Umsatzrealisierung nach IFRS 15 – Nach wie vor Herausforderungen für die Praxis

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zuletzt aktualisiert am 13. April 2023
 
Seit dem Geschäftsjahr 2018 ist IFRS 15 für die Umsatzrealisierung verpflichtend anzuwenden. Die Umsetzung der Regelungen in der Umstellungsphase brachte für viele Unternehmen diverse Herausforderungen mit sich. Auch wenn sich IFRS-Bilanzierer inzwischen bereits einige Jahre an den Standard gewöhnen und Erfahrung in dessen Anwendung sammeln konnten, können immer wieder neue Fragestellungen rund um die Umsatzrealisierung nach IFRS auftauchen. Diese sind gemäß den in IFRS 15 enthaltenen allgemeinen prinzipienbasierten Regelungen zu beantworten.
    

 

 

I. Anwendungsbereich

Die Regelungen des IFRS 15 umfassen nach IFRS 15.5 grundsätzlich alle mit Kunden geschlossenen Verträge, die die Lieferung von Gütern oder die Erbringung von Dienstleistungen im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit zum Gegenstand haben. Vom Anwendungsbereich ausgeschlossen sind Leasingverträge nach IFRS 16, Versicherungsverträge nach IFRS 4, Finanzinstrumente, vertragliche Rechte oder Verpflichtungen nach IFRS 9, IFRS 10, IFRS 11, IAS 27 und IAS 28. Zudem sind nicht monetäre Tauschgeschäfte zwischen Unternehmen derselben Sparte, die Verkäufe an Kunden erleichtern sollen, ausgeschlossen.

  

II. 5-Schritte-Modell

IFRS 15 basiert auf einer einheitlichen und prinzipienorientierten Erfassung von Umsatzerlösen für sämtliche Kundenverträge und ist branchenunabhängig anzuwenden. Im Mittelpunkt steht ein 5-Schritte-Modell zur Bestimmung von Höhe und Zeitpunkt der Umsatzerlöse. Dabei kommt ein asset-liability-approach mit dem Kontrollübergang als wesentliches Kriterium zur Erfassung von Umsatzerlösen zum Einsatz. Die Höhe der Umsatzerlöse bemisst sich nach der Gegenleistung, die das Unternehmen vom Kunden erhält oder erhalten wird (IFRS 15.47). Im Folgenden werden die einzelnen Schritte des Modells zusammenfassend dargestellt.

 

 

a) Schritt 1: Identifizierung des Vertrags mit dem Kunden

Zu Beginn des Modells steht die Identifizierung des Vertrags mit dem Kunden. Ein Vertrag ist eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Parteien, die durchsetzbare Rechte und Pflichten begründet (IFRS 15.10). Zudem muss diese Vereinbarung zwischen Kunden, die mit dem Unterneh­men einen Vertrag über den Erhalt von Gütern oder Dienstleistungen aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit des Unternehmens gegen Entgelt abgeschlossen haben, bestehen (IFRS 15.6). Im ersten Schritt wird sowohl die Identifizierung des Kunden als auch eine sorgfältige Analyse des Vertrags verlangt. Vor dem Hintergrund des wirtschaftlichen Gehalts der Transaktion kann es dabei möglicherweise zur Zusammenfassung mehrerer Verträge kommen, die in den anschließenden Schritten als Einheit betrachtet werden.

 

b) Schritt 2: Identifizierung der separaten Leistungsverpflichtungen

Ein wesentlicher Schritt in der Analyse der Kundenverträge stellt die Identifizierung der separaten Leistungsverpflichtung dar. Danach sind eigenständig abgrenzbare (distinct) Güter oder Dienst­leistungen sowie Bündel aus Gütern oder Dienstleistungen zu separieren. Grundsätzlich erfolgt eine separate Betrachtung und Erfassung der einzelnen Leistungsverpflichtungen (IFRS 15.27), wenn der Kunde aus den Vermögenswerten direkt oder zusammen mit anderen frei verfügbaren Ressourcen einen Nutzen ziehen kann und die zugesagten Vermögenswerte von anderen zugesagten Vermögens­werten des gleichen Vertrags trennbar sind. Sofern einzelne Leistungsverpflichtungen nicht separierbar sind, sind diese zusammenzufassen, bis ein separierbares Leistungsbündel entsteht (IFRS 15.30). Die separaten Leistungsverpflichtungen sind in den weiteren Schritten ggf. hinsichtlich Höhe und Realisierungszeitpunkt unterschiedlich zu behandeln. Ein typisches Beispiel für separate Leistungsverpflichtungen sind Verträge, in denen eine Maschine mit Servicekomponente verkauft wird.

 

c) Schritt 3: Bestimmung des Transaktionspreises

Als Transaktionspreis gilt der Betrag der Gegenleistung, auf den das liefernde Unternehmen im Austausch gegen die gelieferten Güter oder Dienstleistungen erwartungsgemäß Anspruch hat (IFRS 15.47). Hierbei sind insbesondere variable Vergütungen, Vergütungen des Unternehmens an den Kunden, nichtfinanzielle Gegenleistungen des Kunden und Zinseffekte zu berücksichtigen. Beispiele für variable Vergütungen sind Preisnachlässe, Rabatte, Skonti, Boni, Rückgaberechte, aber auch Vertragsstrafen.

