverfahren ist ein mehrstufiges Verfahren, das grundsätzlich mit einer persönlichen Terminwahrnehmung des nichttürkischen Arbeitsnehmers bei der zuständigen Auslandsvertretung beginnt. In dem Termin wird gegen Vorlage der erforderlichen Unterlagen und Informationen eine Referenznummer erstellt, die unverzüglich an den türkischen Arbeitgeber übermittelt werden muss, damit er in einem zweiten Schritt den eigentlichen Antrag auf Erteilung einer Arbeitserlaubnis für den ausländischen Arbeitnehmer fristgerecht auf elektronischem Wege stellen kann.
 
Gibt das Arbeitsministerium dem Antrag statt, teilt es dem ausländischen Arbeitnehmer eine Auslän­der­iden­ti­täts­nummer zu und stellt ihm eine Arbeitserlaubniskarte aus. Die Arbeitserlaubniskarte wird an die Sitz­adresse des türkischen Arbeitgebers gesendet. Der Antragssteller ist dazu verpflichtet, innerhalb von 6 Monaten nach Beginn der Arbeitserlaubnis mit einem gültigen Visum in die Türkei einzureisen und die Arbeitserlaubniskarte entgegenzunehmen. Ansonsten erlischt die Arbeitserlaubnis. Der weitergehenden Beantragung einer Auf­ent­halts­erlaubnis bedarf es nicht, weil die Arbeitserlaubnis die Aufenthaltserlaubnis innehat.

Die Arbeitserlaubnis ist strikt an den türkischen Arbeitgeber gebunden. Wird das Arbeitsverhältnis beendet, so ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet, die Aufhebung der Arbeitserlaubnis fristgerecht zu beantragen.


3. Besteuerung

Das türkische Einkommensteuergesetz unterscheidet zwischen unbeschränkt und beschränkt steuerpflichtigen Personen.


Unbeschränkte Steuerpflichtigkeit

Unbeschränkt steuerpflichtig sind grundsätzlich Personen, die ihren Wohnsitz in der Türkei haben oder sich in­ner­halb eines Kalenderjahres länger als sechs Monate in der Türkei aufhalten. Der Besteuerung unterliegen alle inländischen und ausländischen Einkünfte des Steuerpflichtigen. Regelungen bilateraler Abkommen (Doppel­be­steu­erungsabkommen) haben wiederum Vorrang.


Beschränkte Steuerpflichtigkeit

Personen, die keinen Wohnsitz oder keinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Türkei haben, gelten als beschränkt steuerpflichtig. Diese Personen sind mit ihren im Inland bezogenen Einkünften beschränkt steuerpflichtig.


Doppelbesteuerungsabkommen

Doppelbesteuerungsabkommen (falls vorhanden) kommen insbesondere bei Entsendungen (Expats) wie auch bei befristeten Projekten mit Einsatz ausländischer Fachkräfte zum Tragen.

In der Regel werden Expats ins Ausland entsendet, um im Zielland für eine befristete Dauer eine bestimmte Tä­tigkeit auszuüben. Je nach Länge des Aufenthaltes kann die Erforderlichkeit einer Arbeitserlaubnis auftreten, was sehr häufig der Fall ist. In dem Fall (soweit sonst nicht der Wohnsitz bzw. Lebensmittelpunkt in der Türkei begründet wird) ist der Expat grundsätzlich mit dem vom türkischen Arbeitgeber bezogenen Gehalt beschränkt steuerpflichtig. Doch müssen die besonderen Umstände des Einzelfalls im Hinblick auf mögliche Doppel­be­steu­erungsabkommen beachtet werden.


4. Sozialversicherung

Erfordert die Tätigkeit eine Arbeitserlaubnis, müssen grundsätzlich im Rahmen des Arbeitsverhältnisses mit dem türkischen Arbeitgeber Sozialversicherungsbeiträge in der Türkei geleistet werden. Der Arbeitgeber führt sie vom Bruttogehalt des Beschäftigten ab. Mögliche bilaterale Sozialversicherungsabkommen können eine Be­freiung von der Beitragspflicht vorsehen.


5. Abgrenzung zum Montagevisum

Das Montagevisum wird für ein Jahr, mit Möglichkeit der mehrfachen Einreise erteilt. Die maximale Aufent­halts­­dauer in der Türkei beträgt 90 Tage. Es räumt dem Inhaber das Recht ein, sich in der Türkei höchstens 90 Tage aufzuhalten, um innerhalb dieser Frist eine Montagetätigkeit ausüben und diesbezüglich schulend tätig werden zu können, etwa eine in die Türkei importierte Maschine oder Ausrüstung zu montieren, instand zu halten und zu warten. Der Arbeitnehmer muss bei Terminwahrnehmung beim Konsulat die Referenzschreiben der entsendenden und empfangenden Gesellschaften vorweisen. In den Schreiben müssen die Tätigkeiten kon­kret dargelegt werden. Die türkische Auslandsvertretung entscheidet im Rahmen ihres weiten Ermessens­spiel­raums über die Vergabe des Montagevisums. Im Gegensatz zur Arbeitserlaubnis bedarf es hier keines Arbeits­ver­hält­nisses mit der empfangenden türkischen Gesellschaft. Für über 90 Tage hinausgehende Tätigkeiten be­darf es einer Arbeitserlaubnis.


6. Betriebsstättenproblematik

In Zusammenhang mit dem Auslandseinsatz von Mitarbeitern stellt sich auch häufig die Frage, inwieweit die in der Türkei ausgeübten Tätigkeiten zu der Begründung einer Betriebsstätte führen. Hier sind sowohl lokale Re­ge­lungen wie auch bilaterale Abkommen zu prüfen. In diesem Zusammenhang wird darauf hingewiesen, dass die Existenz einer türkischen Tochtergesellschaft allein vor der Begründung einer steuerlichen Betriebsstätte nicht schützt, so dass der Einsatz von Mitarbeitern von vornherein gut durchplant und strukturiert sein muss.


7. Fazit

Mitarbeitereinsätze im Ausland sind komplexe Sachverhalte, die verschiedene Rechtsgebiete berühren und im Hinblick auf landesrechtliche Besonderheiten und mögliche bilaterale Abkommen eine ganzheitliche Betrach­tung erfordern. Für eine rechtssichere Abwicklung des Auslandseinsatzes ist die frühzeitige Klärung von Fragen insbesondere in den Bereichen Ausländerrecht, Arbeitsrecht, Steuerrecht und Sozialversicherungs­recht vor Auf­nahme der Auslandstätigkeit von zentraler Bedeutung.

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