Arbeitnehmerüberlassung aus dem Ausland – Risiken fingierter Arbeitsverhältnisse

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​​​​​ veröffentlicht am 10. Mai 2023 | Lesedauer ca. 4 Minuten


Deutsche Unternehmen sind in vielerlei Branchen darauf angewiesen, ausländische Fachkräfte „zu akquirieren“. Nicht zuletzt in Industrie und Handwerk werden Fach­kräfte dringend, mitunter im Projektgeschäft v. a. auf flexibler Basis gesucht. Auch gerade die IT-Branche kennt den Mangel an qualifiziertem Personal, insbeson­dere bei IT-Projekten, wie etwa dem Aufbau einer IT-Landschaft, der Wartung dersel­ben oder aber der Bearbeitung von Nutzeranfragen. Dabei sind deutsche Unternehmen immer wieder auf die Unterstützung externer – häufig ausländischer – Unternehmen ange­wiesen. Letztere überlassen ihre Arbeitnehmer nicht selten für einen Einsatz in einem Unternehmen in Deutschland.



Grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung

Als klassisches Instrumentarium des Fremdpersonaleinsatzes stellt die Arbeitnehmerüberlassung, auch durch ausländische Verleiher-Unternehmen an deutsche Entleiher-Unternehmen, grundsätzlich einen schnellen und flexiblen Weg dar, um für einen befristeten Zeitraum an ausländische Fachkräfte zu gelangen. Eine Arbeit­neh­mer­überlassung liegt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) vor, wenn die jeweiligen (Leih-)Arbeitnehmer des eigentlichen Vertrags-Arbeitgebers (Verleihers) in die Arbeitsorganisation des inlän­dischen Unternehmens (Entleihers) eingegliedert sind und dessen Weisungen unterliegen.

Wichtig ist bei einer grenzüberschreitenden Überlassung, dass die jeweiligen Rechtsordnungen, die die Vor­aus­setz­ung für eine solche Überlassung normieren, berücksichtigt werden.


Anwendbare Rechtsvorschriften und Erlaubnispflicht

Zunächst bleibt festzuhalten, dass innerhalb Deutschlands das AÜG gilt, und zwar auch für das Tätigwerden ausländischer Verleiher. Erfasst wird daher ebenfalls der Verleih aus dem Ausland von ausländischen Fach­kräf­ten als Leiharbeitnehmer nach Deutschland hinein. Nicht vom AÜG erfasst ist der Verleih durch einen aus­län­disch­en Verleiher an einen inländischen Entleiher nur dann, wenn der Leiharbeitnehmer ausschließlich im Aus­land, beispielsweise in einer ausländischen Niederlassung des deutschen Unternehmens, eingesetzt wird.


Damit der Verleih rechtskonform abläuft, sind grundsätzlich sowohl die ausländischen als auch die inlän­di­schen Gesetze, insbesondere diejenigen, die jeweils die Arbeitnehmerüberlassung regeln, zu beachten. Eine illegale Arbeitnehmerüberlassung ist unbedingt zu vermeiden, da sie weitreichende Konsequenzen haben kann. Das heißt, dass nach § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG auch ausländische Verleiher für eine Überlassung ihrer Leih­ar­beit­neh­­mer nach Deutschland eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis, ausgestellt nach deutschem Recht von der zuständigen Agentur für Arbeit, vorweisen müssen. Zusätzlich kann es sein, dass auch nach den an­wend­ba­ren ausländischen Gesetzen eine weitere Erlaubnis, erteilt von der zuständigen ausländischen Behörde, vor­liegen muss. Darauf müssen deutsche Unternehmen unbedingt achten, um sich nicht dem Vorwurf einer Ille­ga­li­tät auszusetzen und damit nicht zuletzt ggfs. auch als künftiger Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers und als Haftungsschuldner in Anspruch genommen zu werden.


Illegale Arbeitnehmerüberlassung

Findet die Arbeitnehmerüberlassung auf Basis einer nach dem AÜG gültigen Arbeitnehmerüber­lassungs­er­laub­nis statt, ist und bleibt der Verleiher alleiniger Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers. Ihn treffen die üblichen Ar­beit­ge­ber­pflichten. Nur das gegenüber dem Leiharbeitnehmer bestehende Weisungsrecht wird auf den Ent­lei­her übertragen.

Anders ist dies bei der illegalen Arbeitnehmerüberlassung, also wenn keine Arbeitnehmerüberlassungs­erlaub­nis existiert. Denn dann ist nämlich der Vertrag zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer nach § 9 AÜG un­wirk­sam, weil gegen die in § 1 AÜG normierte Erlaubnispflichtverstoßen wird. Zudem gilt als Folge der Unwirk­sam­keit ein Arbeitsverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer zu dem zwischen dem Entleiher und dem Verleiher für den Beginn der Tätigkeit vorgesehenen Zeitpunkt als zustande gekommen (§ 10 Abs. 1 S. 1 AÜG), da der Leiharbeitnehmer nicht ohne den Schutz eines Arbeitsverhältnisses sein soll. Mit anderen Worten be­steht also ein wirtschaftliches Risiko für das entleihende Unternehmen, dass zwischen diesem und dem Leih­ar­beit­neh­mer ein Arbeitsverhältnis mit allen dazugehörigen Arbeitnehmerrechten begründet wird, das vom Ent­leiher eigentlich nicht in dieser „Form“ und nicht in diesem „Umfang“ gewollt ist oder benötigt wird.


Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26. April 2022, Az. 9 AZR 228/21

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat nunmehr entschieden, dass diese zuvor geschilderte Rechtsfolge einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung bei einem Verleih aus dem Ausland nach Deutschland aber nicht in jedem Fall eintritt.

In dem durch das BAG entschiedenen Fall hatte eine französische Leiharbeitnehmerin das Bestehen eines Ar­beits­ver­hält­nisses mit dem deutschen Entleiher geltend gemacht und Überstunden- sowie Differenz­vergütung gefordert. Die Leiharbeitnehmerin war bei einem französischen Verleiher angestellt und wurde auf Grundlage eines zwischen Verleiher und Entleiher geschlossenen Überlassungsvertrages nach Deutschland entsandt. Der Vertrag zwischen den beiden Unternehmen wie auch der Arbeitsvertrag sahen die Anwendung französischen Rechts vor. Über eine deutsche Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis verfügte der Verleiher nicht.


Mit Urteil vom 26. April 2022 (9 AZR 228/21) hat das BAG in diesem Fall für Recht erkannt, dass die Verletzung der Erlaubnispflicht des § 1 AÜG nicht zur Unwirksamkeit des zwischen dem französischen Verleiher und der französischen Leiharbeitnehmerin geschlossenen Leiharbeitsvertrags nach § 9 AÜG führt, da das Leihar­beits­verhältnis dem Recht eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union unterliegt. In diesem Fall ist das Arbeitsverhältnis zwischen Verleiher und Leiharbeitnehmer nicht vom Anwendungsbereich des § 9 AÜG erfasst und daher nicht unwirksam. Deswegen wird auch nicht zum Schutz des Leiharbeitnehmers ein Arbeitsver­hält­nis zwischen Entleiher und Leiharbeitnehmer gemäß § 10 AÜG kraft Gesetzes fingiert. Es ist also immer im Ein­zelfall zu prüfen, welches Recht für das ausländische Leiharbeitsverhältnis zur Anwendung kommt, ins­be­son­de­re wenn die Arbeitsvertragsparteien keine eindeutige Rechtswahlklausel im Arbeitsvertrag mitaufgenommen haben. Bei einer grenzüberschreitenden Arbeitnehmerüberlassung sind unterschiedliche Teilbereiche der je­weil­igen Rechtsordnungen berührt, die ggfs. Kollidieren und dann im Wege des Kollisionsrechts aufgelöst werden müssen.


Weitere mögliche Rechtfolgen einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung

Darüber hinaus existiert bei einer illegalen Arbeitnehmerüberlassung aber auch das Risiko der Verwirklichung einer Ordnungswidrigkeit. Konkret erfüllt etwa der Entleiher, der einen ihm von einem Verleiher ohne Erlaubnis der Bundesagentur für Arbeit überlassenen Leiharbeitnehmer tätig werden lässt, den Tatbestand einer Ord­nungs­wi­drig­keit (§ 16 AÜG), deren Verwirklichung mit einer Geldbuße bis zu 30.000 Euro bestraft werden kann.

Im Kontext grenzüberschreitender Arbeitnehmerüberlassung können bei einer Illegalität sogar persönliche Kon­sequenzen für die Organe der Entleiher drohen. Der erlaubnislose Verleih ist unter bestimmten weiteren Vor­aus­setz­ungen sogar strafbar (§ 15a AÜG). In derartigen Fällen droht eine Haftstrafe von bis zu drei, in beson­ders schweren Fällen sogar bis zu fünf Jahren.


Fazit

Auch wenn das BAG in der dargestellten Fallkonstellation bei einer grenzüberschreitenden Arbeitnehmer­über­lassung ohne Erlaubnis (Illegalität!) nunmehr kraft Gesetzes kein Arbeitsverhältnis mehr zum Entleiher be­grün­det sieht und damit das Risiko für den Entleiher reduziert, bleibt diese allein deswegen nicht vollständig folgen­los. Entleiher, die die grenzüberschreitende Arbeitnehmerüberlassung für den befristeten und flexiblen Fach­kräf­te­ge­winn nutzen, tun daher nach wie vor gut daran, sich im Vorfeld über die nationalen und auslän­dischen rechtlichen Rahmenbedingungen zu informieren und diese zu beachten. Dazu gehört insbesondere – wenn auch nicht ausschließlich – zu kontrollieren, dass der Verleiher auch im Besitz einer wirksamen Arbeitnehmer­überlassungserlaubnis ist.

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