 

d) Schritt 4: Verteilung des Transaktionspreises auf Leistungsverpflichtungen

Nach der Bestimmung des Transaktionspreises muss dieser im Anschluss auf die einzelnen Leistungs­verpflichtungen des Vertrags verteilt werden. Dabei erfolgt die Zuordnung auf Basis der relativen Einzelveräußerungspreise der Leistungsverpflichtungen zum Zeitpunkt des Vertrags­abschlusses (IFRS 15.76). Liegen keine direkt bestimmbaren Einzelveräußerungspreise vor, so müssen diese anhand gängiger Methoden geschätzt werden (IFRS 15.78). IFRS 15 nennt als zulässige Methoden bspw. den Adjusted-market-assessment-Ansatz, den Expected-cost-plus-a-margin-Ansatz oder den Residualwert-Ansatz.

 

e) Schritt 5: Umsatzrealisierung bei Erfüllung der Leistungsverpflichtung

Der Zeitpunkt der Umsatzrealisierung knüpft nach IFRS 15.31 an die Erfüllung der Leistungsver­pflich­tung aus der Übertragung eines Gutes oder einer zugesagten Dienstleistung an. Dabei gilt ein Vermögenswert als übertragen, wenn der Kunde die Verfügungsgewalt (control) über den Vermögens­wert erlangt. IFRS 15 unterscheidet grundsätzlich zwischen der Erfüllung zu einem bestimmten Zeitpunkt und der Erfüllung über einen bestimmten Zeitraum.
 
Eine zeitraumbezogene Leistungsverpflichtung besteht, wenn eines der folgenden 3 Kriterien erfüllt ist:
  • Kunde zieht kontinuierlich Nutzen aus der Leistungserbringung und verbraucht ihn gleichzeitig.
  • Unternehmen erstellt oder bearbeitet einen Vermögenswert, der vom Kunden kontrolliert wird.
  • Schaffung eines Vermögenswerts ohne alternative Nutzungsmöglichkeit für das Unternehmen und gleichzeitig Rechtsanspruch auf Zahlung für die erbrachten Leistungen.

 

Liegt keines der genannten Kriterien vor, handelt es sich im Umkehrschluss um eine zeitpunktbezogene Leistungsverpflichtung (IFRS 15.38).

 

Folgende Indikatoren sind bei der Beurteilung der Übertragung der Verfügungsgewalt zu berücksichtigen:
  • Anspruch auf Zahlung
  • Übergang des rechtlichen Eigentums auf den Kunden 
  • Physischer Besitz des Vermögenswerts durch den Kunden
  • Übergang der Risiken und Chancen auf den Kunden
  • Abnahme des Vermögenswerts durch den Kunden

 

III. Herausforderungen für die Praxis

Die Anwendung des IFRS 15 kann sich in der Praxis als sehr komplex erweisen. Je nach Branche und Geschäftsmodell kann ein beträchtlicher Analyseaufwand für die Kundenverträge notwendig sein. Dies verstärkt sich, wenn die Verträge individuell ausgestaltet sind und wenig Standardisierung erfolgt. Herausfor­derungen für die Praxis entstehen insb. auch aufgrund der Vielfalt der geregelten Sonderthemen. Darunter fallen bspw. Vertragsanpassungen, variable Kaufpreisbestandteile, (umfangreiche) Rückgaberechte, Gewähr­leistungen und Garantien, Kundengewinnungskosten, Vertragserfüllungskosten, Kundenbindungs­programme, Bill-and-Hold-Transaktionen, Put-/Call-Optionen oder „Upfront fees”. Zudem ist auch zu bedenken, dass IFRS 15 eine Reihe von Angabepflichten für den Anhang mit sich bringt, für die eine weitere Datenerhebung erforderlich sein kann.

Die Herausforderungen im Kontext des IFRS 15 sind bereichsübergreifend zu lösen. Neben dem Rechnungs­wesen sind insb. der Vertrieb, das Controlling und der Bereich IT regelmäßig einzubinden. Letzterer gewinnt mit zunehmender Größe und Komplexität des Unternehmens an Bedeutung. 


 

IV. Fazit und Ausblick

Auch Jahre nach der Erstanwendung beschäftigt IFRS 15 die Bilanzierungspraxis weiterhin. Die Sicherstellung einer standardkonformen Umsatzrealisierung kann sich insb. vor dem Hintergrund der prinzipienbasierten Regelungen, die oftmals eine Reihe an Interpretations- und Ermessensspielräumen mit sich bringen, als sehr komplex erweisen. Die Regelungen umfassen eine Vielzahl von Sonderthemen, die bei Unternehmen möglicherweise erst im Laufe der Zeit Relevanz entfachen. Neue Kundenverträge können daher bereits bei vermeintlich kleinen Änderungen ggü. der bisherigen Praxis große Auswirkungen auf die Bilanzierung haben. Unternehmen sollten entsprechend den Bereich Umsatzrealisierung auch nach erfolgreicher Umstellung auf IFRS 15 nicht ad acta legen, sondern fortwährend im Fokus behalten. Dies gilt nicht zuletzt auch deshalb, da es sich beim Umsatz um eine zentrale Steuerungsgröße handelt, die längerfristig sowohl im Fokus der Abschluss­adressaten als auch des Enforcement bleiben dürfte.

 

Kontakt

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Dr. Christian Maier

Diplom-Kaufmann, Wirtschaftsprüfer, CPA (U.S.)

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